Süddeutsche Zeitung

Nationalelf vor dem Ukraine-Spiel:Experimente mit Özil und Götze

Gegen die Ukraine soll nicht nur Hannovers Torwart Ron-Robert Zieler sein Debüt in der Nationalelf geben: Bundestrainer Joachim Löw will erstmals seine Kreativlinge Mesut Özil und Mario Götze gemeinsam auflaufen lassen - sie sollen Löws Plan von einem dominanteren Fußball mit Leben füllen.

Jörg Marwedel, Hamburg

Es war, als stünde ein entscheidendes Spiel bevor. Vielleicht irgendein Viertelfinale, mindestens. Mehr als 20 Fernseh-Kameras surrten, als der Deutsche Fußball-Bund zusammen mit seinem langjährigen Ausrüster in Hamburg das neue EM-Trikot präsentierte. Nach Aussage des Herstellers verkörpert dieses weiße Hemd mit den zart eingewobenen Nationalfarben "Stolz, Dynamik und Eleganz", weshalb es perfekt zu einem kommenden Europameister passe.

Die Spieler Mats Hummels, André Schürrle, Toni Kroos, Per Mertesacker, Holger Badstuber, Thomas Müller und Lukas Podolski kritzelten dann ihr Autogramm auf ein überdimensionales Exemplar. Einer hat noch dazu geschrieben: "Revanche im Endspiel gegen Spanien."

Auch wenn Bundestrainer Löw das Thema "Spanien" inzwischen am liebsten aussparen würde: Nur darum scheint es für die Profis zu gehen. Um die Revanche gegen das derzeit weltbeste Team, das sowohl im EM-Finale 2008 als auch im WM-Halbfinale 2010 jeweils 1:0 gegen die Deutschen gewonnen hatte. Die Endspiel-Arena in Kiew darf das DFB-Team am Freitag im Test gegen die Ukraine immerhin schon einmal erleben.

"Ein Superstadion, in dem es hitzig, heiß und motivierend" zugehen werde, wie Löw erwartet. Gleichwohl will er einige Experimente vornehmen. "Weil wir uns das leisten können", sagt er mit jenem Selbstbewusstsein, das man nach einer Qualifikationsrunde ohne Punktverlust haben darf. Die Elf sei viel besser eingespielt als vor zwei Jahren: "Weil die Dinge greifen und das Team immer gefestigter wird".

Eines dieser Experimente passt genau zu Löws Plan, die Deutschen künftig vermehrt Favoritenfußball spielen zu lassen. Einen Fußball, der dominanter ist und der phantastischen Auswahl im Mittelfeld gerecht werden soll. Nicht nur, weil Bastian Schweinsteiger - "eine große Persönlichkeit" (Löw) - wegen Verletzung fehlt, werden wohl Mesut Özil und Mario Götze erstmals gemeinsam die zentrale Kreativachse bilden: Özil ein Stück weiter vorne, Götze als so genannter "Zwischenspieler" ein Stück dahinter.

Götze, der ebenso wie der Münchner Toni Kroos nur ein, zwei Sekunden braucht, um die immer kleineren Räume auf dem Spielfeld sinnvoll zu nutzen, ist nach Ansicht von Löw das jüngste Exemplar jener neuen Generation, die "ehrgeizig, zielstrebig, aber bescheiden" sei. Vor allem die Lernfähigkeit schätzt er am Professoren-Sohn, Löw staunt manchmal selbst, wie schnell Götze die Forderungen des Trainerteams umsetzen kann.

"Das sind die Klassespieler, die so etwas beherrschen", sagt der Bundestrainer, der ja schon bei manchem Profi den Fußballstil verändert hat. Zum Beispiel beim Innenverteidiger Mats Hummels, der im Nationalteam - anders als bei Borussia Dortmund - keine langen Bälle in die Spitze spielen darf und sich dies auch auftragsgemäß abgewöhnt hat.

Wie viele weitere Testreihen der Bundestrainer in den beiden letzten Länderspielen des Jahres - am Dienstag folgt in Hamburg die Partie gegen den Weltranglisten-Zweiten Niederlande - noch in Auftrag geben wird, ist unklar. Er muss das selbst noch überlegen. Sicher ist aber, dass er die in der Champions League beschäftigten Profis - und das sind immerhin 15 - nicht zweimal 90 Minuten auflaufen lässt.

Sicher ist auch, dass sich Marcel Schmelzer und Dennis Aogo als Ersatz für den freigestellten Kapitän Philipp Lahm abwechselnd als linker Außenverteidiger versuchen dürfen. Und bei Hannovers Keeper Ron-Robert Zieler ist nur noch unklar, ob er sein Debüt über 45 oder gar 90 Minuten geben darf. Außerdem sollen Miroslav Klose (Kniereizung) und Marco Reus (Grippe) für die Partie gegen die Niederlande noch eingeflogen werden.

Eines weiß Löw aber schon ganz genau: dass er nicht ganz so experimentierfreudig ist wie Oleg Blochin, sein Kollege aus der Ukraine. Der habe in den vergangenen Spielen zwischen 30 und 35 Profis eingesetzt, wusste Löw. So weit muss er nicht mehr gehen. Sein Team steht ja schon weitgehend.

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SZ vom 10.11.2011/ebc
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