NBA:48 Millionen oder doch nur 38

NBA: Hat keine Lust, seinen Multimillionendollar-Vertrag bei den New Orleans Pelicans zu erfüllen: Anthony Davis.

Hat keine Lust, seinen Multimillionendollar-Vertrag bei den New Orleans Pelicans zu erfüllen: Anthony Davis.

(Foto: Tyler Kaufman/AP)

Die Transferperiode verdeutlicht das Ungleichgewicht in der NBA zugunsten von Klubs in Metropolen. Dabei hätte eine neue Regel genau das verhindern sollen.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Anthony Davis spielt immer noch bei den New Orleans Pelicans. Bis zum Ende der Transferperiode am vergangenen Donnerstag hat kein anderer Klub ein Tauschangebot gemacht, das die Pelicans nicht hätten ablehnen können. Normalerweise ist so eine Nicht-Wechsel-Meldung im Profisport nur dann interessant, wenn es um den FC Bayern geht, Robert Lewandowski und mindestens zwei seiner Berater. In diesem Fall jedoch lohnt es, diese Nachricht aus der nordamerikanischen Basketball-Profiliga NBA etwas genauer zu betrachten, weil sie verdeutlicht, welch wahnwitzige Ausmaße dort das Geschachere um die besten Akteure angenommen hat - und wie eine Liga, die mittels neuer Regeln im nun 482 Seiten dicken Tarifvertrag für Chancengleichheit sorgen wollte, genau das Gegenteil erreichte.

Davis hat die Pelicans vor ein paar Wochen darüber informiert, dass er seinen bis 2020 laufenden Vertrag nicht verlängern werde; der Kontrakt wird ihm, das aber nur nebenbei, in fünf Spielzeiten insgesamt 145 Millionen Dollar eingebracht haben. Davis schlug damit vorzeitig ein mögliches Angebot von, und das nun nicht mehr nur nebenbei, knapp einer Viertelmilliarde Dollar für fünf weitere Jahre aus. Er regte ein sofortiges Tauschgeschäft an, und damit die Pelicans auch wussten, mit wem sie bitte schön verhandeln sollten, legte er ihnen auch gleich eine Liste mit Klubs vor, bei denen er einen langfristigen Vertrag unterschreiben würde: Los Angeles Lakers, Los Angeles Clippers, New York Knicks, Milwaukee Bucks.

Diese Liste zeigt die Regel auf, und sie liefert auch gleich die Ausnahme zur Bestätigung dieser Regel: Davis möchte nach Los Angeles oder nach New York. Nach Milwaukee würde er nur deshalb wechseln wollen, weil dort sein Freund Giannis Antetokounmpo bis 2021 gebunden ist und bis dahin nicht nach Los Angeles oder New York übersiedeln darf. "Es geht mir nicht ums Geld", sagt Davis - das Ungeheuerliche an dieser Aussage ist, dass sie tatsächlich wahr ist.

Die NBA hat vor zweieinhalb Jahren sogenannte Supermax-Verträge eingeführt: Klubs können verdienten Spielern unter gewissen Umständen ein gigantisches Angebot machen, bei dem sie 35 Prozent ihres Etats auf nur einen Profi verwenden: Dafür müssen die betreffenden Akteure seit acht Jahren in der NBA spielen, im Laufe ihres ersten Vertrages zum Klub gekommen und auf einer Bestenliste wie "Defensive Player of the Year" oder "All-NBA-Team" geführt worden sein. Das sollte dazu führen, dass gerade kleinere Klubs jenen Profis, die Erfolg versprechen und deretwegen die Fans in die Halle kommen, etwas anbieten können, womit die Konkurrenten qua Reglement nicht mithalten können.

