Nations-League-Sieger Portugal:Ronaldo deutet seine Endlichkeit an

UEFA Nations League Final - Portugal v Netherlands

Cristiano Ronaldo fand es nur so mittel, dass nicht er, sondern Kollege Bernardo Silva Spieler des Turniers wurde.

(Foto: Carl Recine/Action Images/Reuters)
  • Portugal gewinnt erstmals einen großen Titel im Fußball auf heimischen Boden.
  • Cristiano Ronaldo erklärt hinterher, dass auch er nicht ewig für sein Land spielen kann.
  • Die Nations League beweist trotz mäßigem Niveau in den Finalspiel, dass die Zuschauer Lust auf mehr Fußball haben.

Von Sven Haist, Porto

Der Gewinn des Finalturniers der Nations League mit Portugal bot Cristiano Ronaldo die Gelegenheit, sein Ritual zu pflegen. Nach erfolgreichen Endspielen reißt sich der Schönste, Beste und Selbstbewussteste aller Portugiesen, kurz CR7, gemeinhin auf dem Spielfeld das eigene Trikot vom Leib, um sich selbst und allen anderen zu beweisen, dass es seinen Oberkörper nur einmal auf der Welt gibt.

Aufgrund der üppigen Titelsammlung des Angreifers von Juventus Turin gehört diese Art der Selbstdarstellung mittlerweile zum Programm der Siegerehrungen und fällt daher bloß auf, wenn Ronaldo auf sie verzichtet, wie am Sonntag geschehen nach Portugals 1:0 über die Niederlande, das Offensivmann Goncalo Guedes mit seinem Treffer in der 60. Minute sicher stellte.

Weil auch der europäische Fußballverband davon absah, mit Eröffnungs- oder Schlusszeremonien extra auf sich aufmerksam machen zu müssen, vermittelte das einem das selten gewordene Gefühl, dass es hier tatsächlich vorrangig um das Spiel an sich ging. Trotz der 112,875 Millionen Euro an Preisgeld für 142 Länderspiele. Im Gegensatz zu den kürzlich stattgefundenen Endspielen in der Champions League (Madrid) und der Europa League (Baku) erwies sich nämlich das finale Viererturnier der neuen Nations League in seiner Aufmachung als eine Nummer kleiner - und damit eigentlich genau richtig für ein Fußballturnier.

Ronaldo rappelt sich zur Höchstform auf

Schon eine Viertelstunde nach Abpfiff bekam Ronaldo ohne Brimborium auf dem Siegerpodest als Kapitän des portugiesischen Nationalteams den Wanderpokal überreicht. Die Freude über die Trophäe verdeutlichte die Ernsthaftigkeit, mit der er trotz des eher geringen Stellenwerts des Cups mit seinen Mitspielern das Heimturnier angegangen war. Im Alter von 34 Jahren war das für Ronaldo mehr oder weniger die letzte Chance in seiner Karriere, einen Titel in seinem Geburtsland zu gewinnen - und damit Frieden schließen zu können mit der Endspielniederlage gegen Griechenland (0:1) bei der Europameisterschaft 2004 in Portugal, die er als Teenager auf dem Platz miterlebt hatte.

Mit drei Toren gegen die Schweiz rappelte sich Ronaldo im Halbfinale trotz der Strapazen der vorangegangenen Spielzeit noch mal zur Höchstform auf, um den Portugiesen - nach dem EM-Sieg vor drei Jahren - das nächste Erlebnis zu bescheren, das sie in Zukunft mit seinem Namen verbinden werden. Allzu viele werden voraussichtlich nicht mehr folgen. In der Interviewzone nahm er seinen Fans nach dem Finalsieg die Illusion, für alle Zeiten in der Lage zu sein, die Treffer der Seleção zu erzielen.

"Cristiano ist nicht ewig", sagte er über sich selbst: "Es wird ein Tag kommen, an dem ich nicht mehr kommen werde, aber dafür fehlen noch viele, viele Jahre." Bevor Ronaldo sich irgendwann mal zur Ruhe legt, dürften ihn vorher die Teilnahme an der Weltmeisterschaft 2022 in Katar weiter am Ball halten und die Einstellungen der Bestmarken für die meisten Tore (Ali Daei/Iran) sowie Spiele (Ahmed Hassan/Ägypten) in einer nationalen Auswahl.

England gewinnt ein Elfmeterschießen

Neben dem Premierensieg für Portugal war ebenso für die anderen drei Teilnehmer etwas dabei. Die zweitplatzierten Niederländer bestätigten, bald wieder zu den führenden Nationen gehören zu können. Analog zu England, das wie bei der WM 2018 ein Elfmeterschießen gewann. Mit 6:5 setzten sich die Three Lions im Duell mit der Schweiz durch, ohne dabei auch nur einen von sechs Strafstößen zu vergeben. Wenngleich aufgrund des Halbfinalaus die Serie anhält, seit dem WM-Sieg 1966 keinen Titel gewonnen zu haben. Den Schweizern blieb immerhin die Gewissheit, vor den besten Fußballländern nicht zurückschrecken zu müssen.

Am meisten profitiert haben von dieser Blitzveranstaltung allerdings in erster Linie die Zuschauer. Die vier Finalspiele haben wiederum gezeigt, dass die Fußballfans nicht genug kriegen können vom Fußball. Allein etwa 18 000 Engländer haben sich auf den Weg nach Porto an die Atlantikküste gemacht. Selbst die Zugfahrten durchs Hinterland nach Guimarães hielt keinen Anhänger von der Reise ab.

Die Auswahl der beiden Spielorte (bei denen die vorhandenen Stadien genutzt wurden) und der kompakte Turnierkalender standen symbolisch, dass es wahrlich nicht verkehrt ist, auf diejenigen Rücksicht zu nehmen, die einem Turnier ein echtes Turniergefühl verleihen. Die vier Spiele waren jeweils nahezu vollständig besucht.

Damit die Endrunde in der Nations League sich etablieren kann, bedarf es jedoch weiterhin Spieler, die dieses Turnier auch spielen. Der Qualität der einzelnen Begegnungen war anzumerken, dass die Profis am Ende eines strapaziösen Spielkalenders stehen, bei dem sich die Mehrheit lieber bereits im Urlaub befunden hätte als auf dem Fußballplatz und der den Nationalteams kaum eine Möglichkeit lieferte, sich vernünftig auf die Partien vorzubereiten.

Das vielversprechendste Spiel des Turniers zwischen England und der Niederlande verkam am Donnerstag auf diese Weise zu einer Aneinanderreihung an Fehlern, die dem Leistungsvermögen der jeweiligen Profis nicht gerecht wurde. Auf den Tribünen schien das niemanden so richtig zu stören. Die Leute freuten sich vielmehr, dass das Spiel in die Verlängerung ging - und sie noch mehr Fußball zu sehen bekamen.

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