Frankreich gegen Israel:Helikopter kreisen über dem fast leeren Stadion

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Israelische Fans verlassen das Stade de France. (Foto: Aurelien Morissard/AP)

Das Hochrisikospiel zwischen Frankreich und Israel wird zur Nullnummer, in jeder Hinsicht. Es kommt nur zu kleinen Zusammenstößen – aber immerhin die Ehrentribüne im Stade de France ist voll.

Von Oliver Meiler, Paris

Selten in der Geschichte des Fußballs war ein 0:0 passender als dieses 0:0 im Stade de France zu Paris, 14. November 2024, Frankreich gegen Israel. Auch in der Anmutung. „Une soirée vraiment nulle“, titelt die Zeitung Le Parisien, ein Wortspiel. Das „nulle“ nimmt den „match nul“ auf, das ist der französische Begriff für Unentschieden. Und es qualifiziert den Abend, die Soiree, gleichzeitig als trist, als armselig, als „nulle“ eben. Das war sie, in historischem Ausmaß – zum Erinnern trist.

Aus Sorge vor Gewalt, Protestaktionen und Ausschreitungen war das Stadion in der nördlichen Banlieue von Paris verpanzert worden: 4000 Beamte waren im Einsatz, sie riegelten alles ab, die Ausgänge der Metros, alle Zugangsstraßen zur Arena. Selbst wenn es Leute gegeben haben sollte, die sich in letzter Minute noch einen Stadionbesuch überlegt hätten: Auch sie verzichteten, so viel war vorab über die potenziellen Gefahren debattiert worden.

Den Polizisten entgingen mindestens zwei palästinensische Fahnen bei der Zutrittskontrolle

Das Länderspiel in der Nations League fand dann vor fast leeren Rängen statt: 16 611 Zuschauer saßen im großen Stadion, das 80 000 fassen würde. Das ist Minusrekord für die Bleus. Vielleicht waren es bei Frankreich gegen die Färöer vor fünfzehn Jahren in der bretonischen Provinz, in Guingamp, noch ein paar Hundert Zuschauer weniger. Allerdings fiel das damals niemandem auf, das kleine Stade de Roudourou war voll.

Diesmal fiel alles auf, gerade die Leere. „Nur die Ehrentribüne war ausverkauft“, schreibt eine Zeitung mit einer Spitze Ironie. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron saß da, und hinter ihm, Seite an Seite, seine zwei Vorgänger François Hollande und Nicolas Sarkozy. Aus Solidarität mit Israel – und als Reaktion auf die gewaltsamen Vorkommnisse rund um ein Spiel in der Europa League in Amsterdam, Ajax gegen Maccabi Tel Aviv, vor ein paar Tagen. Macron hat dann schnell entschieden, dass er beim Spiel in Paris dabei sein wolle, noch bevor die genauen Umstände des Chaos von Amsterdam bekannt waren, und zog seine Amtsvorgänger mit. Frankreich werde nicht weichen vor dem Antisemitismus, sagte Macron kurz vor dem Spiel: „Die Gewalt wird niemals gewinnen, so wenig wie die Einschüchterung.“

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Als dann die israelische Hymne erklang, stand manchen französischen Fans im Stade de France der Sinn danach, die etwas einseitig inszenierte Solidarität für Israel auszugleichen – und sie pfiffen. Die Soundmacher des Stadions schraubten den Ton der Lautsprecher so hoch, dass die Pfiffe beinahe untergegangen wären.

Der israelische Keepers Daniel Peretz vom FC Bayern hält einfach alles

Den Polizisten entgingen auch mindestens zwei palästinensische Fahnen bei der Zutrittskontrolle, obschon der Polizeichef von Paris sie vorab ausdrücklich angewiesen hatte, primär nach diesen Fahnen zu suchen. In einem Sektor des Stadions, wo israelische Fans mit französischen gemischt waren, kam es dann auch zu einem kleinen Handgemenge, eigentlich nicht der Rede wert. Aber da gefühlt nun mal mehr Polizisten und Reporter als Zuschauer anwesend waren, wurde alles registriert. Stadionstewards separierten die Hitzköpfe rasch, dann war es wieder ruhig.

Fußball? War kaum. Ein steriles, abgelöschtes Anlaufen der Franzosen auf das Tor des israelischen Keepers Daniel Peretz, 24 Jahre alt – als hätte sie die atmosphärische Tristesse befallen. Peretz, der im Alltag in Diensten des FC Bayern steht, hielt einfach alles. Allerdings hatte es manchmal den Anschein, als wollten die Franzosen den Ball auch aus bester Lage partout nicht ins Tor schießen. Etwa aus Solidarität, auch sie?

Nun, das ist nicht sehr wahrscheinlich. Aber selten war eine fußballerische Nullnummer so spektakulär egal wie diese, während Helikopter über dem fast leeren Stadion kreisten.

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