Nations League:Mehr als ein Testspiel

Vor Finale in der Nations League - Training Niederlande

Vor dem Finale gegen Portugal in der Nations League geht der niederländische Trainer Ronald Koeman (3.v.l) mit seinem Team wichtige Punkte der Vorbereitung durch.

(Foto: Martin Meissner/dpa)

In Porto dreht sich mal wieder vieles um Cristiano Ronaldo. Doch auch Frenkie de Jong zeigt, warum er den Fußball prägen könnte. Worum es am Finalwochenende der Nations League für die vier verbliebenen Teams geht.

Von Fabian Ruch, Porto

Die Fussballwelt dreht sich um Cristiano Ronaldo

Die Nations League mag ein neuer Wettbewerb sein, im Mittelpunkt aber steht im Finalturnier mal wieder ein Altbekannter: Cristiano Ronaldo hat viele Rekorde aufgestellt und Titel gewonnen, auch die Auszeichnung als erster Final-Four-Torschützenkönig in der Nations League ist ihm nach seiner Hattrick im Halbfinal gegen die Schweiz kaum noch zu nehmen. A Bola, die größte von mehreren Sportzeitschriften Portugals, die sich täglich fast nur mit Fußball beschäftigen, listete am Freitag fein säuberlich alle Vereine und Nationen auf, gegen die Ronaldo in seiner Karriere getroffen hat. Es sind 148 Teams. Gegen den FC Sevilla war der frühere Real-Madrid-Angreifer am häufigsten erfolgreich (27 mal). Gegen die Schweiz gelang dem 34-Jährigen sein 43. Hattrick. Und nur noch der Iraner Ali Daei (109 Tore) traf in Länderspielen häufiger als der Portugiese (88). Einen neuen Bestwert könnte Ronaldo immer noch aufstellen: erster Siegschütze in einem Nations-League-Final zum Beispiel.

Hollands smarter Ballverteiler Frenkie de Jong

Im Endspiel am Sonntagabend in Porto gegen Holland sind die Portugiesen nicht nur wegen Ronaldo favorisiert. Der Europameister wirkt stabiler, selbst wenn Abwehrchef Pepe, mittlerweile 36, gegen die Schweiz verletzt ausschied und fehlen wird. Die Holländer sind eher unausgeglichen besetzt, mit herausragenden Innenverteidigern (Virgil van Dijk und Matthijs de Ligt) und Offensivspielern, die noch kein internationales Topformat aufweisen. Ihr Schlüsselspieler im Aufbau ist Frenkie de Jong, der im Sommer von Ajax Amsterdam zum FC Barcelona wechseln wird.

Das Halbfinale gegen England (3:1) war zwar ein auf diesem Niveau selten gesehenes Fehlerfestival, im Mittelfeld aber brillierte De Jong mit einer überragenden Vorstellung. Der Ballverteiler, kürzlich 22 geworden, gefiel mit Übersicht und Präzision, Fantasie und Durchsetzungsvermögen. Er wird mit Luka Modric und Andrea Pirlo verglichen, erinnert aber auch ein bisschen an den Spanier Sergio Busquets. Als dessen Nachfolger soll de Jong in Barcelona aufgebaut werden, vorerst werden sie den Aufbau noch gemeinsam lenken.

Ein unerwartetes Endspiel in Porto

Die Premiere der Nations League ist nach anfänglicher Skepsis durchaus gelungen, selbst wenn die große Euphorie auch im Gastgeberland nicht ausgebrochen ist. Besser als Testspiele sind die Vergleiche gegen Teams auf Augenhöhe in den vier Divisionen allemal, der Modus mit Aufstieg und Abstieg ist spannend, das ­Finalturnier eine Gelegenheit, einen Pokal zu gewinnen. Und weil die prominenten Fußballnationen Italien, Spanien, Frankreich und Deutschland allesamt nicht in Portugal dabei sind, vereinigen die vier Teilnehmer bloß drei Titel auf sich (England an der WM 1966, Holland an der Euro 1988, Portugal an der EM 2016). Mit dieser Finalpaarung hätte vor Beginn der Nations League kaum jemand gerechnet. Die Portugiesen verloren ihr erstes Finalspiel zu Hause an der Euro 2004 überraschend gegen Griechenland 0:1, der 19-jährige Ronaldo weinte nach der Begegnung in Lissabon bitterlich. Und die Holländer unterlagen bei der WM 2010 in Südafrika im Endspiel den Spaniern 0:1 nach Verlängerung.

Schweizer Sieg gibt eine Million Euro Preisgeld mehr

Die Schweizer treten am Sonntagnachmittag in Guimaraes zum Spiel um Platz drei gegen England an. Es ist davon auszugehen, dass Nationaltrainer Vladimir Petkovic sein Personal ein bisschen rotieren lassen wird. "Den einen oder anderen Wechsel wird es geben", sagt er, "aber das ist keine Phase, in der man ausprobieren kann. Es ist kein Freundschaftsspiel gegen England." Petkovic könnte beispielsweise den talentierten Basler Noah ­Okafor einsetzen und damit für die Schweiz sichern. Der 19-jährige Offensivspieler ist Doppelbürger und wird von Nigeria, dem Heimatland seines Vaters, schon lange umgarnt. Okafor rückte nach, weil sich Breel Embolo verletzt hatte. Es geht für die Schweizer darum, den ersten Sieg gegen England seit 38 Jahren zu realisieren. Und immerhin um eine Million Euro mehr Preisgeld. Der Dritte des Final Four erhält inklusive Antrittsprämie acht Millionen Euro, der Vierte sieben. Die Engländer wiederum freuen sich nach einer langen, intensiven Saison auf die Ferien. Ihr Auftritt im Halbfinale war nach starkem Beginn unerklärlich zurückhaltend, mit grotesken Abwehrfehlern luden sie die Holländer zum Toreschiessen ein.

Das schöne und das hässliche Gesicht der Fans

Egal, in welchem Land und bei welchem Turnier die Engländer antreten, ihre Anhänger sind mit beeindruckender Delegation dabei. Das Stadion in Guimaraes war im Halbfinale zu zwei Dritteln von Engländern besetzt, rund 20 000 Unterstützer verbreiteten eine prächtige Stimmung. Die wenigsten dürften Fans des Champions-League-Siegers FC Liverpool gewesen sein, dessen Abwehrchef Virgil van Dijk jedenfalls wurde bei jedem Ballkontakt lautstark ausgepfiffen. In Porto, wo die allermeisten Engländer ein paar Ferientage und Feiernächte verbringen, sorgten englische Anhänger mehrmals für unschöne Szenen. Sie lieferten sich eine wüste Schlägerei mit Portugiesen, es gab Flaschenwürfe und sogar ein Handgemenge mit Polizisten.

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