DFB-Elf gegen Nordirland:"So einfach wie manche denken, geht es halt nicht"

Nationalmannschaft - DFB-Bundestrainer Jogi Löw bei der EM-Quali gegen Nordirland

Hatte schwierige 90 Minuten in Belfast zu überstehen: Joachim Löw.

(Foto: AFP)
  • Die junge DFB-Elf präsentiert sich beim 2:0 in Nordirland wankelmütig und phasenweise unsicher - der Bundestrainer hadert noch immer.
  • Dier Beteiligten haben teilweise sehr unterschiedliche Ansichten.

Von Saskia Aleythe, Belfast

Ob es am schlafenden Riesen lag? Es gibt ja so einige Legenden, die sie sich in Nordirland erzählen und wer schon einmal im Cave Hill Country Park über dem Schloss im Norden von Belfast unterwegs war, kennt vor allem eine: Jene, dass die dortige Felslandschaft aus der Ferne an einen schlafenden Riesen erinnert, der über die Stadt wacht. Also auch über den Windsor Park, weit drüben im Südwesten. Und am Montagabend sah dieser Riese dort grüne Rauchschwaden empor steigen, immer wieder drang Gesang Richtung Felsnase hinüber und als dieser irgendwann doch verstummte, war die Welt auch nicht schlauer: Wer hatte hier genau die schicksalhafte Hilfe nötig gehabt: Nordirlands Nationalmannschaft - oder die deutsche?

Am Ende eines eindrücklichen Abends sagte Bundestrainer Joachim Löw: "So einfach wie manche denken, geht es halt auch nicht." Und für die Verhältnisse des immer entspannten Bundestrainers war das schon eine Ansage in Richtung seiner Kritiker.

Mit dem 2:0 gegen Nordirland ist die deutsche Elf der EM-Qualifikation ein großes Stück näher gekommen, die allgemeine Verunsicherung vor allem in der ersten Halbzeit gab aber erneut Anlass zur Besorgnis. "Wir konnten zufrieden mit einem 0:0 in die Pause gehen, weil wir da wirklich nicht gut waren", sagte Joshua Kimmich als einer der kritischsten Akteure auf dem Platz. Das ist die Realität im Herbst 2019: Gegen Spieler, die größtenteils in der schottischen Liga ihr Geld verdienen oder in der zweiten englischen Liga, präsentierte sich die junge deutsche Mannschaft wie ein fragiles Gebilde. Das 2:4 gegen die Niederlande vom Freitagabend hatte Spuren hinterlassen. "Es war zu merken, dass wir unter Druck standen", sagte Manuel Neuer. Und es verstärkte sich der Eindruck, dass bis zur geplanten EM-Teilnahme im kommenden Juni noch jede Menge Arbeit vor der Mannschaft liegt.

Für die DFB-Elf hätte sich gegen Nordirland auch ein ganz anderes Szenario ergeben können: Als Toni Kroos nach sieben Minuten den Ball in die Beine von Conor Washington spielte, war das 0:1 gegen die Nummer 29 der Weltrangliste nicht weit entfernt. "Ich finde, dass wir in den ersten 20 Minuten absolut dagegen gehalten haben", sagte Kroos selber, als hätten sie gegen die Nummer zwei, drei oder vier der Weltrangliste die fiesesten Anstürme abgewehrt. Dass nach dem Führungstreffer in der zweiten Halbzeit durch Marcel Halstenberg Nordirland noch Chancen zum Ausgleich bekam, entlockte Kroos wenig Aufregung. "Es war gefühlt nie wirklich in Gefahr", sagte er, gestand aber: "mit 1:0 weiß man, es kann noch etwas passieren."

Es hätte ganz anders laufen können

Wie man mit Herausforderungen umgeht, ist immer auch eine Charakterfrage und womöglich ist Kroos' Coolness in einem Team aus Neulingen sogar eine willkommene Eigenschaft. Es kann noch was passieren, das war ja der prägende Eindruck dieser Partie gewesen, nach oben wie nach unten. Im Vergleich zu den vielen Abwehraussetzern gegen die Niederlande hatte Torwart Neuer eine Steigerung in der Defensive ausgemacht, Löw lobte vor allem die veränderte Mentalität. Mehr Körpereinsatz, engagiertere Laufduelle, "das war heute besser"; sagte der Bundestrainer, machte aber auf Nachfrage auch klar: Seine Idealvorstellung wurden noch nicht erfüllt.

"Das Potential ist vorhanden, aber der Weg ist nicht einfach", sagte der 59-Jährige und verwies auch darauf, dass ihm immer wiederkehrende Ausfälle die Arbeit nicht unbedingt erleichterten. Nach der vergeigten WM 2018 hatte man auch schon mal formidable Partien gespielt, das betonte Löw nun: Gegen Frankreich im vergangenen Herbst, gegen die Niederlande im März. Sein Personal war damals ein anderes. Sané, Schulz, Gündogan, Rüdiger, Goretzka zählte Löw auf - Ausfälle, mit denen er dieses Mal umzugehen hatte. "Wenn einige Spieler gar nicht zu den Lehrgängen kommen, dann ist es schwierig", sagte er, "Einspielen ist bei einer jungen Mannschaft die Priorität."

Einspielen, es wurde zum Lieblingswort des Bundestrainers an diesem Abend. Er wolle in den kommenden Monaten die "Automatismen in jedem Mannschaftsteil schärfen", sodass zur Regel wird, was Kimmich andeutete: Was in ihnen stecke, hätten sie in der Drangphase in der zweiten Halbzeit gegen Nordirland schon aufblitzen lassen, "wir zeigen es immer mal wieder. Leider noch zu selten und leider nicht über 90 Minuten." Serge Gnabry und Julian Brandt kam der Ballbesitz-Fußball der zweiten Hälfte mehr entgegen als das Konter-Spiel gegen Holland. "Ich denke, wir müssen beides drauf haben", sagte Kimmich.

Für vier Länderspiele kommen sie in diesem Jahr noch zusammen. Neun Monate bleiben noch, um die schlummernden Riesen in ihnen zu wecken.

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