Nationenwechsel im Wintersport:Die Fremdfahrer

Eine Weihwasseraffäre, ein Brüder-Paar, das für unterschiedliche Länder startet und ein gescheiterter Versuch von Stefan Raab. Nirgends scheint Nationenhopping so einfach wie im Wintersport.

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<b>Gebrüder Schmid (Norwegen / Schweiz)</b>

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Gebrüder Schmid (Norwegen / Schweiz)

Jan Schmid (links) und Tommy Schmid sind Brüder, beide gehen im Weltcup der Nordischen Kombinierer an den Start, doch wenn das Fernsehen Jan Schmid einblendet, ist neben seinem Namen eine andere Länderflagge abgebildet als bei seinem Bruder. Jan Schmid, 26, bestreitet die Wettkämpfe als Mitglied des norwegischen Nationalteams, der fünf Jahre jüngere Tommy Schmid hingegen startet für den Schweizer Verband. Der Hintergrund dieser merkwürdigen Konstellation: Die Eltern der beiden Brüder sind gebürtige Schweizer, lebten aber lange in Norwegen, weshalb die Söhne die Staatsangehörigkeit des skandinavischen Landes beantragen konnten. Ein gemeinsames Starterland haben die Schmids zwar nicht, aber immerhin einen gemeinsamen Internetauftritt: http://www.schmidx2.com. Und diese Homepage ist weder auf Norwegisch noch auf Schweizerdeutsch, sondern auf Englisch.

Doch die Schmids sind nicht die einzigen, die mit Nationenhopping auf sich aufmerksam machen. In der jüngeren Geschichte des Wintersports gibt es noch einige andere Beispiele.

Texte: Johannes Aumüller Foto: dpa

<b>Johann Mühlegg (Deutschland / Spanien)</b>

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Johann Mühlegg (Deutschland / Spanien)

Deutsche Sportfans erinnern sich vor allem an den Fall des Langläufers Johann Mühlegg. In den Neunzigern gab es einen endlosen Streit zwischen Mühlegg und dem damaligen Bundestrainer Georg Zipfel. Mühlegg beschuldigte Zipfel als "Spiritist", der ihm Böses wolle und vertraute stattdessen lieber auf die Kräfte von Justina Agostino, einer portugiesischen Putzfrau, die der Langläufer "meine Gnade" nannte. Diese Justina Agostino weihte Mühlegg immer eine Extra-Ration Wasser, die der Sportler trank. Als der Konflikt eskalierte, wurde Mühlegg aus dem deutschen Verband ausgeschlossen und wechselte nach Spanien. Ab 1999 startete er für das Land auf der iberischen Halbinsel, feierte zunächst einige Erfolge - und wurde bei Olympia 2002 in Salt Lake City positiv getestet. Mühlegg bestritt stets, gedopt zu haben, musste die über 50 Kilometer errungene Goldmedaille aber zurückgeben. Und der deutsche Verband war froh, ob des Nationenwechsels nicht über einen Dopingfall im eigenen Team sprechen zu müssen.

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<b>Michael Botwinow (Russland / Österreich)</b>

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Michael Botwinow (Russland / Österreich)

Auffallend viele Nationenwechsel gab es quer durch alle Wintersportdisziplinen von Sportlern aus der ehemaligen Sowjetunion: Wechsel zwischen Russland und der Ukraine, zwischen der Ukraine und Weißrussland, zwischen Weißrussland und Russland. Michael Botwinow (links) aber wechselte nicht innerhalb der sowjetischen Nachfolgestaaten, sondern nach Österreich. Bis zur Saison 1995/96 startete der in der Nähe von Moskau geborene Botwinow für Russland, dann musste er ein Jahr pausieren, ab 1997 lief er für die Alpenrepublik. Seine größten Erfolge feierte der Skilangläufer für Österreich: 1999 gewann er mit der Staffel WM-Gold, 2002 über 30 Kilometer Olympia-Silber.

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michael möllinger

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Michael Möllinger (Deutschland / Schweiz)

Es gab Zeiten, da verfügte Deutschland über zu wenige Skispringer von internationalem Format, weswegen bei großen Ereignissen sogar Nordische Kombinierer ausgeliehen wurden, um im Teamwettbewerb vier Starter zu haben. Und es gab Zeiten, da verfügte Deutschland über sehr viele Skispringer von internationalem Format, weswegen für so manchen Athleten nicht einmal Platz im Weltcup-Team, geschweige denn in der Mannschaft für einen großen Wettbewerb war. Michael Möllinger war jemand, der in der zweiten Zeit aktiv war - in jenen Jahren, in denen Martin Schmitt, Sven Hannawald & Co. Erfolge feierten. Dass er 2003 den deutschen Verband verließ, um sich den Schweizern anzuschließen, hatte aber noch einen anderen Grund. Der deutsche Bundestrainer Wolfgang Steiert hatte ihn suspendiert. Offiziell aus disziplinarischen Gründen, nach Meinung von Möllinger, weil er zuvor massive Kritik an den Hungermethoden des Sports geübt hatte. In seiner neuen Umgebung sprang Möllinger erfolgreicher, wenn auch nicht auf Topniveau.

