Nachwuchs-Läuferin Gina Lückenkemper:Locker in die Spitze

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Gina Lückenkemper: Über 200 Meter schon ziemlich schnell (Foto: imago sportfotodienst)

Der Bundestrainer rechnet ihr schon jetzt Olympia-Chancen aus. Die 16-jährige Sprinterin Gina Lückenkemper ist eine der größten Nachwuchs-Hoffnungen Deutschlands. Die größte Stärke der 200-Meter-Sprinterin: Sie bleibt so cool, wie es im Juniorenbereich nur selten vorkommt.

Von Saskia Aleythe

Gina Lückenkemper ist extra von Soest nach Regensburg gereist, hat mehrere Stunden Autofahrt für die Gala der Leichtathleten auf sich genommen - und dann fehlen die bunten Glücksschnürsenkel. "Die habe ich sonst immer dabei", sagt Lückenkemper und guckt noch einmal in die offene Sporttasche. Rot, grün, neongelb sind die Exemplare in ihrer Sammlung. Doch alle liegen nun weit weg, zu Hause.

So manchem gestandenen Sportler kann ein vergessener Talisman in Panik versetzen, doch die 200-Meter-Läuferin vom LAZ Soest bleibt gelassen. Lückenkemper ist ohnehin nicht der Typ, der leicht nervös wird. "Diese Lockerheit ist vermutlich auch eine meiner Stärken", sagt sie. Lückenkemper ist 16 Jahre alt und eine der größten Nachwuchshoffnungen Deutschlands, Mitte Juli tritt sie bei der U18-WM in der Ukraine an. Bundestrainer Alexander Seeger findet: "Gina bringt eine hohe Begabung im Sprint mit, wie sie nur ganz wenige haben. Wenn sie nicht viel falsch macht, sehen wir sie bei Olympia wieder."

Bereits im vergangenen Jahr startete Lückenkemper als jüngste Teilnehmerin bei der U20-WM in Barcelona und schaffte es bis ins Halbfinale. "Im Stadion kam ich mir winzig vor", gibt sie zu. Doch auch vor den bisher größten Läufen ihrer Karriere hielt sich die Nervosität in Grenzen.

Ihre unverkrampfte Art macht es Lückenkemper leicht, nicht nur auf der Bahn. Sie gehört einer Generation von Athleten an, die es versteht, sich zu präsentieren. Auf ihrer Facebook-Fanpage folgen ihr mehr als 4000 Leute. Sie bekommen dort Wettkampf-Ergebnisse geliefert - und Fotos, die Gina beim Herumtollen mit ihrem Kater zeigen. "Sonst steht ja immer nur Fußball im Vordergrund, aber durch solche Internetauftritte bekommt man ein bisschen mehr Aufmerksamkeit für die erreichten Leistungen", sagt sie, "auch wenn ich den Sport hauptsächlich für mich mache, ist es schön mal zu lesen: Ich finde das klasse, was du machst".

Dass ihr Hobby zum Leistungssport wurde, ist eher das Produkt glücklicher Fügung als ausgetüftelter Planung. "Ich hätte nie gedacht, dass es mit meiner Leistung mal so nach oben geht", sagt sie und erinnert sich an die Zeit, in der sie vor dem Fernseher die Athleten bei Olympischen Spielen bewunderte: "Dass jetzt überhaupt Leute zu mir sagen: Mensch Gina, du bist gut! Das ist unglaublich."

Nach dem Halbfinale in Barcelona, bei dem sie alle überrascht hat, ist Lückenkemper weiter auf Erfolgskurs. Über 200 Meter läuft die Schülerin der nationalen Konkurrenz immer wieder davon. Lückenkemper ist dieses Jahr die drittschnellste Zeit im Frauenbereich gelaufen, im Juniorenbereich ist sie ohnehin die Nummer eins. Die Norm für die U18-WM hat sie gleich im ersten Wettkampf der Freiluftsaison erreicht.

Sie gehöre nicht zu denen, die viel trainieren, sagt Lückenkemper, "da würde bei mir bestimmt die Leistung runtergehen". Der Tag vor dem Wettkampf gehört allein der Entspannung, "da liege ich den ganzen Tag im Bett und der weiteste Gang ist der zum Kühlschrank".

Nicht viel Training heißt bei Lückenkemper vier Mal pro Woche, einmal davon fährt sie eine Stunde mit dem Zug nach Dortmund, hauptsächlich für das Startblocktraining. "Auf der Fahrt lerne ich auch manchmal, weil mir schnell langweilig wird", sagt Lückenkemper. Sie beendet gerade die Realschule und will danach aufs Gymnasium wechseln. Die Zeugnisvergabe wird sie jedoch verpassen: "Da bin ich schon in der Ukraine".

Bis zur internationalen Meisterschaft reist Lückenkemper durchs Land, mit dem Bundeskader macht sie in Regensburg Station, um auf der Bahn noch ein bisschen Spaß zu haben. "Das steht bei mir immer Vordergrund", sagt sie und so, wie sie sich gibt, kommen dabei kaum Zweifel auf. Konzentriert ist Lückenkemper schon, wenn sie am Startblock steht, doch nach dem Lauf ist sie auch eine der ersten, der wieder das Lachen im Gesicht steht.

Natürlich gibt es auch noch Probleme. Ihre eigene Startphase beschreibt Lückenkemper als "katastrophal". Auch Bundestrainer Seeger habe ihr schlechte Reaktionszeit attestiert, "er hat zu mir gesagt: Starten kannst du ja gar nicht, aber dafür schnell laufen". Trotzdem tritt Lückenkemper auch oft über die 100 Meter an - und ist in Weinheim Ende Mai mit 11,61 Sekunden Bestzeit der deutschen U20 in diesem Jahr gelaufen. "Keine Ahnung, wie ich das gemacht habe", sagt sie und lacht.

In Donetsk misst sich vom 10. Juli an die Weltelite der U18-Junioren. Dort ins Finale zu kommen ist das dritte und letzte Ziel, das sich Lückenkemper für diese Saison noch vorgenommen hat. Bei der U20-EM in Rieti würde sie auch gerne laufen, mit der 4x100-Meter-Staffel hat sie die Norm erfüllt. Doch von einem Doppelstart der 16-Jährigen ist der Deutsche Leichtathletik Verband nicht gerade angetan Harald Bottin, ihr Trainer zu Hause beim LAZ Soest würde sie ohnehin lieber behutsam aufbauen. "Er versucht immer, mich zu beschützen und sagt, da werden noch viele Meisterschaften folgen", sagt Lückenkemper.

In Regensburg präsentiert sich Lückenkemper wie immer unbeschwert. Über 200 Meter schafft sie eine Zeit von 23,59 Sekunden - neue persönliche Bestzeit. Und das ganz ohne Glücksschnürsenkel.

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