Süddeutsche Zeitung

Nations League:Für Statistik-Professoren

Lesezeit: 3 min

Die Kriterien für die EM-Auslosung 2020 sind absurd kompliziert. Versuch einer Handreichung.

Von Christopher Gerards

Die erste Nations-League-Spielrunde ist abgeschlossen, Deutschland ist abgestiegen - und das ist nicht der einzige Dämpfer: Weil Polen am Dienstagabend gegen Portugal ein 1:1 erreichte, ist die DFB-Elf nicht im Lostopf 1 gesetzt, wenn demnächst die Qualifikationsgruppen für die Europameisterschaft 2020 ausgelost werden. In Dublin wird am 2. Dezember ermittelt, wer dann gegen wen spielt, und dass dieser Termin kurios werden könnte - darauf hat der Kicker schon vor einigen Tagen angemessen pikiert hingewiesen. "Die EM-Qualifikation wird absurd wie noch nie", schrieb das Sportmagazin und hat vermutlich recht. Die Auslosung wird ein Akt voller Einschränkungen, es geht um Ausrichterländer, lange Reisen, das Wetter, vermutlich verstehen das am Ende nur Fields-Medaillen-Gewinner oder Statistik-Professoren. Der Versuch einer Klärung.

Wann startet die EM-Qualifikation?

Wir beginnen einfach, diese Antwort gibt es ohne Joker: im März 2019. Gekickt wird bis November desselben Jahres.

Wie viele Teams können sich für die EM qualifizieren?

20 über die reguläre EM-Qualifikation, vier weitere über die Playoffs der Nations League. Insgesamt gibt es zehn Gruppen, die Hälfte mit fünf Teams, die andere Hälfte mit sechs Teams; die ersten beiden jeder Gruppe qualifizieren sich.

Was heißt das für die deutsche Elf?

Es hätte einfacher werden können. Durch das schlechte Abschneiden in der Nations League ist Deutschland in Lostopf 2 gerutscht - und könnte damit auf Gegner wie Frankreich, England oder Spanien treffen.

Klingt noch nicht so kompliziert, wo liegt das Problem?

Gleich. Erst muss man noch mal daran erinnern, dass das Turnier 2020 nicht nur in einer Fußballnation stattfindet, sondern in zwölf: in Aserbaidschan, Dänemark, England, Deutschland, Ungarn, Irland, Italien, den Niederlanden, Rumänien, Russland, Schottland und Spanien. Das geht zurück auf eine Idee des inzwischen gesperrten früheren Uefa-Präsidenten Michel Platini. Jetzt wird es kompliziert.

Weil?

Diesmal ist keiner der Gastgeber automatisch qualifiziert - das wäre ja auch seltsam bei zwölf Gastgebern und 24 Plätzen. Doch der Uefa ist es offenbar ein Anliegen, dass möglichst viele der Gastgeber dabei sind. Auf ihrer Homepage heißt es: "Damit alle zwölf Gastgeber-Nationen die Möglichkeit haben, sich als Gruppensieger oder Gruppenzweiter zu qualifizieren, können maximal zwei dieser Teams in eine Gruppe gelost werden." Das bedeutet, dass es keine Gruppe geben wird, in der sowohl Deutschland als auch Schottland als auch Rumänien spielen. Nur zum Beispiel ...

Was ist mit politisch heiklen Partien?

Auch hier gibt es Einschränkungen - "aufgrund von Entscheidungen des Uefa-Exekutivkomitees". Nicht gegeneinander spielen können: Armenien und Aserbaidschan; Gibraltar und Spanien; Bosnien-Herzegowina und Kosovo; Kosovo und Serbien; Russland und Ukraine.

Und sonst?

Gibt es noch "Einschränkungen durch Winterverhältnisse". Stimmt wirklich. Die Uefa hat Länder "mit hohem oder mittlerem Risiko bezüglich schwerwiegender Winterverhältnisse" ausgemacht: Weißrussland, Estland, die Färöer, Finnland, Island, Lettland, Litauen, Norwegen, Russland und die Ukraine. Auch hier gilt: Nicht mehr als zwei dieser Teams dürfen in eine Gruppe. Hinzu kommt, dass auf den Färöer, in Finnland und in Island nach Uefa-Erkenntnissen sogar mit einem "strengen Winter" zu rechnen ist (also noch schwerwiegender als schwerwiegend), weshalb es dort im März und November keine Spiele geben wird. Fürsorglich rät der Verband: "Die anderen Nationen sollten im März und November so wenige Heimspiele wie möglich austragen."

Das lässt sich doch einfach planen, oder? Wenn Island in eine Gruppe mit, sagen wir, Aserbaidschan und Zypern käme, könnten sie im März oder November einfach dort spielen. Ist ja wärmer dort.

Theoretisch ja. Allerdings kann Island nicht in einer Gruppe mit Zypern und Aserbaidschan spielen. Der offizielle Grund - und damit die nächste Einschränkung: "Übermäßig lange Anreisen" will die Uefa den Ländern ersparen. Kasachstan, Aserbaidschan und Island können deshalb, grob gesagt, nur gegen ein weit entferntes Land spielen, nicht aber gegen mehrere. Das betrifft letztlich ziemlich viele Länder.

Spielt die Nations League auch eine Rolle für die EM-Qualifikation?

Ja. Aus ihr können sich vier Teams für die EM qualifizieren, und zwar über sogenannte Playoffs. Allerdings starten die Playoffs erst im März 2020 - und damit nach der Gruppenauslosung der EM, die für Anfang Dezember 2019 geplant ist.

Und was heißt das alles für Deutschland?

Deutschland wird nicht sowohl gegen Schottland als auch gegen Rumänien spielen, weil alle drei Länder Ausrichter sind, weshalb Deutschland auch nicht in einer Gruppe mit England und Irland sein wird, die ebenfalls Ausrichter sind. Andererseits wird Deutschland auch nicht in einer Gruppe mit sowohl Finnland als auch Lettland als auch Estland sein, weil's da zu kalt sein könnte; und sollte Deutschland doch in einer Gruppe mit Finnland spielen (folglich also nicht sowohl mit Färöer und Estland), wird es im März und November kein Auswärtsspiel in Finnland geben, weil's da ja den "strengen Winter" geben könnte. Da ist es zumindest praktisch, dass Deutschland im gleichen Lostopf gelandet ist wie Island, denn hätte Deutschland gegen Island spielen müssen, womöglich sogar im März und November, aber nicht sowohl gegen Lettland als auch Finnland, dann hätte in dieser Gruppe zwar auch Zypern spielen können, aber nicht Aserbaidschan, was zwar nichts mit dem Winter zu tun hat, aber damit, dass beide Länder zu weit weg liegen von Island. Aber das ist jetzt nicht mehr das Problem des DFB, der ja in Lostopf 2 ist. Ganz einfach das alles, oder?

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Quelle:
SZ vom 22.11.2018
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