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<b>Marc Girardelli (Österreich / Luxemburg)</b>

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Marc Girardelli (Österreich / Luxemburg)

Besonders viele Nationenwechsel gab und gibt es bei den alpinen Wintersportlern. Dass Marc Girardelli seine zahllosen Erfolge - vier WM-Titel, fünf Gesamtweltcup-Siege und 46 Siege bei Weltcuprennen - nicht für das als alpine Ski-Großmacht bekannte Österreich, sondern für das als alpine Ski-Großmacht eher weniger bekannte Luxemburg einfuhr, war nicht seine eigene Entscheidung. Gerade mal zwölf Jahre war Girardelli alt, als sein Vater den Verbandswechsel beschloss. Girardelli senior fand, in Österreich werde sein Sohn zu wenig gefördert. Also durfte sich in der Folge das gemeinhin schneefreie Luxemburg über viele Erwähnungen in Sportsendungen freuen, Girardelli sich zudem als Vorreiter des alpinen Nationenhoppings begreifen. Denn nach ihm ergriffen noch viele andere Skifahrer die Möglichkeiten, die so ein Länderwechsel bietet. Zum Beispiel ...

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urs imboden

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Urs Imboden (Schweiz / Moldawien)

... der Schweizer Urs Imboden. Als sich dessen Karriere nicht mehr so recht fortentwickeln wollte und er aufgrund der großen Konkurrenz im Schweizer Verband aus dem Weltcup-Team rutschte, nahm Imboden die moldawische Staatsbürgerschaft an und startete fortan für die frühere Sowjet-Republik. Seitdem durfte er lauter Premieren bejubeln: Er war der erste Moldawier, der in einem alpinen Ski-Rennen punktete, der erste Moldawier, der in einem alpinen Ski-Rennen unter die ersten Zehn kam usw. Zwar hat sich Imboden anders als seine Konkurrenten aus den klassischen Ski-Nationen auch um Dinge wie das Präparieren der Ski zu kümmern, aber alleine fühlen muss er sich nicht. Neben ihm starten auch Christophe Roux (ebenfalls Schweizer) und Sascha Gritsch (Italiener) für das "Legionärs-Alpinteam" Moldawiens.

<b>Kilian Albrecht (Österreich / Bulgarien)</b>

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Kilian Albrecht (Österreich / Bulgarien)

Der früher für Österreich und mittlerweile für Bulgarien startende Kilian Albrecht hingegen ist ein Einzelkämpfer. Er hat keine Christophe Roux' oder Sascha Gritschs neben sich, mit denen er ein Legionärs-Alpinteam bilden könnte, sondern dümpelt ganz allein durch die Weltcup- und Europacup-Rennen. Die bisher größte Erfolg in seiner Karriere war der vierte Platz bei den Olympischen Spielen in Salt Lake City 2002. Inzwischen ist er auch als Athletensprecher aktiv.

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<b>Niederländische Eisschnellläufer in Kasaschstan</b>

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Niederländische Eisschnellläufer in Kasachstan

Nicht besonders erfolgreich verlief in diesem Jahr der Nationenwechsel von fünf niederländischen Eisschnellläufern, die künftig für Kasachstan an den Start gehen wollten. Jorrit Bergsma, Robert Hadders, Arjan Stroetinga, Frank Vreugdenhil und Christijn Groeneveld waren im Oktober noch voller Hoffnung, als sie mit starken Zeiten über 5000 Meter die kasachischen Meisterschaften dominierten. Daraufhin rechneten sich die Läufer, die von Top-Trainer Jillert Anema betreut werden, Medaillenchancen für die Olympischen Spiele in Vancouver im Teamwettbewerb aus. Doch daraus wurde nichts: Der Welteissportverband vermutet Betrug beim Nationenwechsel. Die Pässe wurden offiziell 2008 ausgestellt. Das Quintett hatte jedoch nach eigenen Angaben erst im Frühjahr 2009 Pässe aus Kasachstan erhalten. Für einen Start bei Olympia muss ein Sportler mindestens zwei Jahre lang im Besitz der Staatsbürgerschaft eines Landes sein.

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<b>Stefan Raab</b>

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Stefan Raab

Und noch ein spektakulärer Nationenwechsel ging schief. TV-Entertainer Stefan Raab hatte geplant, 2002 in Salt Lake City im Langlauf an den Start zu gehen - als Mitglied des moldawischen Olympiateams. Doch nach wochenlangem Hin und Her erklärte die moldawische Botschaft in Berlin, Raab erhalte keine Startgenehmigung. Der Comedian musste von seinen Olympiaplänen lassen und sich stattdessen mit Boxkämpfen gegen Regina Halmich, Eisschnelllauf-Rennen gegen Claudia Pechstein oder Starts bei der von ihm selbst kreierten Wok-WM begnügen.

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