Es ist jedoch das Gegenteil davon passiert, und an Davis, 25, lässt sich anschaulich erklären, warum das so ist. Am Ende seines derzeit gültigen Vertrages wird er allein an Gehalt 145 Millionen Dollar verdient haben, über Werbeverträge kommen derzeit laut Forbes mehr als elf Millionen pro Saison dazu. Die Frage lautet also, ob einer mit Karriere-Einkünften von mehr als 200 Millionen Dollar wirklich Wert darauf legt, ob er mit einem Supermax-Vertrag bei den Pelicans dann ungefähr 240 Millionen in fünf Jahren (also pro Saison 48 Millionen Dollar) verdienen wird - oder ungefähr 152 Millionen über vier Jahre verteilt, also 38 Millionen pro Saison. Die genauen Zahlen richten sich nach den Liga-Einkünften und stehen deshalb noch nicht fest.

Es ist ein Verzicht auf viel Geld, gewiss, dennoch machen das derzeit auffällig viele Akteure, und dafür gibt es einen nachvollziehbaren Grund: Wer 35 Prozent seines Etats für nur einen Profi ausgibt, der hat nicht mehr besonders viel Spielraum, einen schlagkräftigen Kader um diesen Akteur herum zu basteln. Das schafft nur, wer ein paar Stars dazu bringt, für mögliche Titel auf Geld zu verzichten - oder wer aufgrund von regionalen TV-Verträgen finanziell in der Lage ist, die Luxussteuer fürs Überschreiten der Gehaltsobergrenze zu stemmen. Also: Klubs in Metropolen.

Kawhi Leonard zum Beispiel ist vor dieser Spielzeit von San Antonio nach Toronto gewechselt, aufgrund des kanadischen Marktes die laut Forbes lukrativste NBA-Stadt nach New York, Los Angeles und Chicago. Die Raptors haben während der Transferperiode auch noch den Center Marc Gasol von den Memphis Grizzlies bekommen. Es heißt, dass Leonard nach der Saison gerne nach Los Angeles umsiedeln würde, am liebsten zu den Lakers, zu deren Superstar LeBron James und - wer weiß - womöglich noch zu einem weiteren berühmten Akteur wie etwa Kevin Durant.

Apropos Durant, der mit seinem Wechsel von Oklahoma City zu den Golden State Warriors im Jahr 2016 überhaupt erst für diese Supermax-Regel gesorgt hat: Er kann als sogenannter Free Agent seine Team frei wählen. Es heißt, dass er gerne zu den Lakers oder den New York Knicks gehen möchte, so wie auch Davis. Die Knicks haben gerade durch ein Tauschgeschäft mit den Dallas Mavericks (sie haben unter anderem Kristaps Porzingis fortgeschickt) genügend Gehaltsspielraum für beide geschaffen. Die Philadelphia 76ers wiederum, beheimatet im fünftlukrativsten NBA-Markt, haben sich während der Transferperiode die Dienste von Flügelspieler Tobias Harris (vormals LA Clippers) gesichert und gelten nun als ernsthafter Anwärter, in dieser Saison die Eastern Conference in der Finalserie zu vertreten. Die Clippers wiederum haben nun dank des Tauschgeschäfts, ähnlich wie die Knicks bei ihrem, etwas Spielraum für lukrative Angebote während der Sommerpause bekommen.

So hängt alles mit allem zusammen.

Die NBA wollte durch ihre Supermax-Regel die kleineren Klubs stärken und gleichzeitig über finanzielle Anreize so etwas wie Loyalität kreieren. Das hat offenkundig nicht funktioniert, es sieht eher so aus, als würden die Großen noch größer werden. Die Kleinen dagegen haben nur noch eine Titelchance, wenn sie nahe an der klubpolitischen Perfektion agieren und Tauschangebote der Großen auch mal ablehnen; dadurch treiben sie die Großen zu überhöhten Angeboten, die die Kleinen konkurrenzfähig bleiben lassen. Die nächste Runde im Geschacher um Anthony Davis beginnt übrigens am 6. Juli, dann öffnet der Transfermarkt wieder.

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