Als sich das deutsche Nationalteam am Montag versammelte, passte die Wahl des Treffpunktes ganz gut zum Ende dieses Länderspieljahres, das gewissermaßen auch einen Anfang markiert. Die Nationalspielerinnen reisten nicht nach Frankfurt zu den verbandseigenen Plätzen des Deutschen Fußball-Bundes, sondern nach Stuttgart. Auf dem Trainingsgelände des VfB in Bad Cannstatt bereiteten sie sich für die Partie diesen Freitag (20 Uhr, zdf.de) gegen die Schweiz vor, zum ersten Mal überhaupt. Aber nicht allein die Umgebung war neu, sondern auch so manches Gesicht, das die Zukunft der DFB-Frauen prägen könnte.
Bei den vorherigen Auftritten im Oktober war von dem Umbruch, der nach dem Gewinn der Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen eingeleitet worden ist, zwar schon ständig die Rede. Die Veränderungen inklusive des Trainerwechsels waren lange genug bekannt. Aber es wirkte eher, als befinde sich das Team im Transit, so richtig spürbar war der neue Abschnitt noch nicht. Kapitänin Alexandra Popp stand noch auf dem Platz, ein letztes Mal für das Nationalteam, Merle Frohms und Marina Hegering reisten damals für ihre eigene Verabschiedung ebenfalls an. Jetzt aber fehlen diese drei tatsächlich, und mit dem Spiel in Zürich und dem Abschluss gegen Italien am Montag in Bochum geht die Testreihe von Bundestrainer Christian Wück mit Blick auf die Europameisterschaft 2025 in die nächste Phase.
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Nicht nur Bayern-Präsident Hainer fand einst: Um sich zu entwickeln, muss die Frauenliga raus aus dem DFB. Doch inzwischen arbeiten Klubs und Verband so eng zusammen wie nie. Dass der Plan nun stockt, hat auch mit ein paar mächtigen Männern zu tun.
Bei der Nominierung des 23-er-Kaders habe er nicht aufs Alter geachtet, betonte Wück am Donnerstag. Aber ob gewollt oder nicht, der Generationenwechsel wird deutlich, 14 Spielerinnen sind 25 Jahre oder jünger. Weil Olympia-Torhüterin Ann-Katrin Berger, 34, nach einer langen Saison in den USA mit NJ/NY Gotham FC eine Pause einlegt, können sich gleich zwei junge Keeperinnen zeigen: Neben Stina Johannes (Eintracht Frankfurt) sind die 20 Jahre alte Ena Mahmutovic (FC Bayern) sowie die 21 Jahre alte Sophia Winkler (SGS Essen) dabei. Winkler wird gegen die Schweiz debütieren, Wück schätzt die für ihr Alter schon ausgeprägte Sicherheit und Souveränität. Berger mit all ihrer Erfahrung ist zwar nicht raus, sondern für die ersten Nations-League-Spiele kommendes Jahr fest eingeplant. Danach aber, kündigte Wück schon mal an, gebe es keine Garantie: „Wir werden dann schauen, wer sich für die EM durchsetzen wird.“
„Wir müssen auch von diesem Denken wegkommen, dass junge Spielerinnen nicht in der Lage sind, Spiele zu gewinnen“, sagt Bundestrainer Christian Wück
Den Konkurrenzkampf würde er gerne im XXL-Format ausrufen, nur geht das – zumindest momentan – nicht ganz so, wie Wück sich das in einer idealen Fußballwelt vorstellt. Vor allem in der Defensive vermisst er starken Nachwuchs. „Ich habe davon gesprochen, dass ich im besten Falle einen Pool von 30, 40 Spielerinnen haben möchte, aus denen ich greifen kann“, sagte er. „Von dieser Anzahl sind wir aber leider noch ganz weit weg.“ Die neu gegründete U23-Auswahl soll dabei helfen, das zu ändern. Bis diese Maßnahme greift, vergrößert Wück den Kreis von Kandidatinnen, indem er noch möglichst viele Talente einsetzt. Im Oktober waren das etwa die Frankfurterin Lisanne Gräwe, 21, und die Leipzigerin Giovanna Hoffmann, 26. Nun sind es neben den Torhüterinnen in der Offensive Cora Zicai vom SC Freiburg, die am Freitag ihren 20. Geburtstag feiert, und Alara Sehitler vom FC Bayern, seit Mittwoch 18 Jahre alt.
Neben dem Platz seien beide zurückhaltend, erzählte Wück, auf dem Platz aber setzten beide schon Akzente. Genau das will er sehen. Die Neuen sollen sich, salopp gesagt, keinen Kopf machen, sondern einfach kicken. „Ich verlange sogar, dass sie Fehler machen – und dass sie wissen, dass sie Fehler machen dürfen. Sie sollen sich ja ausleben auf dem Platz, nicht gehemmt reingehen, sondern sich ausprobieren“, stellte Wück klar. Die Frage, ob bei so einem jungen Kader das Ergebnis überhaupt noch wichtig sei, habe ihn aber amüsiert. Der Testcharakter soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass es Wück und seinem Trainerteam nach wie vor darum geht, die eigene Spielphilosophie zu forcieren. Gegen England (4:3) und Australien (1:2) sei das schon gelungen: „Wir müssen auch von diesem Denken wegkommen, dass junge Spielerinnen nicht in der Lage sind, Spiele zu gewinnen, Spiele entscheiden zu können.“
Der Umbruch hat zur Folge, dass – zumindest diesmal – Routiniers wie Sara Däbritz, Lina Magull und Lena Lattwein nur auf Abruf nominiert sind und auch die zuletzt stets berücksichtigte Nicole Anyomi nicht dabei ist. Christian Wück will das nicht als Vertrauensentzug verstanden wissen, aber es ist eben auch so: Sein Nationalteam hat gar nicht mehr so viel Zeit, um frei von Ergebnisdruck auszuprobieren, was wie mit wem klappen könnte. Bei der EM, das hat der Bundestrainer auch deutlich gemacht, werde keine Spielerin dabei sein, die nicht daran glaubt, den Titel gewinnen zu können. Egal, wie alt sie ist.