Nationalspieler Lukas Podolski:Die Karriere wankt und wackelt

Germany v Gibraltar - EURO 2016 Qualifier

Lukas Podolski

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Nach dem Länderspiel gegen Gibraltar beschwert sich Lukas Podolski, dass er bei seinem Klub FC Arsenal keine Spielzeit erhält.
  • Bundestrainer Löw legt ihm indirekt einen Vereinswechsel nahe.
  • Zuletzt konnte Podolski in der Nationalmannschaft wenig überzeugen.

Von Thomas Hummel, Nürnberg

Für den 1. FC Köln war dieser Freitag ein kleiner Freudentag. Jonas Hector wurde zum 43. Nationalspieler der Klubhistorie und gibt dem Wiederkehrer der Fußball-Bundesliga weitere Hoffnung, er könne irgendwann wieder zu den Großen gehören im Land. Für die Mitgliederversammlung am kommenden Samstag sollte die brisanteste Frage sein, ob das Präsidium für seine Arbeit einen Lohn erhalten soll. Was sich im Rückblick auf die Geschichte dieses turbulenten Klubs ausnimmt, als würde man der Bundes-FDP androhen, ab 15 Prozent bei der nächsten Bundestagswahl müsste die Partei ihrem Präsidium einen Bonus bezahlen.

In diesem wundersamen Verein ist derzeit so vieles in Ordnung, dass man Zeit hat, sich um sein Maskottchen zu sorgen. Nein, Hennes VIII. geht es gut, zumindest ist von dem Geißbock keine akute Blessur überliefert. Um Lukas Podolski allerdings, den heimlichen Fußballgott der Stadt, steht es schlecht. Es steht so schlecht um den 29-Jährigen, dass er die Reise zur Nationalmannschaft wahrnahm, um seinen Frust abzulassen.

Nach dem in Einseitigkeit und Spannungslosigkeit einzigartigen 4:0 gegen Gibraltar ging Podolski zum Duschen, zog sich an und steuerte direkt jedes Mikrofon an, das er finden konnte. Er hatte etwas zu sagen. Er kommt bei seinem Klub FC Arsenal in England einfach nicht in die Stammelf und das passt ihm nicht. Das hatte er zwar schon häufiger geäußert, doch die Schärfe seiner Worte war diesmal bemerkenswert.

Er würde ja gerne zeigen in London, was er kann. "Aber diese Chance wird mir nicht gegeben", sagte er. Er stelle sich nun nicht hierhin und sage, er habe eine Krise oder er spiele schlecht. "Sondern ich sage: Mir wird die Chance genommen, zu zeigen, was ich kann."

Wer ihm diese Chance nimmt, war unschwer herauszufinden: sein Trainer Arsène Wenger. Selten hat ein Spieler eines europäischen Topklubs in den vergangenen Jahren so deutlich einen Stammplatz eingefordert und gegen seinen Trainer gewettert wie derzeit Lukas Podolski. Das zeigt einerseits, dass es um sein Selbstbewusstsein immer noch gut bestellt ist. Andererseits zeigt es, dass er auch im fortgeschrittenen Kickeralter das Herz auf der Zunge trägt, sich mit Wenger offenbar tief zerstritten hat und mit allen Mitteln einen baldigen Wechsel provozieren will.

Joachim Löw gibt ihm in der Öffentlichkeit mindestens indirekt Hinweise darauf, genau Letzteres zu tun. Der Bundestrainer wies in Nürnberg zunächst grimmig auf den Missstand hin, dass er "von dem ein oder anderen mehr Zug zum Tor, mehr Torgefahr, mehr Torabschlüsse" erwartet habe. Von denjenigen aus der zweiten Reihe, die eine Chance bekommen haben, "hätte ich mir mehr erwartet. Da muss mehr kommen." Dass unter diesen auch Podolski war, blieb niemandem verborgen. Auf seinen einstigen Lieblingsschüler angesprochen, erklärte Löw: Podolski sei ein Spieler, der die Praxis und die Wettkämpfe brauche, um seine Qualität entwickeln zu können. Weil er dies derzeit im Verein nicht erhalte, kommt Löw zu dem Schluss: "Letztendlich müssen wir überlegen und er sich auch, was das nächste Jahr für ihn bringt." Das klang mehr nach Drohung als nach fröhlicher Aussicht.

Zwei gute Aktionen gegen Gibraltar

Podolski hat inzwischen 121 Länderspiele angesammelt, damit liegt er auf Rang drei der ewigen Wertung. Er hat dabei 47 Tore erzielt, Platz vier. Trotz dieser beeindruckenden Zahlen war er selten unumstritten, seine größten Fürsprecher Im Land (zumindest außerhalb von Köln) waren jahrelang Jürgen Klinsmann und Joachim Löw. Doch schon bei der WM in Brasilien brachte es Podolski nur noch auf einen Kurzeinsatz gegen Portugal und eine Halbzeit gegen die USA, wonach er verletzt ausschied. Nun vier Monate in London ohne Einsatz über 90 Minuten. Seine Karriere wankt und wackelt wie nie zuvor.

"Soll ich sagen, alles ist geil und ich sitze meinen Vertrag ab? Die Situation muss sich ändern. Ich bin Straßenfußballer, will spielen", verkündete er in Nürnberg. Er spiele seit seinem fünften Lebensjahr Fußball. "Ich liebe diesen Reiz, den Wettkampf, diese Power, diese Stimmung, wenn man auf den Rasen kommt. Wenn man rauskommt, sich die dicke Winterjacke und die lange Hose anzieht, sich auf die Bank setzen muss, dann ist das für mich keine gute Situation."

In Nürnberg durfte er mal wieder mit Trikot und kurzer Hose auf das Spielfeld. Gegen die Halbprofis und Amateure aus Gibraltar wirkte er eher kraftlos. In der zweiten Halbzeit schob er wieder fast jeden Pass in die Spielfeldmitte, was sowohl den Bundestrainer als auch die Mitspieler verärgerte, weil es da ohnehin viel zu eng zugeht und eigentlich das Angriffsspiel über die Außen geplant war.

Genau zweimal tat er das, wofür ihn Joachim Löw immer so lobt: Er trat einen Sprint an auf der linken Seite, gelangte hinter die gegnerische Abwehrlinie, flankte scharf nach innen, wo prompt zweimal ein Tor fiel. 2:0 durch Thomas Müller, 4:0 durch das Eigentor des Gibraltarers Yogan Santos.

Wie es gewesen sei, mal wieder 90 Minuten zu spielen? "Ich habe seit drei, vier Monaten kein Spiel gemacht über 90 Minuten. Dann den Schalter umzulegen, ist nicht einfach. Ich versuchte, das Beste zu machen, aber es fehlt der Rhythmus, die Spannung."

Es ist kaum anzunehmen, dass der prinzipientreue Wenger die Worte Podolskis so toll findet, dass er ihn demnächst wieder in der ersten Elf integriert. Viel wahrscheinlicher ist, dass der 29-Jährige im Januar den Klub verlässt. Falls sich ein Verein findet, der Wenger eine ordentliche Ablösesumme bietet, und das Jahresgehalt von angeblich sieben Millionen Euro nicht allzu sehr drückt.

Insofern kommt der 1. FC Köln für eine Übernahme kaum infrage, Klub und Anhänger müssen weiterhin ohne ihr heimliches Maskottchen auskommen. Sorgen machen kann man sich aber auch in der Ferne.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: