Nationalelf: Sven Bender:Aggressiv, aber fair

Der Dortmunder Sven Bender hofft wie Simon Rolfes und Thomas Hitzlsperger auf eine Zukunft im zentralen Mittelfeld der Nationalelf. Doch was wird dann aus Michael Ballack?

Christof Kneer, Mainz

Gegen die Erfindung der "Elf des Tages" hat der Bundestrainer grundsätzlich nichts einzuwenden. Ihn interessiert es ja auch, welche seiner Kandidaten sich gerade in länderspielwürdiger Verfassung befinden. Aber Joachim Löw ist keiner, der seine Mannschaft nach der Lektüre der "Elf des Tages" in den Sonntagszeitungen baut. Sonst hätte er jetzt ein Problem. Sonst müsste er die Sechserposition mit zwei am vorigen Wochenende bestens benoteten, offenkundig sehr formstarken Profis besetzen: Michael Ballack und Torsten Frings.

Training deutsche Fussball-Nationalmannschaft

Perfekte Haltung beim Hütchendribbling: Sven Bender.

(Foto: dapd)

Michael Ballack sei "ein sehr guter Spieler, mit viel Erfahrung und großen Erfolgen", sagt Sven Bender. Bender ist auch ein sehr guter Spieler, mit wenig Erfahrung allerdings, und seine großen Erfolge bestehen bislang darin, den TSV 1860 München rechtzeitig verlassen zu haben und nach Dortmund gewechselt zu sein, wo er demnächst die Meisterschaft feiern wird. Das ist, wenn man es genau nimmt, ganz schön viel für einen 21-Jährigen.

Ein weiterer großer Erfolg ist, dass der 21-Jährige einen ziemlich Gleichaltrigen in der öffentlichen Wahrnehmung überholt hat: seinen Zwillingsbruder Lars, der in der gemeinsamen Zeit bei 1860 als der auffälligere Bender galt. Inzwischen kämpft der ehemals auffälligere Bender um einen Stammplatz bei Bayer Leverkusen. Im Rahmen dieses Kampfes begegnet er täglich Michael Ballack, der ihm manchmal vorgezogen wird, manchmal aber auch nicht.

Michael Ballack, so scheint es, wird die Bender-Zwillinge nicht mehr los. Der Dortmunder Sven Bender sitzt vor dem EM-Qualifikationsspiel gegen Kasachstan ja sogar dort, wo Ballack all die Jahre gesessen hat: mitten im Teamhotel der A-Nationalelf. Dort sagt er Sätze, die gefährlich sind für Ballack, weil diese Sätze vor einem Jahr fast wortgleich vom Spieler Sami Khedira verwendet wurden. Khedira ist der, der jetzt Ballacks Stammplatz hat.

Ballack sei ein verdienter Spieler, sagt Bender also im DFB-Hotel in Mainz, er selber sei aber eingeladen worden, "weil ich in Dortmund meine Leistung bringe, und wenn ein neuer Spieler eingeladen wird, ist es klar, dass ein anderer dann nicht dabei sein kann". Diese Mischung aus politisch korrekter Demut und politisch korrektem Selbstbewusstsein ist das Merkmal der neuen Generation. Bender sagt, er sei jetzt zum zweiten Mal im Kader, und da wolle er "natürlich nicht mehr so schnell raus".

"Überragend in der Balleroberung"

Lange genug hat Ballack, 34, der deutschen Nationalelf das Leben gerettet, erst mit seinen Toren, später mit einem großen Opfer. Er hat sich selbst aus dem offensiven ins defensive Mittelfeld zurück befohlen, er hat sehenden Auges die eigene Torgefahr verleugnet, weil er spürte, dass die Mannschaft weiter hinten Hilfe braucht.

Die Innenverteidigung war anfällig, das defensive Mittelfeld offen, also hat sich Ballack in die Tiefen des Raumes zurückgezogen und dort hinten niedere Dienste verrichtet. Es war seine historische Leistung, aber nun hat das Team auch ohne ihn das Laufen gelernt.

Im defensiven Mittelfeld vertraut Löw dem WM-Paar Schweinsteiger/Khedira, direkt dahinter sieht der Bundestrainer den Münchner Toni Kroos und eben Bender, den Löw "aggressiv, aber fair" nennt und "überragend in der Balleroberung". Außerdem hält sich Löw bewusst den Stuttgarter Christian Träsch im Kader, einen dienstbaren Geist, der, anders als der anspruchsvolle Ballack, ideal zum Kaderauffüller taugt, weil er uneitel in alle Lücken rennt, die in einem Kader klaffen können.

Auch der zweite Bender-Zwilling Lars gilt mittelfristig als A-Elf-tauglich, und natürlich prüft Löw weiterhin die Verwendbarkeit seiner einstigen Lieblingsschüler Simon Rolfes, 29, und Thomas Hitzlsperger, 28. Leverkusens Trainer Jupp Heynckes hat Löw bereits schwer gerügt wegen des Verzichts auf Rolfes. Von Ballack hat er nichts gesagt.

Noch ziert sich Löw, leichtfertig diese Option zu verschenken, aber angesichts der zahlreichen anderen Optionen halten viele den Zeitpunkt für gekommen, nun eine Entscheidung zu treffen. Nächste Woche, vor dem Testspiel gegen Australien, wird die DFB-Delegation in Düsseldorf Quartier beziehen, praktischerweise in der Stadt, in der Michael Ballack wohnt. Es wird erwartet, dass Löw die Gelegenheit nutzt, um Ballack zu einem Gespräch zu bitten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: