Nada:Mängel im Januar

Pyeongchang 2018 - Andrea Gotzmann

Andrea Gotzmann, die Vorsitzende der deutschen Anti-Doping-Agentur (Nada).

(Foto: Paul Zinken/dpa)

Die deutsche Anti-Doping-Agentur nahm 350 Proben mit dem manipulationsanfälligen Flaschenmodell und übt heftige Kritik am IOC. Österreichs Nada-Chef fordert: Die Verantwortung für die Kontrollen gehöre "komplett vom Sport" entfernt.

Von Johannes Aumüller

Die deutsche Anti-Doping-Agentur hat im Januar knapp 350 Urinproben genommen, bei denen ein stark manipulationsanfälliges Flaschenmodell ("Geneve") zum Einsatz kam. Das gab die Nada-Vorsitzende Andrea Gotzmann auf einer Pressekonferenz in Pyeongchang am Montag bekannt. Inzwischen sei dieses Modell aber nicht mehr im Einsatz.

Kurz vor dem Start der Olympischen Spiele hatte es weltweit enorme Aufregung um die mangelnde Sicherheit der Flaschen gegeben. Diese waren erst im September von der Schweizer Firma Berlinger auf den Markt gebracht worden. Im Dezember sowie im Januar zeigte sich bei Qualitätskontrollen in verschiedenen Laboren, dass sich zumindest manche Flaschen dieser Produktion auf unbefugte Art öffnen und wieder schließen ließen, ohne dass dies Spuren hinterlassen hätte. Entsprechend mussten sie als manipulationsanfällig gelten. Die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) reagierte nur mit Verzögerung und empfahl Anfang Februar, diese Flaschen nicht mehr einzusetzen und auf das Vorgänger-Modell zurückzugreifen.

Seitdem steht die Integrität des Anti-Doping-Kampfes in den vergangenen Monaten in Zweifel. Diese "Geneve"-Flaschen waren zum Beispiel bei den insgesamt 14 000 vorolympischen Tests der internationalen Taskforce zum Einsatz gekommen, ohne dass bisher bekannt ist, wie oft genau. Für Deutschland liegen diesbezüglich nun Zahlen vor. Von den zirka 350 Proben im Januar hätten sich 16 im Labor unbefugt öffnen lassen, teilte Gotzmann mit. Die Proben seien allerdings nicht von aktuellen Olympia-Starter gewesen.

Die zwischenzeitlich entstandene Unsicherheit sei nicht akzeptabel gewesen, sagte Gotzmann, fand aber zugleich auch: "Wir konnten den Schaden begrenzen." Mario Cepic von der österreichischen Nada, der ebenfalls an der Pressekonferenz teilnahm, vertrat allerdings die Auffassung, dass sich die nationalen Anti-Doping-Agenturen auch hinterfragen müssten: "Man muss selbstkritisch genug sein, dass diese Geschichte gezeigt hat, dass die Qualitätssicherungen von Seiten der Nadas nicht ausreichend waren." In Österreich waren die "Geneve"-Flaschen laut Cepic gar nicht zum Einsatz gekommen, weil es noch einen großen Restbestand an alten Behältern gegeben habe.

Daneben übten die Nada-Chefs heftige Kritik am Verhalten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) im russischen Dopingskandal. Das IOC hatte im Dezember Russlands Olympia-Komitee zwar vorübergehend suspendiert, aber zugleich eine Rückkehr in die olympische Familie in Aussicht gestellt. Zudem lud es 168 extra geprüfte Athleten ein. Dass diese große Gruppe an Sportlern in Pyeongchang unter neutraler Flagge und als "Olympische Athleten aus Russland" (OAR) an den Start gehen durfte, "halten wir für die falsche Antwort auf ein nachgewiesenes Betrugssystem", sagte Gotzmann. Zudem fürchtet sie, dass die Aufarbeitung des Themas rasch beendet sein wird: "Ich habe den Eindruck, es setzt sich eine Schlussstrich-Mentalität durch und der gesamte Kontext nach den Spielen wird ausgeklammert."

Damit spielte sie unter anderem auf den unklaren Umgang der Sportverbände mit einzelnen russischen Athleten an. 45 russische Sportler hatten keine Einladung nach Pyeongchang erhalten, weil es bei ihnen nach Erkenntnissen einer IOC-internen Prüfkommission Zweifel an der Sauberkeit gebe. Da diese 45 Sportler jedoch nicht gesperrt beziehungsweise in zirka einem Dutzend Fällen sogar vom Sportgerichtshof Cas freigesprochen wurden, können sie nach den Spielen wieder am Weltcup teilnehmen. Das sei eine Situation, welche die deutschen Sportler "frustriert", sagte Gotzmann.

Beide Nada-Chefs forderten vom IOC auch mehr Transparenz und mehr Details bezüglich des Ablaufes der 14 000 vorolympischen Tests. Zudem sollte die Welt-Anti-Doping-Agentur eine größere Unabhängigkeit und mehr Befugnisse erhalten. "Der Sport kontrolliert sich selbst", sagte Nada-Austria-Chef Cepic. Die Verantwortung für die Kontrollen gehöre "komplett vom Sport" entfernt.

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