Nationalelf von Kroatien:Die unerfüllbare Sehnsucht, noch mal 24 zu sein

Nationalelf von Kroatien: Wie viele der WM-Finalisten werden auch in vier Jahren noch für Kroatiens Nationalelf spielen?

Wie viele der WM-Finalisten werden auch in vier Jahren noch für Kroatiens Nationalelf spielen?

(Foto: AFP)
  • Keine Mannschaft bei der WM war älter jene des Finalisten Kroatien.
  • Beim Turnier 2022 werden viele tragende Spieler weit über 30 Jahre alt sein.
  • In den Stolz übers Erreichen des Endspiels mischt sich daher auch die Furcht, dass die Generation um Luka Modric bald geschlossen aufhört.

Von Javier Cáceres, Moskau

Davor Sukers hellblauer Anzug war noch immer nass vom Regen, der sich über Moskau ergossen hatte. Und auch wenn die Mannschaft des kroatischen Verbandes, dem Suker, 50, vorsteht, das WM-Finale mit 2:4 gegen Frankreich verloren hatte - der Sinn stand ihm nicht danach, wie der sprichwörtliche begossene Pudel zu wirken. Im Gegenteil.

"Wir werden neue Modrics, neue Rakitics, Perisics, Mandzukics oder Subasics finden!", rief der frühere Mittelstürmer und versuchte somit die Antwort auf die Furcht zu liefern, die nicht wenige Kroaten umtreibt. Die Furcht, dass die jetzige Generation nicht bloß beispiellos, sondern auch unersetzlich bleiben wird.

Keine Mannschaft bei der WM war älter als die Delegation der Kroaten; und wenn in vier Jahren die nächste Weltmeisterschaft startet, wird Luka Modric 37 Jahre alt sein, Mario Mandzukic 36, Ivan Rakitic 34, Perisic immerhin schon 33, Torwart Danijel Subasic gar 38 Jahre. "Mal sehen, was mit unseren erfahrenen Spielern passiert", raunte der frühere Bundesligaprofi Ivica Olic (Hertha BSC, Hamburger SV, FC Bayern, Wolfsburg), der bei der WM als Assistent von Trainer Zlatko Dalic gearbeitet hatte. Ein wenig klang es so, als würde er Rücktritte fürchten, die zumindest direkt nach dem Finale noch nicht kamen. Das Gefühl der eigenen Endlichkeit aber machte sich im Lager der Kroaten durchaus breit.

Trainer Dalic will sich noch nicht festlegen

"Ich wünschte, wir wären jetzt 24. Jeder von uns, und besonders Luka", sagte Dejan Lovren, der Verteidiger vom FC Liverpool. Er selbst, zurzeit 29, spüre noch genug Kraft, um der Nationalelf etwas zu geben, er sei für einen Verteidiger jung. Aber es sei nun mal, wie es ist: "Jede Zeit muss zu Ende gehen." Trainer Dalic, der im Oktober eingesprungen war und die WM-Qualifikation gerettet hatte, wollte sich noch nicht festlegen: "Was ich nun brauche, ist ein bisschen Ruhe", sagte Dalic. "Es war herrlich, mit den Jungs zu arbeiten. Ich werde eine Auszeit nehmen, durchatmen. Ich treffe Entscheidungen nie über Nacht."

Eine andere Entscheidung, die nicht über Nacht, sondern innerhalb von zwei Minuten getroffen wurde, beschäftigte die Kroaten noch lange nach Abpfiff: Der Handelfmeter, den der argentinische Referee Nestor Pitana verhängte, nachdem er geschlagene zwei Minuten lang Zeitlupen am Bildschirm studiert hatte.

Stürmer Ivan Perisic, der das 1:1 erzielt hatte (und damit an elf von 14 WM-Toren der Kroaten beteiligt war), hatte den Ball an die Hand bekommen. Eine Absicht war ihm kaum zu unterstellen. Doch das spielte für Pitana keine Rolle.

"Ich war sicher, dass er den Elfmeter nicht geben würde. Ivan hatte überhaupt keine Zeit, zu reagieren", sagte Lovren. Und Olic ätzte: "Nächstes Mal muss man vielleicht Taschen in der Hose haben, um die Hände reinzustecken."

Die Hoffnung auf neue Modrics und Rakitics

Der Treffer habe "natürlich wehgetan", sekundierte Perisic, der zweite Spieler der WM-Geschichte nach dem Italiener Marco Materazzi 2006, der in einem WM-Finale ein Tor erzielte und einen Elfmeter verursachte. Denn das französische 2:1 durch Antoine Griezmann fiel zu einem Zeitpunkt, da die Kroaten sich aus der Enttäuschung über das 0:1 herausgekämpft hatten. Und auch das war auf bemerkenswerte Weise zustande gekommen. Griezmann hatte durch eine Schwalbe jenen Freistoß provoziert, der einem Eigentor den Weg bereitete, das nun auch Teil der Geschichtsbücher ist: Ein Eigentor (Mandzukic zum 0:1) und ein eigenes Tor (Mandzukic zum 2:4) durch den selben Spieler hatte es nie zuvor in einem WM-Finale gegeben.

Das Gefühl der Bitterkeit der Kroaten konnte man nachvollziehen: Nach dem 1:1 waren sie tatsächlich die bessere Mannschaft gewesen, "das hat man auch in den Gesichtern der Franzosen gesehen, sie wussten nicht weiter", schilderte Perisic. Luka Modric, der die Silberplakette stolz vor seiner Brust trug, flüchtete sich in schicksalhafte Töne: "Das macht die Größe des Fußballs auch aus. Nicht immer gewinnt das bessere Team." Lovren freilich wollte sich damit nicht so recht anfreunden. Man müsse den Stil der Franzosen respektieren, sagte er einerseits. Andererseits: "Sie haben nicht Fußball gespielt."

Die Kroaten hingegen taten das ganz gut, auch wenn ihnen in ihrem siebten Spiel der WM - nach drei Verlängerungen in den Spielen der Knockout-Runde gegen Dänemark, Russland und England - die Kräfte fehlten und sie weit von blendender Brillanz entfernt waren. Sie hatten nach dem Halbfinale auch noch einen Ruhetag weniger als die Franzosen. "Es tut mir persönlich weh. Ich habe das Champions-League-Finale (mit dem FC Liverpool gegen Real Madrid) verloren, ich habe dieses Finale verloren. Es ist nicht einfach, das zu akzeptieren", sagte Lovren. "Aber es gibt nicht viele Spieler, die solche Finals in einem Sommer spielen."

Was bleibt? Die Hoffnung eben auf neue Perisics und Subasics, auf neue Modrics und Rakitics. Dazu Davor Suker, der Verbandschef: "Das Talent ist da, es ist auf den Straßen, in den Schulen, nicht in den Playstations.

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