Mit seiner Arbeit hat der Mann, der am Freitag im Hauptquartier des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) in Frankfurt am Main vorgestellt worden ist, natürlich längst begonnen. Anfang dieser Woche zum Beispiel saß Christian Wück im Stadion der SpVgg Unterhaching beim Testspiel der Fußballerinnen des FC Bayern gegen Juventus Turin. Gekleidet in Zivil, aber bei der Beobachtung diverser deutscher Spielerinnen blieb er trotzdem nicht unentdeckt. Seit im März verkündet wurde, dass Wück nach den Olympischen Spielen das Nationalteam der Frauen offiziell als Bundestrainer übernehmen wird, ist Wück noch mal ein Stück bekannter geworden. Und jetzt, seit seiner Vorstellungs-Pressekonferenz an der Seite von DFB-Geschäftsführer Andreas Rettig und Sportdirektorin Nia Künzer, bekleidet er dieses Amt höchst offiziell.
Dass am Seitenrand und auf Podien ab sofort ein anderer Typ Coach sitzt, als es sein Vorgänger Horst Hrubesch gewesen ist, zeigte sich nicht nur unmittelbar im Wechsel der Dialektfärbung vom Norddeutschen ins Unterfränkische. Zu Wücks Vorstellung lud neben dem DFB auch der 51-Jährige selbst ein, per Beitrag auf einem beruflichen Netzwerk mit Hinweis auf die Live-Übertragung der PK inklusive eines Ausblicks auf sein Programm am Wochenende. Am Sonntag wird er beim erstmals seit 1997 bei den Frauen wieder ausgetragenen Supercup zwischen Pokalsieger VfL Wolfsburg und Meister FC Bayern (18.15 Uhr, Sport1) in Dresden im Stadion sitzen.
Fußball:„Man muss doch sagen: stark, dass wir das geschafft haben“
Nia Künzer war früher selbst erfolgreiche Nationalspielerin, jetzt verantwortet sie ihr erstes großes Turnier als DFB-Sportdirektorin. Ein Gespräch über die Olympischen Sommerspiele, die schlechte Leistung bei der WM und den bevorstehenden Trainerwechsel.
Wück will so viele Beobachtungen wie möglich machen. Gut zwei Monate Zeit verbleiben ihm, um sich auf seine Premiere vorzubereiten: Am 25. Oktober findet gegen Europameister England das Wiedersehen der EM-Finalisten im Wembley-Stadion statt, bevor am 28. Oktober in Duisburg Wücks Heimdebüt gegen Australien folgt. Diese Partien sollen der Auftakt für eine Weiterentwicklung sein, die der neue Chef mit seinen Co-Trainerinnen anstrebt, den früheren Nationalspielerinnen Maren Meinert, 51, und Saskia Bartusiak, 41. Dieser Leistungsschub soll sich idealerweise direkt in einem guten Resultat bei der EM 2025 in der Schweiz ausdrücken.
Wück kann sich auf seine Spielphilosophie fokussieren
Dass die DFB-Frauen zum Abschied des geschätzten Horst Hrubesch vor zwei Wochen die Bronzemedaille gewinnen konnten, zeige das Potenzial dieses Teams. Wück wollte zum Start öffentlich nicht direkt die To-do-Liste seiner Spielerinnen verkünden, sondern strategisch clever lieber loben. „Die Mentalität war super, das war genau das, was wir sehen wollten“, sagte Wück: „Jetzt müssen wir an Details arbeiten, um irgendwann wieder Zweiter oder Erster zu werden.“ Das brauche Zeit – aber davon sei bis zum nächsten Turnier genug vorhanden. Sein Vertrag, auch das ist sein Freitag bekannt, läuft bis Ende 2026.
Bewiesen hat Wück sein Entwickler-Potenzial unlängst bei den U17-Junioren, die er im Juni 2023 erst zu Europameistern und im Dezember zu Weltmeistern geformt hat. Im Nachwuchsbereich ist der frühere Bundesligaprofi (unter anderem 1. FC Nürnberg und Karlsruher SC) für den DFB bereits seit November 2011 tätig, Wück kennt seinen Arbeitgeber bestens und dieser ihn umgekehrt auch. „Ich erinnere mich daran, als es nach der WM einen großen Hype um dich gab, Christian. Du warst auf dem Markt sehr begehrt“, sagte Andreas Rettig. Das sei eine schwierige Verhandlungsposition für Nia Künzer gewesen. Ganz genau weiß Wück allerdings dann doch nicht, was auf ihn zukommt: Im Frauenbereich war er noch nie tätig. Vielmehr komme es jedoch darauf an, konstatierte Wück, dass man als Mannschaft funktioniere. Die Basis hierfür hat sein Vorgänger geschaffen.
Als Hrubesch das Nationalteam nach der enttäuschenden WM 2023 und der turbulenten Trennung von Martina Voss-Tecklenburg im Oktober 2023 übernommen hatte, ging es darum, über fußballerische Grundlagen Ruhe und Klarheit zurückzubringen. Weil Hrubesch die Auswahl wieder gestärkt hat, kann Wück sich nun auf seine Spielphilosophie fokussieren: Er will einen Rahmen vorgeben, in dem sich die Spielerinnen frei entfalten können, und dabei jedenfalls nicht zu viele Vorgaben machen. „Für mich ist es unheimlich wichtig, dass wir mit den Spielerinnen zusammen eine gewisse Identität erarbeiten“, sagte er. Sprich: Für welche Art von Fußball soll das deutsche Nationalteam stehen?
Wück hat direkt wieder den Wettstreit um die Nummer eins eröffnet
„Die Stichworte, die in meiner Trainerarbeit unheimlich wichtig sind, sind Vertrauen und Zutrauen“, erklärte Wück seine Herangehensweise: „Das dritte Stichwort ist Kommunikation.“ Und was er dann sagte, dürfte bei den Nationalspielerinnen gut ankommen: Er wolle, dass alle ehrlich miteinander umgehen. Denn auch an Hrubesch schätzten sie genau das, seine direkte Art, jede wusste, woran sie war. Weil auch Wück wissen will, woran er ist, hat er bereits mit vielen Spielerinnen gesprochen – und direkt wieder den Wettstreit um die Nummer eins eröffnet. Hrubesch hatte sich vor Olympia für Ann-Katrin Berger statt der langjährigen Stammkeeperin Merle Frohms entschieden. Dazu sagte Wück nun, für ihn gebe es zwei Nummer Einsen: „Um es mal ganz klar und deutlich zu sagen: Es war eine Entscheidung von Horst Hrubesch.“
Zu den großen Fragen zählt aber vor allem, ob die Ü30-Jährigen wie Kapitänin Alexandra Popp und Abwehrchefin Marina Hegering weitermachen – oder ob Wück, ähnlich wie bei den Männern, in nächster Zeit einen Umbruch zu moderieren hat. „Spekulieren Sie schön weiter“, sagte er dazu und lächelte: „Ich weiß, wo die Tendenz hingeht, und wo wir mit den Planungen hinmüssen.“ Diese Erfahrung hat der neue Bundestrainer also auch schon gemacht: Er ist jetzt Hüter von begehrtem Geheimwissen.