DFB-Elf in der Nations League:Löw findet den Killerinstinkt

Bundestrainer Jogi Löw beim Testspiel gegen Russland

Geht doch: Joachim Löw probierte gegen Russland vieles aus - einiges klappte.

(Foto: AFP)
  • Das 3:0 der DFB-Elf gegen Russland zeigt, dass Joachim Löw doch immer mehr auf die Jugend setzen kann.
  • Selbst das Toreschießen funktioniert - zumindest in der der ersten Hälfe - wieder wie in besten Zeiten.

Von Saskia Aleythe, Leipzig

Um einen Eindruck davon zu bekommen, wie sich Joachim Löw nach diesem Spiel fühlte, musste man ihn nur mal erzählen lassen. Die Handgelenke locker in die Armbeugen gehängt, saß er da auf der Pressekonferenz in der Leipziger Arena, und neben diversen Lobpreisungen junger Talente, die sich beim 3:0 gegen Russland bewiesen hatten, sagte er einen zunächst unauffällig daherkommenden Satz. "Eine gute Mannschaft, die auf allerhöchstem Niveau spielen will, braucht einen guten Mix. Da sind wir 2020 auch wieder gefordert, da wollen wir ein gutes Turnier spielen und vielleicht um den Titel mitspielen", sagte der Bundestrainer also zur Zusammensetzung seiner Mannschaft und das war dann schon bemerkenswert: Wie auf einmal aus dem Trainer einer WM-Vorrunden-Aus-Mannschaft ein Trainer mit leisen Gedanken an das kommende Turnier geworden war, der sogar die bedeutungsschwere Formulierung "um den Titel spielen" in den Mund nahm.

Insofern hatte das Testspiel gegen Russland dann doch eine erstaunliche Bewandtnis, was das eigene Selbstverständnis anging. In der Nations League ist die deutsche Mannschaft nach wie vor höchst abstiegsgefährdet, doch seit dieser Umstand bekannt ist, hat man sich beim DFB ja darauf geeinigt, das neue Turnier nicht allzu wichtig zu nehmen. Viel mehr soll es als Bühne für neue Spieler herhalten, die am "Gesicht der Mannschaft" frische Nasen, Augen und Münder hervorbringen: In Leipzig standen sechs Spieler der Jahrgänge 1995 und 1996 in der Startelf, und sie machten ihre Aufgaben so gut, dass der Bundestrainer sagte: "Es ist vorstellbar, dass sie auf Dauer mal das Gerüst der Mannschaft bilden."

Wie schon im Nations-League-Spiel gegen Frankreich vor vier Wochen in Paris gehörten Serge Gnabry und Leroy Sané zu den Gewinnern der Partie, aber ein anderer spielte sich noch mehr in den Fokus: Kai Havertz. Der Leverkusener stand zum ersten Mal in der Startelf in der A-Nationalmannschaft, "das war immer ein Traum", sagte er danach und übte sich in aller Mediengeschultheit in Bescheidenheit: "Aber ich glaube, es gibt immer noch Luft nach oben."

Der 19-Jährige bereitete mit feinem Steilpass das 3:0 durch Serge Gnabry vor und hatte auch davor Szenen, die torgefährliche Momente erzeugten. "Ich mag es, den Mitspielern Vorlagen zu geben und die Mitspieler glänzen zu lassen", sagte er und seine Leistung bekam durch Joachim Löw noch besonderes Gewicht. "So wie er sich jetzt präsentiert hat, das ist auffällig gut für 19", sagte der 58-Jährige und lobte die Ballbehandlung und Übersicht des Talents, "er ist sehr weit in seiner Entwicklung".

Sichtbare Veränderungen

Für Löw passt das natürlich bestens ins Konzept, war doch seine Hauptaufgabe nach dem WM-Fiasko gewesen, sichtbare Veränderungen im Kader vorzunehmen. Und auch das mit dem Toreschießen sollte merklich besser werden als beim Turnier in Russland: Da hatte es in drei Spielen lediglich zwei Törchen gegeben. "Wir haben genau das erreicht, was wir wollten: Auch mal wieder Tore schießen und das Publikum mitnehmen", sagte Thomas Müller nun in Leipzig.

Der Bayern-Stürmer wurde in der 73. Minute erst eingewechselt und war an keinem Treffer beteiligt, kratzte aber an, was Löw in der Pressekonferenz formschön formulierte: "Ich wollte den Killerinstinkt sehen." Den hat er bei der Jugend gefunden.

Die ersatzgeschwächten Russen waren dafür ein dankbarer Gegner, in der zweiten Halbzeit deutete sich allerdings an, dass noch Arbeit vor den Deutschen liegt, was die Ausgestaltung der Spielstärke angeht. Russland verteidigte besser, das DFB-Team hatte nun mehr Probleme, den Ball in gefährliche Bereiche zu bringen. "Das muss man den jungen Spielern zugestehen, dass sie das Tempo nicht über 90 Minuten aufrecht erhalten können", sagte Löw, was wieder unterstreichen sollte, warum er stets für eine Mischung aus jungen und älteren Spielern im Team wirbt.

Am kommenden Montag spielt die deutsche Elf gegen die Niederlande, möglicherweise ist dann noch ein Abstieg aus der Nations League vermeidbar. Dass die positiven Erkenntnisse aus dem Russland-Spiel auch Niederlande-tauglich sein werden, darauf hoffen sie nun im DFB-Team - hatte man doch erst Anfang Oktober einen deutlichen 0:3-Misserfolg erlebt. Allerdings mit einer Mannschaft fast ohne neue Augen, Nasen und Münder. Und überhaupt hilft es vielleicht, sich an Joshua Kimmich zu orientieren, der sagte: "Die Art und Weise, wie wir gewonnen haben, war das Wichtigste. Die erste Halbzeit kann einem Selbstvertrauen geben."

Und dann zog er noch einen Vergleich zu seinem Bundesliga-Alltag: "Ich weiß es, gerade bei Bayern haben wir das ein oder andere Spiel gewonnen und man geht trotzdem nicht mit so einem guten Gefühl raus, wenn es nicht so souverän war." Für das gute Gefühl haben sie in Leipzig alles getan.

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