Nachwuchssorgen in der Formel 1:Rentner mit Rennerfahrung gefragt

Michael Schumacher

Die Chance zu einem Comeback beim Großen Preis der USA war gegeben: Formel-1-Rekordweltmeister Michael Schumacher.

(Foto: dpa)

In der Formel 1 werden die Cockpits für 2014 vergeben und es fehlen junge Talente. Der Fehler liegt im System: Den Beruf des Testfahrers, der früher ein Sprungbrett für Hoffnungen wie Sebastian Vettel war, gibt es quasi nicht mehr. Nun ist sogar Rekord-Weltmeister Michael Schumacher wieder begehrt.

Von Elmar Brümmer

Die große Hoffnung der Formel 1 ist 44 Jahre und zehn Monate alt. Der begehrte Mann heißt Michael Schumacher, von Beruf Rentner. Die Chance, dass der Rekord-Weltmeister beim Großen Preis der USA an diesem Wochenende in Austin/Texas (Rennstart So., 20 Uhr) noch mal ein Comeback gegeben hätte, war tatsächlich da. Zumindest gab es ein Angebot des Lotus-Rennstalls, der die ganze Woche über auf der Suche nach einem Ersatz für Kimi Räikkönen war, der am Rücken operiert wurde.

Und, nachdem Schumacher dankend abgelehnt hatte, einem deutlich jüngeren den Vorzug gab: Heikki Kovalainen, gerade erst 32 Jahre alt geworden, eigentlich aber auch schon am Ende seiner Karriere gewesen. Die Casting-Show am Rande zeigt deutlich: Der Top-Motorsport hat offenbar ein Nachwuchsproblem. Ein gewaltiges.

Zwei Rennen als Notnagel, das kann für ein Talent mit Ambitionen wie Nico Hülkenberg, 26, allein keine Option sein. Der hat zwar noch einen Job beim Sauber-Team, wäre aber zu haben gewesen. Doch der - realistische - Wunschkandidat von Lotus wollte in einem unbekannten Rennauto nicht seinen Ruf riskieren, zumindest nicht ohne Vertragsgarantie fürs nächste Jahr.

Hülkenberg glaubt dennoch daran, dass das zwei verschiedene Dinge seien. Mehr als das kann er auch nicht tun. Dass überhaupt solche komplizierten Verzweiflungsaktionen zur Besetzung eines Cockpits in der selbsternannten Königsklasse notwendig sind, liegt am System. Den Beruf des Testfahrers, der früher ein Sprungbrett für Hoffnungen wie Sebastian Vettel oder Fernando Alonso war, gibt es seit den Sparbeschlüssen vor einigen Jahren nur noch auf dem Papier. Besser gesagt: bloß virtuell.

Die wesentlichen Probefahrten müssen bis auf die wenigen Testtage, die noch geblieben sind, in Simulatoren stattfinden. Und auch da haben die Stammfahrer das erste Recht, da die Abstimmung der Fahrzeuge und Reifen so aufwendig und kompliziert geworden ist.

Lotus hat zwar gleich drei Ersatzpiloten nominiert, doch weder Davide Valsecchi, 26, noch Nicolas Prost, 32, haben je eine echte Formel-1-Runde gedreht, und der Belgier Jérôme d'Ambrosio, 27, hat in seinem einzigen Rennjahr 2011 zwar Erfahrungen beim Virgin-Team, aber auch null Punkte gesammelt. Lotus-Teamchef Eric Boullier, dessen Rennstall eine eigene Managementagentur für Fahrer betreibt, schien auch keiner der 15 Schützlinge gut oder bereit genug.

Antworten auf die Generationenfrage finden nur Red Bull und McLaren

"Seit das Testverbot gilt, wissen die Leute gar nicht, wie schwierig es für junge Fahrer geworden ist, sich zu bewähren. Ihnen fehlen einfach die nötigen Kilometer", sagt der Franzose über den Fehler im System, der 2014 milde korrigiert werden soll; dann sind einige Test-Kilometer mehr erlaubt. Die einzigen Testpiloten, die mal bei einem Freitagstraining zum Einsatz kommen, sind meistens Geld-bringende Bezahlfahrer. Oder sie fahren aus PR-Gründen, wie der Amerikaner Alexander Rossi am Freitag auf dem Circuit of the Americas für Caterham. Eine vernünftige Ausbildung sieht anders aus.

Erfahrung sammeln ist schwieriger geworden. Die Zeiten, als Lewis Hamilton Zehntausende McLaren-Probekilometer abspulte und deshalb gleich im ersten Grand Prix Dritter wurde, sind vorbei. Eigene Antworten auf die Generationenfrage findet momentan nur Red Bull, das sich den Talentschuppen Toro Rosso hält, in dem auch Vettel gedrillt wurde, und McLaren mit seiner Nachwuchsstrategie. Den Platz neben Sebastian Vettel bei Red Bull darf im kommenden Jahr Daniel Ricciardo, 24, einnehmen, der seit zweieinhalb Jahren unter Echtbedingungen ausgebildet wird. Für ihn rückt bei Toro Rosso der erst 19 Jahre alte Russe Daniil Kwjat nach.

McLaren wiederum hat in dieser Woche die Trennung des erst zum Saisonstart verpflichteten Mexikaners Sergio Perez, 23, bekannt gegeben, der durch Kevin Magnussen ersetzt wird. Der Däne ist 21 Jahre alt und wurde behutsam durch alle Nachwuchsserien gepäppelt. Seine Berufung ist ein mutiges Zeichen für eine mögliche Trendwende. Weil auch Branchensenior Mark Webber, 37, bei Red Bull seinen Abschied gibt, wird der Altersschnitt der Formel 1 im nächsten Jahr deutlich gedrückt.

Dem im ersten Jahr in einem Top-Team gescheiterten Sergio Perez bleibt nur der Trotz: "Ich muss meinen eigenen Weg finden. Aber ich bin erst 23 Jahre alt und habe diesem Sport noch einiges zu geben." Seine Chance, in der Formel 1 zu bleiben, kann nur in den Milliönchen von seinem eigentlichen Arbeitgeber liegen, dem Telmex-Konzern. Da geht es ihm nicht anders wie seinem Landsmann Esteban Gutierrez, 22, dem einzigen von fünf Neulingen, der in dieser Saison einen WM-Punkt gewann.

Die dramatisch verkürzte Bewährungsfrist macht auch ihm zu schaffen: "Man muss die Balance finden, wie konservativ man sein muss und wie viel Risiko man geht. Und das braucht Zeit. Erst zur Mitte der Saison hatte ich die nötige Erfahrung." In das Schema passt auch die Absicht des Sauber-Rennstalls, traditionell der Lehrbetrieb junger Rennfahrer (Kimi Räikkönen, Felipe Massa), den im Sommer erst 18 gewordenen Russen Sergej Sirotkin einzusetzen.

Doch dessen Einsatz hängt nicht bloß von der Erteilung der Superlizenz ab, für die 300 Kilometer in einem Formel-1-Rennwagen mit ordentlichen Rundenzeiten nötig sind. Teamchefin Monisha Kaltenborn gesteht: "Am Ende entscheiden die Finanzen." Damit ist das größte Talent der Formel 1 derzeit wohl Pastor Maldonado - der 28-Jährige bringt kolportierte 35 Millionen Euro aus der Ölkasse Venezuelas mit.

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