Hoffenheim gegen Bayern:Nagelsmann arbeitet an der Krönung

Von Tobias Schächter, Sinsheim

An diesem Freitag feiert Julian Nagelsmann ein Jubiläum. Zum Rückrunden-Auftakt gegen den FC Bayern coacht der noch immer bemerkenswert junge Trainer der TSG Hoffenheim zum hundertsten Mal eine Mannschaft in der Bundesliga. Mit gerade mal 31 Jahren. Nagelsmann steht zwar weiterhin am Anfang seiner Trainerlaufbahn im Profibereich, aber auch schon vor dem Ende seiner Zeit in Hoffenheim.

Nach der Saison wechselt der gebürtige Landsberger bekanntlich mit Videoanalyst Benjamin Glück, 32, und Teammanager Timmo Hardung, 29, zu Liga-Konkurrent RB Leipzig. Für die Rückrunde hat sich Nagelsmann nichts weniger vorgenommen, als die erfolgreiche Zeit in Hoffenheim "zu krönen". Angriffslustig wie gewohnt sagt er: "Wir wollen die Platzierung der letzten beiden Jahre wiederholen."

Nach Rang vier (Saison 2016/17) schaffte die TSG durch Rang drei (Saison 2017/18) zuletzt sogar die direkte Qualifikation zur Champions League. Eine erstaunliche Entwicklung, die in akuter Abstiegsgefahr gestartet wurde: im Februar 2015, als Nagelsmann den Job vom langjährigen Bundesliga-Fahrensmann Huub Stevens, 65, übernahm. Die Kehrtwende, die Nagelsmann vollziehen konnte, sorgte weit über die Landesgrenzen für Aufsehen. Nicht nur er, auch viele Spieler konnten im Aufzug nach oben ihren Marktwert steigern. Nagelsmann gilt deshalb auch für den internationalen Markt als spannendster deutscher Fußballlehrer nach Jürgen Klopp (51, Liverpool) und Thomas Tuchel (45, Paris).

Nagelsmann geht offensiv mit der Situation um

Binnen zweieinhalb Jahren als Chefcoach ist es Nagelsmann mit zwei Europapokal-Teilnahmen gelungen, vom Fußball-Dorf Hoffenheim aus für Aufsehen zu sorgen. Nun wechselt er nach fast zehn Jahren bei der TSG, wo er 2010 als U17-Nachwuchscoach begonnen hatte, zu den finanzstärkeren Leipzigern, weil er sich dort größere Chancen auf Titel und regelmäßige Champions-League-Teilnahmen verspricht. Es ist eine Pointe, dass es Nagelsmann ausgerechnet zu einem direkten Konkurrenten verschlägt, bei dem Ralf Rangnick, 60, der starke Mann ist. Unter Rangnick gelang Hoffenheim 2008 der Einzug in die erste Liga. Die Lage ist pikant: Hoffenheim ist Siebter, Leipzig, das interimsmäßig von Rangnick trainiert wird, ist Vierter; und so könnte jetzt also der Hoffenheimer Nagelsmann dem Demnächst-Leipziger Nagelsmann für die kommende Saison den Champions-League-Startplatz entwenden. Das würde eine Krönung in Hoffenheim bedeuten, aber auch Gezeter bei den Sachsen.

Nagelsmann ist sich bewusst, dass die Situation mit seinem seit Monaten angekündigten Abschied "eine nicht alltägliche ist, die ein paar Prozent mehr Gefahren birgt". Wie es seine Art ist, geht er damit offensiv um. Er habe natürlich mit RB in der Winterpause ein Gespräch gehabt, aber der Austausch tangiere seine Arbeit in Hoffenheim nicht, sagt er. Die Liste der möglichen Zugänge in Leipzig sei erstellt, und ein Ja oder Nein von ihm sei im digitalen Zeitalter schnell ausgetauscht.

Nagelsmann wirkt nicht wie jemand, der in Gedanken schon weg ist, im Gegenteil. Die sechs Remis in Serie zuletzt in der Liga ärgerte ihn so sehr wie das frühe Aus in der Gruppenphase der Champions League. So lautet die Aufgabe für die Rückrunde: Die attraktive, offensive Spielweise braucht mehr Effizienz. Die Aufholjagd soll schon gegen den FC Bayern beginnen, die letzten beiden Heimspiele gewann die TSG gegen den Rekordmeister. Mut macht zudem, dass nach dem Aus in DFB-Pokal und Champions League künftig die strapaziösen englischen Wochen wegfallen (dies tat der Mannschaft in der vorigen Saison gut). Zudem stehen die Langzeitverletzten Benjamin Hübner, Nadiem Amiri und Dennis Geiger wieder zur Verfügung.

Der erste Kandidat für die Nagelsmann-Nachfolge

Natürlich sei eine gewisse Gefahr da, dass Spieler, die wüssten, der Trainer sei im Sommer weg, Unzufriedenheit schneller und lauter äußern würden, sagt Nagelsmann. Um dieses Risiko zu minimieren, wurde der Kader im Winter dezimiert. So verlieh Manager Alexander Rosen unter anderem Torwarttalent Gregor Kobel (Augsburg), Verteidiger Kevin Akpoguma (Hannover), den Schweizer Steven Zuber (Stuttgart) und den Italiener Vincenzo Grifo (Freiburg) bis Saisonende - ohne Kaufoption. Dafür gibt es immerhin rund zwei Millionen Euro Leihgebühr.

Angst, dass Nagelsmann in eine Rolle als "Lame Duck" schlittern könne, hegt niemand bei der TSG. Schließlich hat er diesem Klub ein unerwartetes Wachstum beschert. Zurecht kann Nagelsmann behaupten: "Wir haben aus diesem Verein etwas anderes gemacht, als er es vorher war." Ein Beispiel: Erst diese Woche wechselte der Namensgeber des Stadions, was eine Mehreinnahme von angeblich rund zwölf Millionen Euro über fünf Jahre bringen soll.

Dietmar Hopp, 78, Hoffenheims Erfinder und Gesellschafter, teilte gerade erst via Klubmagazin mit, es sei mittelfristig "natürlich unser Ziel, möglichst oft international zu spielen". Wer dies dann als Nagelsmann-Nachfolger umsetzen soll, ist noch nicht fixiert. Heißester Kandidat ist Marco Rose, 42, von RB Salzburg. Auch Rose kennt natürlich die Herausforderung: Die Ansprüche sind in Hoffenheim nicht kleiner geworden.

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