Nationalelf besiegt Portugal 1:0:Mario Gomez köpft Deutschland ins Glück

Lange tat sich das deutsche Team gegen die Portugiesen schwer, wäre kurz vor der Pause sogar fast in Rückstand geraten. Dann jedoch erledigt Mario Gomez seine Stürmeraufgabe: Der Bayern-Angreifer köpft den Siegtreffer und sorgt damit für Erleichterung zum EM-Auftakt. Auch wenn im deutschen Spiel längst nicht alles stimmte.

Carsten Eberts

Wenn Hans-Dieter Flick vor die Kameras tritt, ist das neuerdings hochinteressant. Von "Stahlhelmen aufsetzen" hatte der Assistent von Joachim Löw zuletzt gesprochen, als er zur Taktik gegen Portugals Nationalhelden Cristiano Ronaldo gefragt worden war - das hatte den Deutschen Fußball-Bund schon vor der ersten Partie bei der EM in Polen und der Ukraine zu einer offiziellen Entschuldigung gezwungen.

Immerhin, diesmal war Flicks Aussage nur sportlich brisant: Bundestrainer Joachim Löw hatte sich für die Startaufstellung gegen Portugal überraschend für Mario Gomez und Mats Hummels entschieden - und damit gegen seine Vertrauensmänner Miroslav Klose und Per Mertesacker. Beide mussten wohl verletzt sein, wurde schnell vermutet. Flick sagte jedoch: "Beide sind absolut fit."

Die Überraschung im Fußballland war groß - hatte Löw die richtige Entscheidung getroffen? Der Bundestrainer sollte Recht behalten: Hummels lieferte ein starkes Spiel - und Gomez, tja Gomez: Dem Bayern-Stürmer gelang das Tor des Tages. In der 72. Minute köpfte er eine Khedira-Flanke neben den portugiesischen Pfosten ins Netz und erlöste die deutsche Mannschaft, die sich zuvor überaus hatte mühen müssen, mit dem späten Siegtreffer. "Es war ein weiter Weg bis dahin", sagte Gomez nach der Partie, "ich bin sehr froh, dass mir der Trainer heute das Vertrauen geschenkt hat."

Den Auftakt der Partie hatte Löw zunächst angespannt verfolgt. Sehr angespannt sogar. Mit einer Hand vor dem Mund kauerte er auf der deutschen Bank, die vergangenen Tage waren anstrengend gewesen. Es war viel geredet worden, über die mögliche Aufstellung, den nächtlichen Ausflug von Jérôme Boateng, den Löw mit einer kleinen Regierungserklärung und einer deutlichen Verwarnung an Boateng beantwortet hatte. Der Bundestrainer sah jedoch, dass sein Team passabel begann: Boateng flankte sogleich scharf auf den Kopf von Gomez. Portugals Keeper Rui Patricio parierte jedoch sicher.

Postiga grätscht gegen Neuer

Der DFB-Elf konnte keinesfalls mangelnder Einsatzwille vorgeworfen werden. Thomas Müller beging im Mittelfeld ein Stürmerfoul an Joao Moutinho und schimpfte anschließend wie ein gedopter Rohrspatz, Lukas Podolski wuchtete nach neun Minuten einen Linksschuss kräftig aufs portugiesische Tor (Patricio parierte jedoch). Da muss einer dagegen halten, dachte sich Portugals Hélder Postiga: Nach einem zu kurzen Rückpass von Hummels grätschte er wild gegen Manuel Neuer, traf ihn mit Wucht am Schienbein; der deutsche Keeper krümmte sich sekundenlang auf dem Rasen. Postiga sah vom französischen Schiedsrichter Stéphane Lannoy Gelb, Neuer stand bald wieder auf.

Danach stellten sich beide Mannschaften aufeinander ein. Die Deutschen auf die Portugiesen, die zwar rasant nach vorne spielten, sich aber kaum vielversprechende Chancen erarbeiten konnten. Auch nicht Ronaldo, den Boateng im Verbund mit Bastian Schweinsteiger oder Sami Khedira stets gut im Griff hatte.

