Süddeutsche Zeitung

Nachruf:Abschied aus dem gallischen Dorf

Hockeytrainer Norbert Wolff hinterlässt beim Nürnberger HTC eine große Lücke.

Von Katrin Freiburghaus

Wenn inhabergeführte Geschäfte außerplanmäßig zu bleiben, hat das oft unerfreuliche Gründe. "Wegen Trauerfall geschlossen" - diese Aufschrift prangt dann im Schaufenster, eine Mischung aus Überforderung, Wertschätzung und einer Trauer, die noch nicht weiß, wohin mit sich. Es gibt allerdings Menschen, deren Hinterbliebene wissen, dass ihnen genau das nicht Recht wäre. Im Fall vom am vergangenen Wochenende nach schwerer Krankheit im Alter von 56 Jahren verstorbenen Norbert Wolff wussten das ziemlich viele, denn Wolffs Familie ist groß. Sie umfasst neben der eigenen im Grunde die komplette Hockey-Abteilung des Nürnberger HTC, dessen Bundesliga-Männer er seit 2011 trainierte und in deren jüngerer Geschichte es wenig gibt, womit Wolff nicht verbunden wäre. Deshalb fand die Partie der NHTC-Frauen gegen den Münchner SC in der Hallen-Bundesliga am vergangenen Sonntag wie vorgesehen statt.

Die Münchnerinnen gewannen sie 5:2 (1:1) und sicherten sich den Klassenverbleib. Die Nürnbergerinnen blieben mit zwei Punkten auf dem letzten Platz, haben in den drei ausstehenden Spielen aber durchaus Chancen, Aufsteiger Bietigheim noch abzufangen. Die NHTC-Spielerinnen und ihr Trainer Henry Schneider gaben sich alle Mühe, zu verhindern, dass Wolff passierte, was ihm stets zuwider war: im Mittelpunkt zu stehen. "Eine Spielabsage wäre nie in seinem Sinne gewesen, das haben alle Spielerinnen bestätigt, die ihn schon ihr Leben lang kennen", sagt Schneider.

Dennoch war der Spieltag auch für die Münchner Gäste nur schwer von der Trauermeldung zu trennen. "Die Hockey-Welt hat einen fantastischen Menschen verloren", sagt MSC-Coach André Schriever, "und was er beim NHTC sportlich geleistet hat, wobei er nie Talente von außen bekommen hat, steht außerhalb jeder Diskussion." Wolff war seit 1985 beim NHTC und brachte aus seiner Erstliga-Zeit als Spieler in Stuttgart "die ersten Impulse und Ideen für den Aufschwung mit", wie Marijan Mrkonjic sagt. Der heutige Jugendwart beim Bayerischen Hockey-Verband baute den goldenen Nürnberger Jahrgang um die Olympia-Sieger Maximilian Müller und Christopher Wesley mit auf. Er habe dafür viel von Wolffs Ansätzen übernommen und trainierte Nürnbergs Männer bis 2009.

Wolff betreute beim NHTC zunächst die Frauen, zahlreiche Jugend-Teams und baute die zweite Männer-Mannschaft als Talentpool für die Bundesliga auf, ehe er 2009 als Assistenztrainer bei den Erstliga-Männern einstieg und sie später als Cheftrainer nach einem Zweitliga-Intermezzo in die erste Bundesliga zurückführte. Seit dem vergangenen Sommer wurde er aus gesundheitlichen Gründen von seinem Assistenztrainer Richard Barlow vertreten, mit dem er in engem Austausch stand.

Mrkonjic schreibt Wolff einen immensen Anteil an der andauernden Erstliga-Zugehörigkeit der Nürnberger Männer zu - sowohl sportlich als auch zwischenmenschlich. "Im Amateursport muss man sehr sensibel für die Situation der Spieler sein", sagt er. Wolff habe ein genaues Gespür dafür gehabt, Leistungsanspruch und die Bedürfnisse der Mannschaft auszubalancieren. Während im Hockey anderswo Gehälter bezahlt werden, gibt die finanzielle Situation in Nürnberg einen Profibetrieb unverändert nicht her. Das hinderte Wolff, der hauptberuflich als Anwalt tätig war, jedoch nicht daran, professionelle Strukturen anzustreben.

"Er war hier Videoanalyst, Co-Trainer und Trainer in einem und hat trotzdem noch seinen Mitgliedsbeitrag bezahlt", sagt Müller. Er fügt eine lange Aufzählung positiver Eigenschaften an, die sein ehemaliger Coach in sich vereint habe. Wolff verfolgte die Strategie vom gallischen Dorf, und er füllte diesen Rahmen nicht nur mit Enthusiasmus, sondern auch mit fachlicher Qualität. Dass Wesley noch immer in Nürnberg spielt und Müller bis zum Karriereende nicht wechselte, hing laut Müller entscheidend mit Wolffs Engagement zusammen. "Die Bundestrainer haben uns nie nahegelegt, woanders zu spielen, weil sie wussten, dass er uns weiterentwickelt und Rücksicht auf die Nationalmannschaft nimmt", sagt er.

Wolff sei niemals auf sich selbst fokussiert gewesen, sondern habe "an alle beteiligten Parteien und die Gesamtsituation gedacht", sagt Müller. Am vergangenen Wochenende war die Gesamtsituation vom Deutschen Hockey-Bund über die Bundesliga bis hin zu den Zuschauern in der Nürnberger Halle homogen: traurig.

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SZ vom 07.01.2020
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