Italien in der Nations League:Wo geht's raus aus der Krise?

Portugal - Italien

Ohne gute Teamkollegen machtlos: Torwart Donnarumma (hier noch eine Armlänge vom Ball entfernt) war auch beim 0:1 in Portugal der beste Italiener. Foto: Matt McNulty/imago

(Foto: dpa)
  • Nach dem schmeichelhaften 1:1 gegen Polen verliert die italienische Nationalmannschaft gegen Portugal 0:1.
  • Selbst ohne Cristiano Ronaldo hatten die Portugiesen kaum Probleme mit der Suaddra Azzurra.
  • Dabei hatte Trainer Roberto Mancini extra mit einigen Konventionen gebrochen, um Italien wieder von der Trauer der verpassten WM zu befreien.

Von Birgit Schönau, Rom

Endlich Fußball-Europameister, zwölf Jahre nach dem bisher letzten Titel. Ausgelassen hat die Squadra Azzurra auf dem weißen Strand von Alghero in Sardinien gefeiert, hat ihren Trainer hochleben lassen, der sie in den Himmel lobte: "Kraft, Reaktionsstärke, Akrobatik!" Glückliches Italien. Und glücklicher Emiliano Del Duca, der seine Beach-Soccer-Azzurri durch das Finale gegen Spanien zum Triumph geführt hat - nach Elfmeterschießen.

Es gibt also noch ein Fußball-Italien, das Pokale holt - am Strand, wo die anderen Azzurri, die mit den vier Weltmeister-sternen auf dem Trikot, möglicherweise auch die nächste Europameisterschaft am Fernseher verfolgen werden. Denn nach dem 0:1 in Portugal am Montagabend in Lissabon steht tatsächlich auch eine Option auf die EM-Qualifikation schon wieder in den Sternen. Ein mageres Remis (1:1 gegen Polen), eine Niederlage - mit diesem Start in die neue Nations League wäre noch nicht alles verloren. Schwerer wiegt, wie diese italienische Nationalmannschaft ihre Auftritte absolviert: konfus, eingeschüchtert, kraft- und ideenlos. Als wandelnder Minderwertigkeitskomplex.

Erstmals seit 20 Jahren steht kein Juve-Spieler in der Startelf

Die Ratlosigkeit stand Roberto Mancini ins Gesicht geschrieben, als er die Partie analysieren sollte: "Sie haben alles gegeben", sagte der neue Nationaltrainer heiser, "das sind halt junge Männer, die müssen noch reifen." Und so eierte Mancini um dieselbe Frage herum, die schon seine Vorgänger nicht hatten beantworten können: Wo geht es, bitte schön, endlich raus aus der Krise? Quo vadis, Italia?

Nach nur zwei Spielen scheint Mancini, 53, mit seinem Latein schon am Ende zu sein. Zwei Spiele, ein Tor, und das per Elfmeter. Die bestürzende Bilanz der italienischen Elf beläuft sich nun auf sieben Treffer in zehn Einsätzen - wer Mancini kennt, kann sich ausmalen, wie sehr er in Lissabon gelitten hat. Eine einzige Torchance in 90 Minuten, erzeugt von einer Offensive, die so planlos herumwuselte wie von der Leine gelassene Welpen. Trainer spielen leider nicht, das ist Mancinis Problem. Das andere: Nach dem durchwachsenen Polen-Spiel wollte er gegen den Europameister alles richtig machen. Also probte der Commissario Tecnico die Revolution. Erstmals seit 20 Jahren bot er eine Mannschaft ohne einen einzigen Spieler vom Dauermeister Juventus Turin auf. Eine Ohrfeige für jenen Klub, der über Jahrzehnte das Rückgrat der Nationalmannschaft stellte und dessen Kapitän, Torwart Gianluigi Buffon, bis zu seinem Abschied der unumstrittene Anführer der Azzurri war.

Gerade vor dem Tor geraten die Italiener in eine Identitätskrise

Doch für Mancini gibt es keine heiligen Kühe und keine alten Rechte. Not kennt kein Gebot. Der neue Juve-Kapitän Giorgio Chiellini hatte gegen Polen noch die Binde der Nationalelf getragen, gegen Portugal saß Chiellini auf der Bank, ebenso wie sein Teamkollege Leonardo Bonucci. Mario Balotelli war Tribünenzuschauer, wegen einer Verletzung. Von den elf Freitags-Spielern standen am Montag nur noch drei auf dem Platz; der Italo-Brasilianer Jorginho (Chelsea) in der Rolle des Mittelfeldstrategen, der 20-Jährige Federico Chiesa (Fiorentina) im Angriff - dazu im Tor Gianluigi Donnarumma, 19, erneut der Beste im Team, und vermutlich der einzig Unverzichtbare in dieser Squadra Azzurra.

Gut möglich, dass Mancini sich beim nächsten Mal die Akrobaten vom Beach Soccer leiht, damit endlich, endlich mal einer trifft. Stürmer Ciro Immobile, Kapitän für eine Nacht, und Simone Zaza wollte das auf Teufel komm raus nicht gelingen. Zaza, der unvergessene Tänzer zum verschossenen Elfmeter gegen Deutschland bei der EM 2016, meißelte nachher ein paar Gemeinplätze in Marmor, die den Nachgeborenen von der desolaten Leere in den Köpfen dieser Azzurri künden werden: "Wir sind in einer experimentellen Phase. Der Weg ist der richtige. Es muss jetzt nur schnell gehen." Sagte ein Stürmer, der noch langsamer spricht, als er läuft.

Die Squadra Azzurra hadert mit sich selbst, während Portugal zeigt, dass es auch ohne CR7 kann

Während die Italiener sich wieder mal durch ihre Identitätskrise quälten, hatten wenigstens die Portugiesen richtig Spaß. Angefeuert vom eigenen Publikum, befreit von ihrem Überhelden Cristiano Ronaldo, der sich nicht vom Training mit Juventus loseisen wollte und pausierte, zeigte Portugal eine insgesamt souveräne Leistung. Vor dem Spiel war Verteidiger Pepe für seinen 100. Länderspieleinsatz geehrt worden - er feierte auf seine Weise mit einer gelben Karte nach einem Foul gegen Chiesa, das durchaus mit einem Platzverweis hätte bestraft werden können.

Lächelnd kassierten die Portugiesen auch das Gastgeschenk der Italiener, kurz nach der Pause überreicht von Mattia Caldera, der den Ball nicht weit vom portugiesischen Tor an Bruma abgab. Es folgte ein Konter über ein so gut wie freies Feld. André Silva, der letztes Jahr bei Milan wegen andauernder Torflaute ausgepfiffen wurde, konnte sich in aller Ruhe in Szene setzen. Und Donnarumma war machtlos.

Es blieb beim 1:0 (48.) für Portugal, Trainer Fernando Santos hatte daran wenig zu bemängeln: "Wir waren klar besser. Nur in den letzten zehn Minuten haben wir etwas nachgelassen. Das hat den Italienern erlaubt, noch einmal ins Spiel zu finden." Ohne Resultat. "Keine Mannschaft ist ohne Cristiano Ronaldo stärker", sinnierte Santos, "schließlich ist er der beste Spieler der Welt. Aber was ich heute gesehen habe, stimmt mich optimistisch." Beim Rückspiel in Italien will CR7 dann wieder für Portugal antreten.

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