Süddeutsche Zeitung

Nachruf auf Heinz Höher:Viele Wunder

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Der 1. FC Nürnberg trauert um seinen Erfolgstrainer Heinz Höher, der langjährige Bundesliga-Trainer verstarb am Donnerstag. Der Sportjournalist Ronald Reng erzählte sein Leben im Buch "Spieltage".

Von Markus Schäflein

Der langjährige Bundesliga-Trainer Heinz Höher ist tot. Höher, der schon seit Jahren an Parkinson litt, verstarb am Donnerstag im Alter von 81 Jahren. Das gab sein früherer Verein 1. FC Nürnberg am Freitag bekannt. "Unser aufrichtiges Mitgefühl gilt allen Angehörigen und Freunden", schrieb der Zweitligist. Beim Club ist Höher mit dem Aufbau einer legendären Mannschaft in Erinnerung geblieben.

Schon als junger Spieler war Heinz Höher so manchem in der Fußballbranche nicht ganz geheuer gewesen: Er galt als talentiert, aber auch als schwärmerisch, zugleich grüblerisch und verschlossen. Er spielte nur zwei Jahre in der Bundesliga, beim MSV Duisburg, danach in den Niederlanden sowie beim Regionalligisten VfL Bochum. Später wurde Höher Trainer - und er schrieb nach Stationen in Bochum, Düsseldorf und Griechenland Club-Geschichte. Die 5:29 Punkte, die "Heini" in der Rückrunde der Bundesliga-Abstiegssaison 1983/84 holte, sprachen nicht gerade für ihn - und dann rebellierte im Oktober 1984 auch noch die Mannschaft gegen ihn.

Nach einem 1:1 gegen Rot-Weiß Oberhausen trafen sich die Fußballer im Cafe "Dolce Vita" und setzten eine Erklärung auf. Der Spielerrat veröffentlichte das Papier, und Kapitän Udo Horsmann erklärte: "Die Mannschaft war verzweifelt und das Maß voll." Das musste doch wohl reichen, um den Trainer zu vertreiben. 15 Mann verweigerten das Training; die Pressefotos, die Höher mit fünf übrig gebliebenen Jugendspielern zeigen, sorgen international für Aufsehen.

Doch der damalige Nürnberger Präsident Gerd Schmelzer entließ nicht den bis dahin so erfolglosen Übungsleiter, sondern die sechs Wortführer des Aufstands. Der Trainer erreicht die Mannschaft nicht mehr? Dann tauschen wir eben die Mannschaft aus. Klingt heute komisch, und das war es damals auch schon.

Plötzlich mussten neue Spieler her - Nachwuchsakteure wie Stefan Reuter, Hans Dorfner und Dieter Eckstein profitierten von der Situation. Die fränkische Teenagertruppe eroberte die Herzen des Publikums - den verwöhnten und faulen Altprofis, als die die erfolglosen Rebellen der Verein nun darstellt, trauerte keiner hinterher. Und es sollten viele Wunder folgen: Die Neuen schafften mit Höher in derselben Saison noch die Rückkehr in die Bundesliga, und fünf Talente, die Höher in Nürnberg trainierte, wurden später Nationalspieler: Stefan Reuter, Roland Grahammer, Dieter Eckstein, Andreas Köpke, Manfred Schwabl. "Es hatte 20 Jahre vorher keinen Nationalspieler in Nürnberg gegeben und 20 Jahre danach auch nicht. Und ich hatte gleich fünf", sagte Höher später einmal dem Magazin 11 Freunde. "Ich würde mal sagen, das war kein Zufall."

Höher führte die Mannschaft bis in den Europapokal; mit 120 Spielen ist er der Bundesliga-Trainer des 1. FC Nürnberg, der am längsten im Amt war. 1988 wechselte er auf den Manager-Posten beim Club. "Damals kannte man den Begriff Burnout noch nicht", erzählte er, "aber heute würde ich sagen, dass ich das damals hatte. Im Nachhinein wäre es besser gewesen, wenn ich eine richtige Auszeit genommen hätte."

Ein Jahr später wechselte er zu Ittihad Jeddah nach Saudi-Arabien, "aber das war letztlich auch ein großer Irrtum". Nach seiner letzten Trainertätigkeit als Jugendcoach bei der SpVgg Greuther Fürth befand sich Höher im Ruhestand, lebte immer noch in Nürnberg. Er beriet und betreute Nachwuchsspieler wie zum Beispiel Juri Judt.

"Menschen, die ihm begegneten, sagen oft, sie könnten seine Ideen schwer nachvollziehen: Der Heini Höher denke und lebe irgendwie auf einer anderen Ebene", berichtete vor einigen Jahren der Sportjournalist Ronald Reng, der das Buch "Spieltage - die andere Geschichte der Bundesliga" über Höhers Leben verfasste. "Sie glauben, er sei komisch. Ich habe oft das Gefühl, er ist hochintelligent."

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Quelle:
SZ vom 09.11.2019
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