Zum Tod von Jair da CostaNur an Garrincha kam er nicht vorbei

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Legendärer Spieler: Jair da Costa.
Legendärer Spieler: Jair da Costa. (Foto: Alessandro Sabattini/Getty Images)

Beim AC Milan wurde er für „zu leicht“ befunden, doch beim Lokalrivalen Inter Mailand zur Legende: Zum Tod von Jair da Costa, einem der besten Rechtsaußen der 1960er-Jahre.

Nachruf von Javier Cáceres, Berlin

Als Brasilien noch Brasilien war, zum Beispiel bei der Fußball-WM 1962 in Chile, konnte sich die Seleção alles leisten. Brasilien konnte verschmerzen, dass ein gewisser Edson Arantes do Nascimento alias Pelé fast das ganze Turnier über verletzt auf der Tribüne saß. Denn es gab ja Garrincha. Und: Es war völlig egal, dass Jair da Costa zu keiner Minute Einsatzzeit kam, gleichfalls wegen Garrincha. Das entsprach einer logischen Überlegung: Garrincha und Jair waren aus ähnlich edlem Holz geschnitzt, Magier der rechten Flanke, nie ermüdende Springbrunnen der Fantasie. Und damit personifizierte Albträume aller Linksverteidiger.

Jair, der am Samstag im Alter von 84 Jahren in seiner brasilianischen Heimat verstarb, debütierte 1960 als Profi bei Portuguesa, einem Klub aus São Paulo. Zwei Jahre später rekrutierte ihn Inter Mailand; er wurde dort zur Legende. Dass ausgerechnet Inters Lokalrivale AC Milan eigentlich schneller gewesen war, von einer Verpflichtung aber absah, weil der legendäre Trainer Nereo Rocco diesen Jair für „zu leicht“ hielt, ist eine nette Anekdote. Sie führte jetzt dazu, dass die interisti in der Stunde seines Todes nicht nur weinen, sondern auch die milanisti aus der Nachbarschaft verspotten.

Von wegen „zu leicht“: Schon bald wurde Jair „la freccia nera“ genannt, als „schwarzer Pfeil“ verehrt, weil seine Dribblings und Flanken von diabolischer Geschwindigkeit und Präzision getragen waren. In den Jahren des italienischen Booms – mit dem Fiat Cinquecento und Popstars wie Adriano Celentano – wurde Jair zu einer der offensiven Schlüsselfiguren des „Grande Inter“ von Trainer Helenio Herrera. Er holte vier italienische Meisterschaften und zwei Europapokale der Landesmeister, beim Finale von 1965 gegen Benfica erzielte Jair das Siegtor zum 1:0. Und zwei Weltpokale. Beim Landesmeister-Finale, das Inter 1967 gegen Celtic Glasgow verlor, stand Jair nicht auf dem Rasen, er wanderte daraufhin für eine einjährige Leihe zur AS Roma ab.

Jair kehrte noch einmal nach Mailand zurück und blieb bis 1972. Sein letztes Spiel für Inter war eine weitere Niederlage im Landesmeister-Finale gegen Ajax Amsterdam und Johan Cruyff. Danach ließ er seine Karriere ausklingen. Erst beim FC Santos an der Seite von Pelé, dann bei einem kanadischen Klub namens Windsor Stars. Es war eine große Karriere. Eine enorme Karriere. Und sie war nur deshalb nicht noch gewaltiger, weil man gegen Schatten keine Chance hat, wenn Garrincha sie wirft. Wenn Garrincha ein Poet des rechten Flügels war, so war Jair ein Prosaist. Aber was für einer.

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