Süddeutsche Zeitung

Deutsche Nationalmannschaft:Die Gewinner der Nations-League-Spiele

Wer hat die Partien gegen Italien, England und Ungarn für sich genutzt? Wer hat jetzt womöglich einen Vorteil beim Bundestrainer in Richtung Weltmeisterschaft? Fünf Spieler, die positiv auffallen.

Von Martin Schneider

Jonas Hofmann

War bei der Nationalmannschaft lange hauptsächlich für den "Backgammon-Vorfall" bekannt. Weil er coronainfiziert mit dem Kollegen Marcel Halstenberg das Würfelspiel spielte, mussten beide in Quarantäne und verpassten drei Länderspiele. Das ist so lange her, damals gab es noch die sogenannte "Kontaktperson ersten Grades", der Bundestrainer hieß Joachim Löw und Hofmann lag in der gefühlten Kaderrangliste bei 23 Spielern ungefähr auf Platz 21 bis 23.

Jetzt ist der Gladbacher nicht nur wegen seiner Tore gegen England und Ungarn der Kandidat für die rechte Außenbahn - wie auch immer sein Arbeitsauftrag dort genau aussehen wird. Der moderne Fußball unterscheidet da ja zwischen Rechtsverteidiger in einer Viererkette (viele defensive Pflichten), Rechtsverteidiger in einer Fünferkette (weniger defensive Pflichten), auch Joker oder Schienenspieler genannt, oder Rechtsaußen (noch weniger defensive Pflichten). Spontan würde man Hofmann alle Positionen zutrauen - mit der Tendenz zum Schienenspieler.

David Raum

Andere Spielfeldseite, fast gleiches Phänomen wie bei Hofmann, nur mit dem Unterschied, dass Raum in seinem Verein (Hoffenheim) eigentlich immer den Joker spielt. Zeigte eine erstaunlich robuste Dynamik in seinen Läufen und besitzt die gerne unterschätzte Fähigkeit, auch aus einem Sprint heraus eine Flanke scharf und genau zum Ziel zu bringen. Ist sich auch nicht zu schade, konsequent die Position auf der Linie zu halten, so dass Freigeister wie Leroy Sané und Jamal Musiala ein bisschen zentraler agieren können.

Hat noch keine zehn Länderspiele in seiner Statistik stehen, allerdings müsste gerade viel passieren, damit er beim Eröffnungsspiel gegen Japan nicht in der Startelf auftaucht. Seine Konkurrenten auf der Position haben entweder nicht seinen Offensivdrang (Thilo Kehrer) oder kämpfen sich gerade erst aus einer langen Verletzungspause zurück (Robin Gosens).

Manuel Neuer

Man weiß gar nicht, welche Parade die spektakulärste war: Die Rettung gegen Englands Harry Kane aus kurzer Distanz? Der ausgefahrene Fuß von Budapest? Sein Rückwärts-Hechtsprung gegen Italien? Wäre er nicht Manuel Neuer, wären die Zeitungen voll und das Internet würde überschwemmt von den Videoschnipseln seiner Taten. Aber er hat die Leute über die Jahre an solche Paraden gewöhnt, das Außergewöhnliche ist Standard. Den hat er noch? Mei, der Neuer halt.

Hat aktuell, soweit man das überblicken kann, tatsächlich keinen offiziellen oder inoffiziellen Welttorhüter-Titel inne und die zuständigen Juroren für 2022 werden vermutlich alle das Champions-League-Finale mit dem unglaublichen Thibaut Courtois gesehen haben. Aber wenn die Nationalmannschaft in Katar weit kommt und Neuer dann auch wieder auf großer Bühne Neuer ist ...

Joshua Kimmich

Weil es mittlerweile so weit weg wirkt, sei daran erinnert, dass noch vor kurzer Zeit nicht der Bundestrainer, sondern die Bundesregierung Hoffnungen und Wünsche in Richtung Joshua Kimmich formulierte. Nicht, um die in allen Facetten geführte Impfdebatte noch mal aufzuwärmen, sondern um zu verdeutlichen, dass Kimmich keine einfache Zeit hinter sich hat.

Insofern kann er auch als Gewinner dieser Nations-League-Serie gelten. Er spielte neben Manuel Neuer als einziger Spieler jedes Spiel, erhebt auf dem Feld erkennbar einen Führungsanspruch, hat zwei Tore geschossen und die Bundesregierung würde sich nur nochmal bei ihm melden, wenn Olaf Scholz in Katar die Kabine besuchen wollen würde. Darauf gibt es aktuell aber keine Hinweise.

Ilkay Gündogan

Hat gerade Manchester City mit zwei Toren zur englischen Meisterschaft geschossen, doch im dicht besetzten Mittelfeld der deutschen Nationalmannschaft bringt das noch keinen Stammplatz. Kämpft im Maschinenraum ja nicht nur gegen den direkten Rivalen auf der Achter-Position (Leon Goretzka), sondern auch gegen die Eingespieltheit des Bayern-Duos Kimmich/Goretzka.

Überzeugte in den beiden Spielen gegen England und Italien dafür mit seinen Kernkompetenzen - Passsicherheit und Kreativität - und scheint im Vergleich zum immer noch nicht zu hundert Prozent fit wirkenden Goretzka aktuell die bessere Wahl zu sein. Litt bei der Europameisterschaft massiv darunter, dass er keinen echten Sechser neben sich zur Absicherung hatte, sondern mit Toni Kroos ebenfalls einen Spieler aus der Technik-Abteilung. Das sieht in Kimmich als Nebenmann ein bisschen anders aus.

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