Julian Nagelsmann beim FC Bayern:Die Apokalyptiker sind ihm piepegal

Julian Nagelsmann beim FC Bayern: Julian Nagelsmann bei der Teampräsentation des FC Bayern in der Arena.

Julian Nagelsmann bei der Teampräsentation des FC Bayern in der Arena.

(Foto: ActionPictures/Imago)

Julian Nagelsmann geht in seine zweite Saison beim FC Bayern - diesmal mit einem passend für seine Ideen historisch teuer zusammengestellten Kader. Dass er nun unter Druck steht? Hält der Trainer für aufgebauscht.

Von Sebastian Fischer

Julian Nagelsmann ist seit mehr als einem Jahr Trainer des FC Bayern München, aber es gibt für ihn immer noch Premieren. Am Freitag zum Beispiel, da saß er zum ersten Mal vor Journalisten im sogenannten Pressestüberl an der Säbener Straße. Dort, wo sich historische Momente der Vereinsgeschichte wie 2018 die Pressebeschimpfungskonferenz von Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge zutrugen, hatte Nagelsmann pandemiebedingt bislang Woche für Woche nur Videokonferenzen abgehalten.

Diesmal schaute und grinste er vom Podium erstmals in dreidimensionale Gesichter herab, und er sprach passenderweise darüber, wie er sich auf solche Anlässe vorbereitet. "Ich nehme jetzt nicht immer vor 'ner PK einen Zettel und schreibe meine Antworten auf und überlege: Was ist heute der Reißer des Tages? Den bringe ich bei Frage drei." Vielmehr "kommt dann was Spontanes. Das ist dann nicht immer das Cleverste vielleicht".

Der Grund, warum Nagelsmann derart ins Detail ging, hatte eine Vorgeschichte: Antonio Conte, Trainer von Tottenham Hotspur, und Joan Laporta, Präsident des FC Barcelona, hatten sich über ihn geärgert. Im Fall von Conte ging es darum, dass Nagelsmann Spurs-Stürmer Harry Kane "brillant" und "sehr teuer" genannt hatte - und über Spieler anderer Vereine und deren Preise gehört es sich in der Fußballbranche nicht zu sprechen; im Fall von Laporta ging es darum, dass Nagelsmann Barcelonas hohe Ausgaben hinterfragt hatte, von denen die Bayern mit dem lukrativen Verkauf von Robert Lewandowski selbst profitierten - das gehörte sich vielleicht noch etwas weniger. Mit Conte habe er schon telefoniert, "alles in bester Ordnung". Und Barça? "Grundsätzlich habe ich kein Problem damit, dass der Herr Laporta sich dazu äußert."

So beginnt nun also die zweite Saison des Trainers Julian Nagelsmann, gerade 35 geworden, beim FC Bayern: auf spontanem Konfrontationskurs mit zwei Figuren des europäischen Spitzenfußballs. Es ist kein ganz unpassendes Merkmal dieses Sommers beim deutschen Serienmeister.

Ein Sieg gegen Leipzig wäre "ein kleines Statement", sagt Nagelsmann

Wenn die Münchner an diesem Samstag mit dem Supercup bei DFB-Pokalsieger RB Leipzig in die Pflichtspielsaison starten, tun sie das mit einer vereinshistorisch womöglich in einmaliger Weise verstärkten Mannschaft: In Sadio Mané und Matthijs de Ligt kamen zwei teure Profis von europäischen Spitzenteams, in Noussair Mazraoui und Ryan Gravenberch zwei Talente aus Amsterdam, in Mathys Tel ein von den Münchnern höchstpersönlich als Supertalent gepriesener 17-jähriger Stürmer aus Frankreich (der gegen Leipzig wegen einer fehlenden Spielberechtigung für Minderjährige noch nicht eingesetzt werden kann). Und angeblich ist die Einkaufsliste ja immer noch nicht abgearbeitet: Der Leipziger Konrad Laimer steht dort noch drauf. Ob er wirklich in diesem Sommer schon kommt, war am Freitag noch offen.

Es ging in Nagelsmanns Saisoneröffnungspressekonferenz um ein paar detaillierte Saisoneröffnungsthemen. Der Mannschaftsrat ist nach dem Abschied von Robert Lewandowski neu besetzt; wie, verriet der Trainer nicht. Die Ausführung von Elfmetern muss ohne Lewandowski ebenfalls neu geregelt werden. "Es gibt nur die Vorgabe, dass sie sich nicht auf dem Platz schlägern sollen um den Ball", sagte Nagelsmann, was durchaus nach einem Reißer klang, den er sich vorher überlegt haben könnte.

Nagelsmann sprach über die Zugänge, speziell über einen: Mané, 30, habe von allen Neuen "die größten Chancen von Beginn an". Er sei sich sicher, "dass er Samstag ein sehr gutes Spiel machen wird". Der Bayern-Trainer sprach schließlich aber auch über Grundsätzlicheres. "Ich verspüre wenig Druck von außen, weil es geht ja hier nicht um Leben und Tod im Fußball. Man bauscht das immer so extrem auf, Druck und Angst vor Entlassung. Wenn ich irgendwann mal entlassen werde, werde ich entlassen", sagte er.

Und, um noch einen Reißer draufzusetzen, sagte er in Richtung aller TV-Experten: "Ich weiß gar nicht, vor was die mich alle warnen. Irgendwie gibt es wohl apokalyptische Züge. Ein wilder Sturm zieht auf, den ich noch nicht gesehen habe." Der Druck von außen sei ihm "relativ piepegal".

Einer der Experten, die gewarnt hatten, war unter der Woche der frühere Nationalmannschaftskapitän Michael Ballack gewesen: "Wenn man sich die Verpflichtungen anschaut, dann ist es interessant - und daran wird Julian Nagelsmann gemessen werden -, ob er mit der Mannschaft und der Qualität das bestmögliche System findet."

Die Transfers? "Für den Klub wichtig" und "nicht nur für den Trainer"

Nagelsmann ist nun seit mehr als sechs Jahren Bundesligatrainer, mindestens genauso lange wird er als eines der größten Talente seiner Branche bewertet. Doch noch nie, so sind Sätze wie der von Ballack zu verstehen, wurde ein Kader derart hochkarätig nach seinen Vorstellungen zusammengestellt. Und deshalb soll ihm nun bitteschön mehr gelingen als ein Aus im Champions-League-Viertelfinale gegen Villarreal.

Nagelsmann versucht diese Interpretation zwar zu relativieren. Es lese sich immer so, sagte er am Freitag, als wären alle Zugänge nur "wegen mir" geholt worden. Dabei seien die Transfers "für den Klub wichtig" und "nicht nur für den Trainer". Doch nicht zuletzt durch die Abwesenheit eines klassischen Mittelstürmers für die Stammelf ist es unverkennbar, dass der Kader auf Nagelsmanns nicht immer konventionelle Ideen von Fußball zugeschnitten ist.

Die ersten belastbaren Indizien, wie dieser Fußball aussehen soll, könnte es in Leipzig geben. "Ein kleiner Titel", so nannte Nagelsmann den Supercup. Doch es sei wichtig, "ein kleines Statement zu setzen".

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