Robin Gosens in der Nationalmannschaft:Auf der linken Überholspur

Robin Gosens (Deutschland) auf dem Golfplatz, Trainingslager Seefeld, Deutsche Nationalmannschaft, Fussball, 03.06.2021

Ungewöhnliches Golf-Outfit: Robin Gosens bei der Freizeitgestaltung in Seefeld.

(Foto: Eibner-Pressefoto/Imago)

Robin Gosens ist ein Profiteur von Löws Plänen, eine Dreierkette aufzustellen - und ein Profi mit dem Potenzial, das Image der DFB-Elf weiter aufzupäppeln.

Von Sebastian Fischer, Seefeld

Robin Gosens wird manchmal auf einen berühmten Fußballer angesprochen, der angeblich Ähnlichkeit mit ihm hat. Er könne das zwar nicht erkennen, aber er höre es nicht zum ersten Mal, antwortete der deutsche Nationalspieler in dieser Woche im Trainingslager in Seefeld, als er in der Pressekonferenz darauf hingewiesen wurde, ein bisschen wie Lukas Podolski auszusehen. Gosens lachte, er wirkte nicht so, als störe ihn der Vergleich mit dem langjährigen Publikumsliebling der Nationalelf. "Ich würd gern den linken Huf von ihm haben", sagte er.

Je nachdem, wie die kommenden Wochen laufen, ist es allerdings nicht unwahrscheinlich, dass es bald umgekehrt ist: Dass sich auch Podolski, 36, nach seinem Abschied von Antalyaspor in der Türkei im Karriere-Spätherbst angelangt, mit dem Vergleich konfrontiert sieht, optisch Deutschlands neuem Linksverteidiger zu ähneln. In dieser Rolle ist Gosens, 26, auf dem besten Weg, bei der anstehenden Europameisterschaft endgültig ein berühmter Fußballer zu werden.

Sein Weg zu vor ein paar Jahren noch gänzlich unerwarteter Bekanntheit ist schon oft erzählt worden, es gibt sogar schon ein Buch über sein Leben, "Träumen lohnt sich", heißt es. Die Geschichte ist aber auch wirklich zu schön, um nicht jedes Mal, wenn es um ihn geht, wenigstens ein paar Eckdaten zu nennen: Gosens hat als Jugendlicher nicht ernsthaft an eine Profikarriere gedacht, fiel bei Borussia Dortmund im Probetraining durch, wollte Polizist am Niederrhein werden.

Ihm gehe "das Herz auf", sagt Gosens, wenn er an den Amateursport denke, der jetzt wieder stattfinden darf

Dann klappte es mehr oder weniger zufällig doch mit einem Angebot aus den Niederlanden, über die Eredivisie schaffte er es zu Atalanta Bergamo in eine Mannschaft, die sensationell die Champions League aufmischte. Inzwischen ist er dort einer der Protagonisten eines Spitzenteams der Serie A, er soll angeblich das Interesse von europäischen Spitzenklubs auf sich gezogen haben. Es ist eine Karriere, die praktisch für unmöglich erklärt wurde, nachdem es Miroslav Klose auf ähnlichem Wege zum Nationalspieler geschafft hatte, ohne ein Nachwuchsleistungszentrum besucht zu haben. Jonas Hector vom 1. FC Köln gelang es auch noch mal. Nun erzählt Gosens die scheinbar unmögliche Geschichte weiter.

"Seit dem Moment, in dem ich die Chance bekommen habe, Fußballprofi zu werden, habe ich immer ein bisschen mehr gemacht als alle anderen", sagt er, um seinen Weg zu erklären. Doch die Erzählung vom harten Arbeiter ist längst nicht das Einzige, was ihn zu einem etwas anderen Profi macht. Ein Beispiel: Als es in der Pressekonferenz darum ging, dass bei der EM in München 14 000 Zuschauer im Stadion sein dürfen, hat er nicht nur gesagt, was wohl jeder Fußballer dazu sagt: Dass er sich freut. Er hat auch hinzugefügt, dass ihm "das Herz aufgeht", wenn er daran denke, dass die sinkenden Inzidenzzahlen bald auch wieder Amateursport ermöglichen.

Es ist die Art und Weise, wie er spricht und wie er sich gibt, die ihn, auch wenn das etwas pathetisch klingt, von manch anderem Fußballer in der Spitze abhebt. Noch ein Beispiel, auch wenn man dessen Bedeutung nicht überstrapazieren sollte: Er studiert nebenbei Psychologie, habe auch jetzt seine Lektüre dabei. Er versuche dadurch in Sachen Kommunikation seinen "klitzekleinen" Teil zur Stimmung im Team beizutragen, die von allen Beteiligten überschwänglich gelobt wird. Auch auf dem Platz spricht Gosens viel. Wenn er das erklärt, klingt das so: Wenn man im Training "irgendeine Sülze" spiele, müsse man es halt auch akzeptieren, dass man sich "ein bisschen auf die Eier geht".

Jemand wie Gosens ist vielleicht auch nicht das schlechteste, was einer Nationalmannschaft passieren kann, die bei der WM 2018 nicht unbedingt für positive Atmosphäre berühmt war; einer Mannschaft, der außerdem etwas Authentizität gut tut, wenn es um die Arbeit am weiterhin verbesserungswürdigen Image geht.

Doch natürlich hat sich noch niemand in die Nationalelf geredet. Es waren seine Leistungen in Bergamo, elf Tore und sechs Vorlagen in der Serie A, sowie die Eindrücke bei seinen ersten Länderspielen, mit denen er sich empfahl. "Ich bin ein dynamischer Schienenspieler, der sich oft mit nach vorne einschaltet", sagt er. Und es ist auch die Gunst der Stunde, die ihn plötzlich wichtig macht: In einer Viererkette wäre sein Offensivdrang womöglich sehr riskant, würde hinter ihm Lücken reißen, vielleicht wäre er kein Startelfkandidat. Doch Joachim Löw überlegt, zum Auftakt gegen Frankreich am 15. Juni für mehr Kompaktheit in der Defensive eine Dreierkette mit zwei offensiven Außenverteidigern aufzustellen. Es war das Thema der letzten Tage in Seefeld, und Gosens konnte dazu Erklärendes beitragen: Mit Dreierkette spielt auch Bergamo.

Schon der nächste und letzte Test an diesem Montag in Düsseldorf gegen Lettland, nach der Abreise aus Seefeld an diesem Sonntag, könnte mehr über die Pläne des Bundestrainers verraten. "Ich glaube, dass wir auf einem guten Weg sind", sagt jedenfalls Gosens.

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