Und die Portugiesen auf die Deutschen, die sie weitgehend vom eigenen Tor fernhielten. In der 23. Minute brachte Khedira den Ball unter höchster Bedrängnis zu Gomez, der drehte sich schoss und traf ins Tor - Lannoy hatte jedoch Sekundenbruchteile zuvor auf Freistoß für Deutschland erkannt. Keine sonderlich glückliche Entscheidung.

Hummels spielt überzeugend

Je näher die Halbzeitpause rückte, desto unzufriedener zeigte sich Löw mit der Leistung seiner Elf. Seine Kauerhaltung hatte er nun aufgegeben, der Bundestrainer gestikulierte wild - und schrie: Weil ihm das Umschaltspiel in die Offensive nicht schnell genug ging, er sich mehr Kreativität erhoffte, mehr Schwung. Die Portugiesen machten es der deutschen Elf aber auch schwer: Statt einer Doppelsechs setzte Trainer Paulo Bento auf einen fiesen Dreierriegel (Moutinho/Veloso/Meireles). Besonders Kreativmann Mesut Özil wurden so die Wege verstellt.

Germany v Portugal - Group B: UEFA EURO 2012

Heroische Pose nach dem Siegtreffer: Mario Gomez bejubelt sein Tor in der 72. Spielminute.

(Foto: Getty Images)

Kurz vor der Pause wagten sich die Portugiesen noch einmal aus ihrer Abwehrhaltung. Badstuber musste zunächst Nani unsanft bei einem Konter stoppen und sah verdient Gelb. Dann, bereits in der Nachspielzeit, die erste große Schrecksekunde: Pepe kam nach einer Flanke am Elfmeterpunkt an den Ball und schlenzte das Leder an die Unterkante der Latte. Deutschland hatte Glück, dass der Ball erst auf die Torlinie und dann aus dem Gefahrenbereich sprang.

In der Pause muss der Bundestrainer die passende Ansprache gefunden haben - denn die deutsche Elf kam mit Elan aus der Halbzeit. Schon die erste Spielminute brachte einen etwas sinnfrei gebolzten Schuss von Podolski, eine gefährliche Flanke von Müller und einen Kopfball von Khedira. Dann wieder das gewohnte Bild: Deutschland versuchte anzugreifen, die Portugiesen mussten nur wenige Mittel aufwenden, um eine Antwort zu finden.

Auf der anderen Seite musste Boateng mit einer seiner gefürchteten Chaosgrätschen in letzter Sekunde gegen Ronaldo retten. Diese Szenen wollte Bundestrainer Löw eigentlich nie wieder sehen - nun wird er seinem Abwehrmann wohl extrem dankbar sein. Die Partie konnte nun in jede Richtung kippen, es galt das Motto: Wer zuerst trifft, gewinnt wahrscheinlich auch das Spiel.

Noch drei Schrecksekunden

So war es tatsächlich - und es war das deutsche Team, dem der entscheidende Angriff gelang. Eine Flanke von Khedira von Halbrechts wurde leicht abgefälscht, in der Mitte wuchtete sich Gomez in die Luft und köpfte den Ball zielgenau neben den portugiesischen Pfosten ins Netz (72.). Löws Umstellungen hatten sich damit ausgezahlt: Hummels agierte in der Abwehrmitte ausgesprochen sicher und empfahl sich für weitere EM-Aufgaben. Gomez, der kurz zuvor eigentlich ausgewechselt werden sollte, hatte seine Aufgabe dann doch noch erfüllt.

Löw nahm Gomez kurz darauf vom Feld und brachte Klose, der damit an seinem 34. Geburtstag doch noch ein paar Spielminütchen bekam. Drei Schrecksekunden hatte das deutsche Team noch zu überstehen: Erst traf Nani mit einer Flanke die Oberkante der Latte (84.), dann stürzte Neuer in einen Schuss des eingewechselten Varela. Den letzten portugiesischen Schuss blockte Badstuber schließlich ab. Mit letzter Kraft.

"Es gehört harte Arbeit dazu", erklärte Kapitän Lahm nach der Partie, "wichtig ist, dass die Mannschaft heute hier gewonnen hat. Es geht nur über die Mannschaft." Und auch der Bundestrainer, der an diesem Abend so sehr leiden musste, sagte: "Wir müssen noch einiges optimieren - keine Frage. Wir müssen uns weiter verbessern." Die EM, sagte Löw, habe nun endgültig begonnen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: