Nationalmannschaft:Max Kruse - zur falschen Zeit im falschen Klub

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75 000 Euro im Taxi verloren, zu viel Nuss-Nougat-Creme und nun ein Disput mit einer "Bild"-Reporterin: Joachim Löw wirft Max Kruse nach vielen Verfehlungen aus dem DFB-Kader.

Von Javier Cáceres, Berlin

Es gibt in der Partyhauptstadt Berlin eine Reihe von Tanzlokalen, die ihren Gästen strengstens untersagen, Fotos zu machen - und daher beim Einlass die Kameras von Smartphones abkleben, frei nach Lenin: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Das "Berghain" zählt dazu, der "KitKatClub", auch das "Nose". Das "Avenue", ein Lokal in Berlin-Mitte, nicht. Für den seit Sommer beim VfL Wolfsburg beschäftigten Stürmer Max Kruse wurde genau dies nun zum Verhängnis: Nach einem nächtlichen Ausflug, bei dem er sich im "Avenue" mit einer Reporterin der Bild -Zeitung einen Disput lieferte, weil diese ihn gegen zwei Uhr in der Nacht zum Sonntag auf der Tanzfläche abgelichtet hatte, strich ihn Bundestrainer Joachim Löw aus dem 27-köpfigen Kader für die Freundschaftsländerspiele gegen England in Berlin (26. März) und Italien (29. März).

In einer Mitteilung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) sagte Löw, Kruse sei seiner Vorbildrolle nicht nachgekommen und habe sich unprofessionell verhalten. Die Europameisterschaft in Frankreich, bei der Deutschland es Spanien nachtun und als aktueller Weltmeister auch den EM- Titel holen will, werfe ihre Schatten voraus. "Wir brauchen Spieler, die fokussiert und konzentriert und sich auch ihrer Vorbildrolle bewusst sind", sagte Löw. Und er fügte an: "Schon vergangene Woche habe ich Max Kruse klar gesagt, was ich von ihm erwarte, sowohl auf als auch neben dem Platz. Ich möchte Spieler, die sich auf den Fußball und die EM konzentrieren, auch zwischen den Spielen. Der Vorfall am zurückliegenden Wochenende widerspricht meinen Erwartungen. Max hat sich zum wiederholten Male unprofessionell verhalten. Das akzeptiere ich nicht."

Weil er 75 000 Euro um 6 Uhr morgens im Taxi verlor, bestrafte ihn der Verein

Damit spielte Löw darauf an, dass private und sehr private Details aus Kruses Leben zuletzt derart häufig medial thematisiert wurden, dass man meinen könnte, Fußball sei für ihn zur Ablenkung verkommen. Vor ein paar Monaten wurde der Bild die Aufzeichnung einer intimen Unterredung mit einer jungen Dame zugespielt, in der Kruse süffisant und hervorhebend erwähnte, mit einer Kandidatin der RTL-Trashshow "Der Bachelor" ein Techtelmechtel gehabt zu haben. (Angeblich soll nun ein Video im Netz kursieren.) Dass er in einem Interview freizügig darüber plauderte, dass er durch eine "Dating"-Plattform surfe, auf der sich mehr als zwei Millionen Bundesbürger tummeln, geriet ihm ebenfalls zum Nachteil.

Öffentlich wurde auch, dass sich die sportliche Leitung der Wolfsburger daran störte, dass Kruse zu viel Nuss-Nougat-Creme nascht. Komplizierter wurde es, als Kruse auf der Titelseite der Bild landete, weil er nach einer Monate zurückliegenden Taxifahrt durch Berlin ein Barvermögen von 75 000 Euro vermisste. Der passionierte Zocker, der 2014 bei einer WM in Las Vegas ein fünfstelliges Preisgeld gewann, hatte zuvor angeblich bei einem Pokerturnier mitgemacht. Die Verantwortlichen des VfL Wolfsburg waren auch deshalb nicht amüsiert, weil sich die Episode gegen 6 Uhr morgens zugetragen haben soll; der Verein legte Kruse eine Geldstrafe von angeblich 25 000 Euro auf. Das war vergangene Woche und motivierte Löws Gespräch mit Kruse.

Gleichwohl ging er wenige Tage später in Berlin feiern - er hatte am Freitag Geburtstag. Dass der Ausflug eine mediale Eskalation erfuhr, hat kuriose Züge. Kruse war genervt davon, dass er auf der Tanzfläche von einer Frau fotografiert worden war, er dürfte dabei auch das warnende Gespräch mit Löw im Kopf gehabt haben. Kruse nahm der Frau das Handy weg und löschte laut Bild-Zeitung die Dokumente. Die Detailkenntnisse des Vorgangs hat die Zeitung deshalb, weil es sich bei der Fotografin um eine Bild-Reporterin handelte.

Kruse sagte der Bild, dass er "vielleicht unpassend reagiert", die Angelegenheit in einem persönlichen Gespräch aber mit der Berichterstatterin "ausgeräumt" habe. Die Negativschlagzeile war ihm dennoch gewiss: "Der wilde Kruse", gellte ihm das Blatt am Montagmorgen entgegen, Stunden bevor Löw ihn ausbootete.

Wolfsburg hat mit Nicklas Bendtner schon einen Problem-Stürmer

Nach eingehenden Kontakten zwischen Löw und Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff einerseits, und der VfL-Führung andererseits. Jeder habe das Recht, seinen 28. Geburtstag zu feiern, auch um zwei Uhr morgens, sagte VfL-Manager Klaus Allofs am Montagabend zur Süddeutsche Zeitung. Kruse scheint offenbar nicht mal alkoholisiert gewesen zu sein. "Ob es das Cleverste war, ausgerechnet am Samstag in aller Öffentlichkeit zu feiern, lass ich mal dahin gestellt", sagte Allofs. Auch daher nannte Allofs Löws Entscheidung "nachvollziehbar". Er hoffe, dass sie dazu beitrage, Kruse "den Ernst der Lage noch einmal klar zu machen". Allofs wirkte von Kruses Verhalten enttäuscht. Schon im Sommer, nach seiner Verpflichtung, habe der Verein mit Kruse darüber gesprochen, was von einem VfL-Profi zu erwarten ist. Erst recht, wenn er Nationalspieler ist. "Sie sind Botschafter des Vereins und des DFB, und müssen sich auch so verhalten."

Während Kruse in seiner gegenwärtigen Verfassung eine verzichtbare Größe für die Nationalelf darstellt, ist er mit neun Pflichtspieltoren und zehn Vorlagen Wolfsburgs produktivste Offensivkraft der Saison. Zudem haben die Wolfsburger in dem Dänen Nicklas Bendtner bereits einen Stürmer im Angebot, der wegen disziplinarischer Verfehlungen und sportlicher Enttäuschungen keine Rolle mehr in den Planungen von Trainer Hecking spielt.

Von einem solchen Schicksal ist Kruse zwar entfernt. Zuletzt war er aber nur ein Schatten des Spielers, der er noch in der Vorsaison bei Borussia Mönchengladbach und zu Beginn dieser Saison in Wolfsburg gewesen war. Sowohl bei der Niederlage in Hoffenheim wie auch beim 1:1 am Samstag gegen Darmstadt war Kruse auf dem Platz inexistent. Wenn er sich tadellos verhalte und die sportliche Leistung bringe, zu der er imstande sei, sehe er, Allofs, "den EM-Zug für Kruse alles andere als abgefahren". Andernfalls dürfte Kruses Nationalelfkarriere nach nur 14 Länderspielen und vier Toren ein vielleicht sogar endgültiges Ende gefunden haben.

© SZ vom 22.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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