Süddeutsche Zeitung

Löw und Hummels beim DFB:Wiedervereinigung ausgeschlossen

Bundestrainer Löw plant auch nach dem 2:4 gegen Holland weiter ohne Mats Hummels. Eine Umkehr seiner Entscheidung wäre auch keine Lösung.

Kommentar von Philipp Selldorf

Im Frühjahr hätten sie sich ein paar SMS geschrieben, erzählte der Bundestrainer, den Anlass hat er jedoch nicht genannt. Jogi Löw wollte lediglich kundtun, dass er Sami Khedira nicht vergessen hat und dass der Kontakt immer noch besteht. All die Jahre war Khedira für ihn eine Art Lieblingsschüler gewesen, und so nahm Löw vor ein paar Tagen sehr gerne die Gelegenheit wahr, seinem Sami für die "wie immer" professionelle und mehr als tadellose Berufseinstellung ein Lob auszusprechen.

Denn soeben zeigt es Khedira wieder seinen Kritikern, die ihn bei Juventus Turin bereits für überzählig erklärt und gerüchtehalber schon an den 1. FC Köln verschenkt hatten. In Turin feierte der 32 Jahre alte Mittelfeldspieler zuletzt ein beachtliches Comeback, was Löw sicher freuen, an seiner Haltung aber nichts ändern wird. Diese hatte er Khedira bei der letzten persönlichen Unterredung mitgeteilt: "Ich habe ihm gesagt, dass ich mit anderen Spielern plane."

Nach dem Retter Khedira hat in der Folge des 2:4 gegen Holland noch keiner gerufen, wohl aber nach dem Abwehrspezialisten Mats Hummels, und das ist nicht verwunderlich. Hätte es Hummels - der im Publikum vielen fehlt, rund um das Nationalteam allerdings deutlich weniger vermisst wird -, beim Spiel in Hamburg besser gemacht? Das ist schon deshalb nicht unwahrscheinlich, weil er es zumindest kaum schlechter hätte machen können als seine Nachfolger in der Abwehrmitte - und auch, weil Hummels in dieser anordnungsgemäß tief stehenden Deckung seine natürlichen Vorteile besonders gut hätte nutzen können.

Hummels war die sportlich schwierigste Entscheidung

Viele der noch aktiven Weltmeister von 2014 führen kein weltmeisterliches sportliches Dasein mehr. Hummels verkörpert eines der wenigen besseren Schicksale. Bei Borussia Dortmund wird er jede Woche gebraucht, was man von Mario Götze nicht sagen kann, und was auf dessen Kompagnon André Schürrle auch nur deshalb zutrifft, weil dieser ins Weltmeisterasyl nach Moskau gewechselt ist, wo schon Benedikt Höwedes den Lebensabend der Karriere verbringt.

Als Löw im Frühling im Zuge eines unerbetenen Hausbesuchs in München drei Weltmeister auf einmal verabschiedete, war Hummels für ihn der sportlich schwierigste Fall. Ihn hätte sich Löw in der neuen Nationalelf durchaus noch vorstellen können. Er entschied anders.

Nun gibt es kein Zurück mehr. Dieser Beschluss war dem Wesen nach nicht vorläufig, sondern endgültig. Der Bundestrainer plant, wie es Khedira schon zu hören bekam, "mit anderen Spielern"; er hat entschieden, dass die neue Generation von Nationalspielern nicht mehr auf die Alten hören, sondern sich auf die eigene Art emanzipieren soll. Unerwünscht, aber im Preis inbegriffen sind misslungene Auftritte wie am Freitagabend.

Es wird den Bundestrainer Geduld und Energie abverlangen, sollte sich die Hummels-Debatte zur öffentlichen und medialen Fortsetzungsgeschichte entwickeln, und auch Löws Beliebtheitswerte könnten an der Sache leiden. Eine Wiedervereinigung mit Hummels kann für Löw trotzdem keine Alternative sein, sie würde den ja nicht ohne Grund eingeschlagenen Kurs der Verjüngung und Erneuerung als Ganzes beschädigen.

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SZ vom 09.09.2019/dsz
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