Süddeutsche Zeitung

Nationalmannschaft:So golden wie nie

Bundestrainer Rödl hat die Qual der Wahl, wenn er sein Aufgebot für die WM nominiert - die Nationalmannschaft profitiert nun von den Hilfsmaßnahmen der Bundesliga.

Von Joachim Mölter

Auf den obligatorischen Mannschaftsfotos, für die sich auch die deutschen Basketballer vor jedem Länderspiel aufstellen, knieten zuletzt immer die gleichen drei Männer nebeneinander in der vorderen Reihe, linkes Knie am Boden, Hände auf das rechte gestützt, Rücken gerade, Kopf hoch. Ismet Akpinar, Bastian Doreth und Karsten Tadda waren die einzigen Nationalspieler, die bei allen zwölf Qualifikationspartien für die WM mitwirkten. Und obwohl sie so tatkräftig wie zuverlässig geholfen haben, dass der Deutsche Basketball Bund (DBB) im August ein Team zur WM nach China schicken kann, ist es möglich, dass ausgerechnet sie nicht mehr mit von der Partie sind, wenn Bundestrainer Henrik Rödl mit den zwölf Männern aufbricht, die er mitnehmen darf.

In jedem Teamsport gibt es Härtefälle bei der Nominierung für ein Großereignis; im Basketball ist die Situation besonders hart. Der Weltverband Fiba hat vor zwei Jahren sogenannte Nationalmannschaftsfenster im Kalender installiert, Zeiträume, die für Länderspiele gedacht sind. Allerdings denken die stärksten Ligen der Welt - die NBA in den USA und die Euroleague - gar nicht daran, deswegen ihren Spielbetrieb zu unterbrechen und ihre hochbezahlten Profis freizugeben. Die Folge: Fast alle Nationen mussten bei der WM-Qualifikation auf ihre besten Männer verzichten.

Während des Turniers machen die Ligen nun wie gehabt Sommerpause, da stehen wieder alle Profis zur Verfügung. "Alle, auch unsere NBA-Stars, haben ihre Bereitschaft erklärt, für Deutschland bei der WM zu spielen", berichtete Bundestrainer Rödl in dieser Woche. Der Haken an seiner frohen Botschaft: "Es werden welche daheim bleiben, die auch hätten spielen können." Für die Nominierten müsse es deshalb eine Verpflichtung sein, bei der WM "erst recht Gas zu geben", findet Rödl; denn ihre Kollegen haben ja "ihre Freizeit und ihren Körper geopfert", damit die Mannschaft auf die globale Bühne zurückkehrt. "Wir wissen, dass es ein großer Schritt für die Nationalmannschaft ist, endlich wieder bei einer WM zu sein", versichert Maxi Kleber, Profi bei den Dallas Mavericks und einer der aktuell sechs Deutschen in der NBA.

Nach dem Höhepunkt mit Platz drei bei der WM 2002 war es immer weiter abwärts gegangen mit dem DBB-Team: 2006 kam das Aus im Viertelfinale, 2010 in der Vorrunde, 2014 war es gar nicht mehr dabei. Und nun? "Wird oft gesagt, dass wir ein goldener Jahrgang sind, der was reißen kann", stellt Kleber fest. Auch Rödl sieht das so, der 50-Jährige kann das wohl am besten einschätzen: Er war als Spieler beim EM-Triumph 1993 dabei und beim Gewinn von WM-Bronze 2002 auch. Zu den damaligen Spieler-Generationen gebe es einen gravierenden Unterschied, sagt er: "Wir haben jetzt eine viel größere Dichte als früher."

27 Akteure hat Rödl während der so frühzeitig wie nie gesicherten WM-Qualifikation berufen; dabei hat er NBA-Profis wie Daniel Theis (Boston Celtics) und Moritz Wagner (Los Angeles Lakers) gar nicht berücksichtigt. Nach der Heim-EM 2015 und dem Rücktritt der Galionsfigur Dirk Nowitzki aus dem Nationalteam haben sie beim DBB die Auswahl verjüngt und neu aufgestellt; aktuell sind mehr Teenager im Kader als Ü30-Jährige. "Die Qualifikation hat gezeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind", resümiert Armin Andres, 60, der für den Leistungssport zuständige Vizepräsident: "Die Mannschaft hat Potenzial, die WM ist die erste Gelegenheit, es zu zeigen."

3 Medaillen

haben die Männer in der Geschichte des Deutschen Basketball Bundes (DBB) bislang auf internationaler Ebene gewonnen: eine goldene bei der Heim-EM 1993, eine silberne bei der EM 2005 in Serbien&Montenegro sowie eine bronzene bei der WM 2002 in den USA. Damals schlug Henrik Rödl den Bogen zwischen zwei Generationen: Er war schon beim EM-Titelgewinn 1993 dabei, als damals jüngster Spieler, und beim Gewinn der bis dato einzigen WM-Medaille erneut, da freilich als Ältester. Nun ist der 50-Jährige als Bundestrainer wieder mit von der Partie.

Der frühere Auswahlspieler gibt freilich zu, dass der DBB den Aufschwung nicht allein bewerkstelligt hat: "Die Bundesliga hat gewisse Standards eingeführt, von denen die Nationalmannschaft jetzt profitiert." Zum Beispiel die 6+6-Regel, die den Klubs vorgibt, den maximal erlaubten Zwölfer-Kader mit mindestens sechs Deutschen zu bestücken. Das zwang die Coaches dazu, den Einheimischen mehr Spielpraxis zu geben. Und daher rührt nun die Fülle von erprobten Akteuren, die dem Bundestrainer sicher schon eine Qual bereitet, wenn er Ende Juli erst mal seine erweiterte Auswahl für die WM benennt.

Bislang hat er nur den drei etablierten NBA-Profis eine Teilnahme-Garantie gegeben, sofern sie gesund bleiben: Dennis Schröder, dem Spielmacher von Oklahoma City Thunder, sowie den Power Forwards Kleber und Theis. Selbst die aufstrebenden NBA-Neulinge Wagner und Isaiah Hartenstein (Houston Rockets) müssen um einen Platz kämpfen - bei den ganz großen Männern hat der DBB ein Überangebot. Ähnlich wie auf den Guard-Positionen, wo Akpinar, Doreth und Tadda dem Verdrängungswettbewerb mit Schröder, dem Euroleague-erfahrenen Münchner Maodo Lo und dem 19 Jahre alten Los-Angeles-Laker Isaac Bonga zum Opfer fallen könnten.

Die deutsche Mannschaft wird jedenfalls selbstbewusst bei der WM antreten. "Wir fahren nicht als großer Favorit nach China", sagt Rödl, "aber als eine Mannschaft, die respektiert wird." Dafür hat sie in der Qualifikation gesorgt mit Siegen über den Olympia-, WM- und EM-Zweiten Serbien. "Wir müssen keine Angst haben vor großen Namen", findet der Bundestrainer. Und Angst vor der eigenen Courage haben sie auch nicht mehr, wenn es um ihre Ziel geht. "Du generierst kein Interesse und bewegst keine Massen, wenn du nur sagst: Wir sind froh, dabei zu sein", sagt Henrik Rödl. Sein einstiger Mitspieler Armin Andres formuliert deshalb forsch: "Wir wollen ganz vorne dabei sein."

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Quelle:
SZ vom 17.05.2019
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