Nations League:Österreich trifft ins norwegische Fußballherz

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„Das ist die beste Nationalmannschaft, die es je gegeben hat in Österreich“, sagt Marko Arnautovic (links, hier mit Marcel Sabitzer). (Foto: Christian Bruna/Getty Images)

Norwegens Nationalteam um Erling Haaland gilt in der Heimat als goldene Generation, doch am Sonntag glänzt mal wieder nur der Gegner: Das Team von Ralf Rangnick erzielt fünf Tore – angeführt von einem 35-jährigen Angreifer.

Von Felix Haselsteiner

Natürlich hatte man diesem einzigartigen, groß gewachsenen, etwas unförmigen Stürmer das alles immer schon zugetraut: Kapitän seiner Nationalmannschaft zu werden, als Torschütze aufzutreten, eine Nation zu einer EM, einer WM oder zumindest in die Nations-League-Gruppe A zu führen. Das alles hatte man schon kommen sehen, damals bei RB Salzburg, als Erling Haalands große Karriere in kleinen österreichischen Orten begann, die heute noch kleiner und unscheinbarer klingen, wenn man sie mit der Riesenhaftigkeit Haalands vergleicht.

Man hatte ähnliche Dinge auch immer schon dem Österreicher Marko Arnautovic zugetraut, der ebenfalls ein Unikat im Weltfußball ist, allerdings einen etwas beschwerlicheren Karriereweg gewählt hat als der blonde Wikinger. Arnautovic ist inzwischen 35 Jahre alt, er hat die Welt von Floridsdorf bis Shanghai gesehen und stürmt als Einwechselspieler noch für Inter Mailand. Und ist nebenbei für seine Nation das geworden, was Haaland noch werden möchte: ein Volksheld.

Zwei Tore erzielte Arnautovic beim 5:1 gegen Norwegen in Linz am Sonntagabend, es war die höchste Niederlage in Haalands Karriere auf der einen und ein Anlass zur Selbstberauschung für den Austro-Fußball auf der anderen Seite. „Das ist die beste Nationalmannschaft, die es je gegeben hat in Österreich“, sagte Arnautovic, der schon in ein paar früheren Versionen dieser österreichischen Nationalmannschaft gespielt hat.

Die Fähigkeit, die goldene Generation Norwegens an einem Herbstabend in Linz vor allem in der zweiten Halbzeit wie eine Schülerelf zu düpieren, hatte tatsächlich noch keine goldene Generation Österreichs zuvor. Es war eine beachtliche Energie, die das Team von Ralf Rangnick auf den Platz brachte, dieselbe, die man schon bei der EM mitunter gespürt hatte. Arnautovic und Christoph Baumgartner gingen voran, auch ein starker Marcel Sabitzer, der in Dortmund derzeit auf einer ungeliebten Position spielt – was unsinnig erscheint, wenn man sieht, wozu er auf der augenscheinlich richtigen fähig ist.

Baumgartner staunt: „Wir haben drei Kopftore gegen eine unfassbar große Mannschaft gemacht.“

„Wenn wir alle bei 100 Prozent sind, dann mag ich nicht gegen uns spielen“, sagte Baumgartner. Darin liegt die Stärke von Rangnicks Team: Unter dem 66-Jährigen erreichen die Österreicher so oft wie nie zuvor ihr Leistungslimit. Am Sonntag fehlten in David Alaba, Kevin Danso und Xaver Schlager weiterhin drei Führungsspieler für defensivere Aufgaben, spürbar war das auch gegen den sehr stark besetzten norwegischen Sturm aus Haaland und Alexander Sörloth nicht. Das 1:1 des Stürmers von Atlético Madrid fiel nach einem Torwartfehler von Patrick Pentz, im restlichen Spiel war es vor allem die norwegische Defensive, die im Fokus stand.

Ein ums andere Mal ließen sich die Norweger ausspielen, Arnautovic traf per Distanzschuss und Elfmeter, die anderen drei Treffer erzielten Stefan Posch, Michael Gregoritsch und Philipp Lienhart jeweils per Kopf, was selbst Baumgartner verblüffte: „Wir haben drei Kopftore gegen eine unfassbar große Mannschaft gemacht.“

„Tut mir leid, Leute": Erling Haaland kann sich mit seinem Team, hier verfolgt von Konrad Laimer, nicht gegen Österreich durchsetzen. (Foto: Christian Moser/GEPA pictures/Imago)

Es waren drei Tore mitten in das Fußballherz der Norweger, die ihrer Nation – ähnlich wie in Österreich – historisch viel Talent bescheinigen, aber seit Jahren die Geschichte einer beachtlichen Erfolglosigkeit erzählen. Trainer Stale Solbakken war bereits zum Start der Nations League im Herbst in Nöten, damals folgte ein überraschender 2:1-Heimsieg gegen Österreich, der ihm vorerst den Job rettete. Ob die Schmach im Rückspiel daran etwas ändert, bleibt abzuwarten. Die Bilanz des ehemaligen Köln-Trainers ist kaum zu entschuldigen – auch wenn Kapitän Haaland es versuchte. „Tut mir leid, Leute, das war viel zu schlecht von mir“, schrieb er bei Instagram.

Arnautovic, der einer anderen Generation entspringt, verzichtete auf soziale Medien, er schlich in Badeschlappen durch die Mixed Zone. Es ist ein gewohntes Bild des österreichischen Stürmers, festes Schuhwerk ist bei ihm nach Siegen selten zu sehen gewesen im Karriereverlauf. Dafür präsentiert er verlässlich Lebensweisheiten. Fünf Tore trennen ihn noch vom ÖFB-Rekordtorschützen Toni Polster, wäre das ein Ziel? „Riesenrespekt für Toni Polster dafür, was er für das Nationalteam gemacht hat“, sagte Arnautovic. Aber: „Ich schaue nicht, ob ich näher komme. Mir ist das komplett egal.“

Überhaupt, jede Karriere ist endlich, das ist Arnautovic inzwischen bewusst. Eine WM-Endrunde etwa fehlt nicht nur Haaland, sondern auch dem österreichischen Rekordnationalspieler. Also, wenn schon Polster egal ist, ist vielleicht eine WM ein Ziel? „Das entscheide nicht ich, das entscheidet nicht ihr“, sagte Arnautovic: „Der Herrgott entscheidet, wie lange ich verletzungsfrei spielen kann.“

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