Nations League:Sané ist für den Neustart geschaffen

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Julian Draxler und Leroy Sané kamen beide aus der Schalker Jugend, kennen sich entsprechend schon etwas länger und sind offensichtlich gute Freunde.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Das Potenzial von Leroy Sané, das er vor allem in der vergangenen Saison bei Manchester City zeigte, ist unumstritten.
  • Dennoch warf man ihm oft vor: Es fehle an der nötigen Arbeitsmoral. Joachim Löw nahm Sané bekannterweise auch nicht zur Weltmeisterschaft in Russland mit.
  • Mit neuem Eifer muss Sané gegen die Niederlande und Frankreich beweisen, dass er für die Zukunft in der deutschen Offensive unverzichtbar ist.

Von Javier Cáceres, Berlin

Der Waliser John Toshack gewährte einst diesen Blick in das Seelenleben des Trainers: "Am Montag nehme ich mir vor, zur nächsten Partie zehn Spieler auszuwechseln", sagte er nach einem Duell, das er mit Real Madrid verloren hatte, "am Dienstag sind es sieben oder acht, am Donnerstag noch vier Spieler. Wenn es dann Samstag wird, stelle ich fest, dass ich doch wieder dieselben elf Scheißkerle einsetzen muss wie in der Vorwoche." Wer weiß, ob Bundestrainer Joachim Löw ähnliche Gedanken beschlichen, als er das deutsche Debakel bei der Weltmeisterschaft in Russland aufarbeitete, um dann einen sogenannten Neuanfang zu wagen. Denn alles in allem vertraut nun auch Löw auf dieselben, nun ja: Kerle, die bei der WM in Russland in der Vorrunde ausschieden.

Und auf Leroy Sané, 22.

Dass der ehemalige Schalker Profi und heutige Angestellte von Manchester City der Einzige ist, der vor den Nations-League-Spielen in den Niederlanden (Samstag) und in Frankreich (Dienstag) so etwas wie einen Neuanfang verkörpert, ist immer bemerkenswert. Unter anderem, weil es so bemerkenswert ist, dass Sané in Russland überhaupt fehlte. In der vergangenen Saison war er mit City nicht nur Meister geworden - er hatte vor allem in der Schlussphase der Saison eine derart atemberaubende Form, dass er zum besten Nachwuchsspieler der Premier League gewählt wurde. Anfang September überhäufte Toni Kroos den Angreifer mit Lob: "Wir haben einen Spieler wie Leroy mit dessen Qualität so nicht noch einmal", sagte er. Aber: Man müsse halt "einen Weg finden", um ihn "zu seiner Topleistung zu bringen".

Kroos deutete auch an, dass Sané den einen oder anderen Kollegen mit seiner Art zur Weißglut getrieben hatte. "Natürlich ist er jemand, der mit seiner Körpersprache einem das Gefühl gibt: Ob ich gewinne oder verliere, ist nicht so schlimm. Das ist die Körpersprache. Ob es so ist, weiß ich nicht." Ist es natürlich nicht, sagte Sané am Mittwoch in Berlin. Und auch Löws Assistent Marcus Sorg gestand ein, dass Sané zwar "immer auch engagiert" war, "das eine oder andere Mal war das aber nicht so, wie wir das wollten".

Das sei "nicht so schlimm", betonte Sorg, bei Sané handele es sich noch immer um einen "sehr, sehr jungen Menschen". Nun ist Sané gerade Vater einer Tochter namens Rio Stella geworden, die dem DFB-Trainerteam Hoffnung macht. So eine Geburt beeinflusse immer einen Menschen, sagte Sorg - und löse Reaktionen aus, die gemeinhin dazu führen, dass ein "gewisser Prozess der Reife eintritt". Sanés spontane Antwort auf die Frage, ob er sich durch Rio Stella verändert habe, bestand aus genau zwei Worten: "Nicht viel." Er schob aber nach, dass er nun neben dem Platz mehr Verantwortung übernehmen müsse.

Und auf dem Platz? Da könnte es wohl so sein, dass Sané hin und wieder einen Tritt in eine Körperregion braucht, die genauso viele Buchstaben hat wie sein berühmter Nachname. Er leugnet zwar auch dies. Aber nach der Sommerpause war der City-Trainer Pep Guardiola derart genervt, dass er Sané zeitweise auf die Tribüne setzte. Allerdings soll Guardiolas Anpfiff nicht gar so laut gewesen sein wie jener, den ihm der Katalane am Neujahrstag 2016 verpasste; Sané war zwei Tage vor einem Ligaspiel zu spät zum Training erschienen.

"Ich arbeite daran, dass ich taktisch besser reinpasse"

Nie zuvor und nie danach sei er derart zusammengestaucht worden, erzählte Sané Luis Martín und Pol Ballús, den Autoren eines Buchs namens Cuaderno de Mánchester, das soeben in Spanien erschienen ist und die ersten beiden Jahre Guardiolas in Englands Premier League nachzeichnet. "Ich habe kein Problem mit Kritik, egal, um was es geht", sagt Sané dort. "Ich respektiere das und versuche, an mir zu arbeiten. Es ist auch nicht so, dass mir alles egal ist. Das motiviert mich und ist immer neuer Ansporn, an mir zu arbeiten."

Aus Sicht des DFB-Trainerteams werden solche Worte der Einsicht als begrüßenswert empfunden. Aufgrund seiner Schnelligkeit und Technik ist Sané prädestiniert dafür, die offensive Neuausrichtung der Nationalelf zu bereichern. "Wir dürfen nicht vergessen: Wir haben die letzten Jahre erfrischenden Fußball mit vielen Toren geboten", sagte Sorg, nur: Nach der Torflut in der WM-Qualifikation (43 Treffer in zehn Partien) hätten sich die Gegner auf den Stil der Deutschen eingestellt. In den letzten elf Länderspielen kam Löws Team auf nur zehn Treffer.

Tief stehen und schnell angreifen

"Was uns definitiv auch durch die WM gefehlt hat, ist die Leichtigkeit und die Selbstverständlichkeit im eigenen Spiel, auch was die Raumbesetzung und die Präzision der Pässe betrifft." Das Rezept dagegen sei, "Sicherheit zu gewinnen durch ein stabiles Spiel, durch einen kompakten Verbund wieder sauber zu verteidigen, in Ballbesitz zu kommen und dann das Spiel nach vorne zu gestalten". Was einerseits danach klingt, dass die deutsche Mannschaft in Zukunft etwas tiefer stehen wird als bisher - und dadurch Spielern wie dem diesmal verletzten Marco Reus (Dortmund), wie Timo Werner (Leipzig) oder eben Sané jene Räume zu öffnen, in denen sie ihre Schnelligkeit am besten ausspielen können.

"Es hat mit mir am Anfang nicht so gut funktioniert hier", sagte Sané am Mittwoch. "Ich arbeite daran, dass ich taktisch besser reinpasse. Ich versuche, mich zu verbessern, damit der Jogi beim nächsten Mal keine Möglichkeit hat, mich nicht zu nominieren", fügte er hinzu und er klang, als liege ihm daran, sich dem Jogi augenblicklich zu empfehlen, nicht erst morgen. Wann seine Zeit komme, wurde er gefragt: "Ich hoffe, sie kommt jetzt."

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