Krise beim DFB-Gegner:England sehnt sich nach Veränderung

Krise beim DFB-Gegner: England-Trainer Gareth Southgate ist aktuell als Tröster gefragt - hier mit Kapitän Harry Kane (links).

England-Trainer Gareth Southgate ist aktuell als Tröster gefragt - hier mit Kapitän Harry Kane (links).

(Foto: Marco Bertorello/AFP)

Englands Fußballer stecken in der Krise, die Kritik an Trainer Gareth Southgate wächst - auch weil er bei Personal-Entscheidungen seine Reputation aufs Spiel setzt.

Von Felix Haselsteiner

Selbstverständlich kennt Gareth Southgate die Geschichte seiner Vorgänger im Amt als Englands Nationaltrainer nur zu gut und weiß, dass Höhen und Tiefen nicht weit auseinander liegen. Im Juli 2021 hatte sich Southgate im EM-Finale gegen Italien zwar mit der Auswahl seiner Elfmeterschützen angreifbar gemacht, aber trotz der Niederlage waren er und sein Team auf dem Höhepunkt ihres Schaffens angelangt. Eine glorreiche Zukunft wurde ihm und seiner jungen Mannschaft vorausgesagt - nun, etwas mehr als 14 Monate später, trifft er am Montagabend als Absteiger aus der Nations League Gruppe 3 auf Deutschland und sieht sich mit einer Kritik konfrontiert, die seine Eignung als Nationaltrainer überraschend deutlich infrage stellt.

"Ich glaube, so ist es einfach im Moment, und ich muss das akzeptieren", sagte Southgate nach dem 0:1 gegen Italien am Freitag in Mailand, der dritten Niederlage aus den vergangenen fünf Spielen. Diskussionen um seine Eignung wollte er zwei Monate vor der WM trotzdem nicht zulassen: "Ich glaube, ich bin die richtige Person, um die Mannschaft in das Turnier zu führen."

Es sieht stark danach aus, dass Southgate in seiner Überzeugung nicht allein dasteht. Ernsthafte Debatten um eine Ablösung werden innerhalb des englischen Verbands FA nicht geführt. Dafür wäre die Zeit auch zu knapp, aber vor allem gesteht man dem 52-Jährigen einiges an Kredit zu. Bei der WM 2018 (Halbfinale) und der EM (Finale) hat Southgate bewiesen, dass er die Fähigkeiten eines Turniermanagers besitzt. Diese Qualitäten werden ihm auch nicht abgesprochen - doch die spielerischen Defizite der englischen Mannschaft waren zuletzt gravierend. Dass Namen wie der von Thomas Tuchel in der öffentlichen Diskussion fallen, drückt die Sehnsucht nach einer veränderten fußballerischen Ordnung aus.

Southgate hält am umstrittenen Abwehrchef Harry Maguire fest

Gegen Italien spielte England erneut mit einer Dreierkette, die kritisiert wird, weil sie den Spielaufbau hemmt - und weil in diesem System Harry Maguire aufläuft, ein Abwehrchef, der komplett außer Form ist. Maguire, 2018 noch die Entdeckung des Turniers und Publikumsliebling, ist bei Manchester United als Kapitän zuletzt kein regelmäßiger Startelfspieler gewesen und auch in der Nationalmannschaft ein ständiger Unsicherheitsfaktor.

Southgate aber hält ihm die Treue und setzt damit ein Versprechen aufs Spiel, das er 2016 gegeben hatte. Er werde nicht "nach Reputation aufstellen", hatte er bei seinem Antritt gesagt, das hätten zu viele seiner Vorgänger getan. Für Maguire allerdings macht er nun, sechs Jahre später, eine Ausnahme: "Er ist ein wichtiger Spieler für uns, und es ist wichtig, unsere besten Spieler zu stärken. Was für eine Reputation ich auch zu verlieren habe, ich setze auf ihn."

Dasselbe gilt auch für die Grundformation. Die Dreierkette gebe England "die beste Chance über die kommenden Monate", sagte der Trainer: "Wir haben Alternativen auf diesen Positionen, falls sich jemand verletzt und müssen dann nicht das System verändern und neu anfangen." Das klingt nach einem pragmatischen Ansatz, der allerdings dazu führen könnte, dass Southgates Mannschaft immer besser auszurechnen ist: Gegen die gut organisierten Italiener fand England kaum Lösungen aus dem Mittelfeld heraus. Wenn, dann durch Einzelaktionen.

Stürmer Harry Kane sorgt für die wenigen Lichtblicke

Dafür allerdings hat Southgate weiterhin genug Charaktere in seinem Kader, unter anderem Mittelstürmer Harry Kane, den andere Nationaltrainer - zum Beispiel Hansi Flick - nur zu gerne aufstellen würden. Kane bleibt ein Garant für Offensivaktionen, gemeinsam mit Raheem Sterling (Chelsea) und Phil Foden (Manchester City) sorgte er in Mailand für die wenigen Momente, in denen man jenes Talent erkennen konnte, das die Engländer bei der WM automatisch in den Favoritenkreis befördert.

Southgate weiß als Kenner der englischen Fußballgeschichte, wen er sich in dieser schwierigen Situation als Vorbild nehmen sollte. Schon im Sommer erinnerte er an Sir Bobby Robson, der 1990 kurz vor der WM noch verspottet wurde und vor der Entlassung stand - dann führte er England bis ins Halbfinale und scheiterte dort knapp an Deutschland. "Ich weiß, wo Sir Bobby damals durchgehen musste", sagte Southgate, für den nach eigener Erkenntnis dasselbe gilt wie für alle seine Vorgänger: "Am Ende werde ich an Turniererfolgen gemessen."

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