Am Sonntag machte die Sportzeitung As eine vertrauliche Unterredung mit dem spanischen Fußballnationaltrainer Luis de la Fuente öffentlich, der Anlass für die Indiskretion war einfach zu gut. Natürlich sei Rodri von Manchester City der beste „Sechser“ der Welt, habe De la Fuente nach einem Mittagessen im Frühjahr 2023 konzediert. „Aber würde er spielen, so würden wir über Martín Zubimendi das Gleiche sagen“, habe De la Fuente gesagt.
Seit Samstagabend herrscht Gewissheit, dass Spaniens Europameistercoach das Zitat nicht in Abrede stellen wird. Zubimendi, 25, avancierte im Nations-League-Spiel gegen Dänemark als Torschütze zum Matchwinner (1:0). Und De la Fuente legte in der Pressekonferenz nach der Partie nach: „Zubimendi ist nach Rodri der beste defensive Mittelfeldspieler der Welt.“
An Indizien mangelt es nicht. Es lässt sich am Rang der Vereine ablesen, denen seit geraumer Zeit ein gehobenes Interesse an den Diensten des Basken nachgesagt wird. Als Thomas Tuchels als FC-Bayern-Trainer händeringend um die Verpflichtung einen Sechsers bat, war Zubimendi im Gespräch; Xavi Hernández warb mit dem gleichen Ansinnen in der Führungsetage des FC Barcelona. Im Sommer soll Zubimendi viel Geld vom FC Liverpool ausgeschlagen haben; nun ist in Manchester City ein anderer Premier-League-Koloss in den Fokus gerückt. Rodri lag wegen seines Kreuzbandrisses noch gar nicht unter dem Messer, da hieß es schon, dass City den Geldhahn aufdrehen wolle, um Zubimendi noch im Winter als Ersatz zu holen. Doch ob Zubimendi seine Treue zur Real Sociedad aufgibt?
Im EM-Finale ersetzte Zubimendi den verletzten Rodri – ein Bruch tat sich im spanischen Spiel nicht auf
Die Loyalität zu seinem aktuellen Arbeitgeber ist enorm, zudem hat er seine Lehrjahre auch bei einem einstigen Großmeister auf der Sechs verbracht: Xabi Alonso, heute Trainer bei Bayer Leverkusen und 2019/2020 Zubimendis Coach bei der zweiten Mannschaft der Real Sociedad. „Mein ganzes Umfeld weiß, dass Xabi für mich immer ein Bezugspunkt war“, sagte Zubimendi einmal. Offenbar hat er sich bei Alonso auch viel im Hinblick auf Karriereplanung abgeschaut. „Meine Philosophie ist es, zu tun, was mir mein Inneres diktiert“, sagte Zubimendi dieser Tage, „und ich habe noch einiges zu lernen“.
Dass er kein Sechser von der Stange ist, stellte Zubimendi schon in Berlin unter Beweis, als er zur Halbzeit des EM-Finales gegen England den kurz vor der Halbzeit verletzten Rodri ersetzen musste. Rodri hin, Zubi her – im Spiel der Spanier tat sich kein Bruch auf. Den Treffer zum 2:1-Endstand erzielte damals ein anderer Spieler von der Real Sociedad, Mikel Oyarzabal, der Sieg war aber fundamental auf Zubimendi zurückzuführen. Und nun also der Treffer in der Nations League gegen die Dänen, ein wenig contranatura, wie sich De la Fuente freute.

Denn: Seit seinem Erstligadebüt im April 2019 ist Zubimendi in 197 Pflichtspielen für die Real Sociedad über neun Tore nicht hinausgekommen; der Treffer gegen die Dänen war der erste im Nationalmannschaftstrikot. Dafür durften die Fans am Spielort Murcia das Tor gleich drei Mal bejubeln: als der Ball dank der Mithilfe des arg patzenden Torwarts Kasper Schmeichel im Netz lag (79.) – und nach gleich zwei aufeinanderfolgenden Überprüfungen durch den Videoschiedsrichter.
Zum einen wurde eine mögliche Abseitsstellung durchleuchtet, zum anderen, ob sich Joselu im Luftkampf mit einem dänischen Abwehrspieler regelwidrig verhalten hatte, ehe der Ball bei Zubimendi landen konnte. „Für mich war das nicht Schulter an Schulter“, raunte Lars Knudsen, Co-Trainer beim FC Augsburg und noch Interimstrainer der Dänen, zum Körpereinsatz Joselus. An der grundsätzlichen Berechtigung des spanischen Sieges änderte diese Kontroverse nichts. Der Verlockung, die nach dem Tor in körperliche Härte gekleidete Wut der Dänen zu geißeln, erlag De la Fuente nicht. „Ach, wären wir nur auf Rosen gebettet: Flower Power! Aber das hier ist Fußball!“, sagte er.
Der Triumph, der den Spaniern die Tabellenführung in der Nations-League-Gruppe A4 sicherte, war umso bemerkenswerter, da Spanien ohne sieben Startelfspieler aus dem vergangenen EM-Finale antrat: Unai Simón, Dani Carvajal, Robin Le Normand, Rodri, Dani Olmo und Nico Williams fehlten verletzt, Marc Cucurella saß auf der Bank. (Gegen Serbien wird auch Lamine Yamal wegen „Muskelüberlastung“ ausfallen.) Zündstoff hatte der Nationaltrainer zuvor selbst in einem Interview mit dem Rundfunksender Cadena SER bereitgestellt. Sein Arbeitsvertrag, klagte De la Fuente, sei nach dem EM-Sieg trotz gegenteiliger Versprechung nicht aufgebessert worden. Diese Offensive wurde im Verband mit Überraschung registriert – De la Fuente ist alles andere als ein Mann der lauten Töne – und mit Beschwichtigungen gekontert.
Spaniens Verband sei mehr oder weniger handlungsunfähig, findet De la Fuente
Dass er, wie De la Fuente feixend sagte, gar kein Arbeitspapier habe, wurde im Verband als Stilmittel der Übertreibung abgetan; dass sein Führungskräftevertrag vergleichsweise mau dotiert sei, wurde relativiert. Er bekomme mehr Geld als früher, nur eben längst nicht die drei Millionen Euro brutto, die Vorgänger Luis Enrique kassiert hatte. Das Problem ist, dass der Verband seit der sogenannten Kussaffäre um den früheren Nationalverbandschef Luis Rubiales nahezu handlungsunfähig ist. „Keiner traut sich, etwas zu unterschreiben, was ihm irgendwann auf die Füße fallen könnte“, sagt De la Fuente.
Rubiales’ kommissarischer Nachfolger Pedro Rocha wurde im vergangenen Juli von der Regierung schon wieder abgesetzt, weil er seine Kompetenzen überschritten haben soll. Erst im Dezember wird ein neuer Präsident gewählt. Spätestens dann dürfte sich auch die Vertragslage des Europameistertrainers ändern.