Nachholspiel in der dritten Liga:Pleite gegen den Insolvenzklub

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Schön, wenn man mal wieder jubeln darf: Türkgücü ergötzt sich am Derby-Sieg gegen 1860. (Foto: Ulrich Gamel / kolbert-press/Imago)

Immer dieses Olympiastadion: Nach der 1:2-Niederlage gegen Türkgücü schreibt der TSV 1860 den Aufstieg erstmal ab.

Von Christoph Leischwitz, München

Ein bisschen war es wie früher: Im Süden des Olympiastadions standen die Roten, im Norden die Blauen, wobei die Roten diesmal natürlich nur eine kleine Handvoll an Fans aufzuweisen hatte, die dann auch noch "Zieht den Münchnern die Lederhosen aus" sangen - türkischstämmige Fans, die den Humor trotz der drohenden Pleite des Vereins noch nicht verloren haben. Es war das erste Spiel des TSV 1860 München seit dem 20. November, in dem mal wieder richtig Stimmung von den Rängen kam, oder besser: Stimmung hätte kommen können. Denn das Drittliga-Derby endete vor 8350 Zuschauern - davon schätzungsweise 8000 Blaue - mit einer Blamage für den Favoriten: Der insolvenzbedrohte Liga-Konkurrent Türkgücü München gewann 2:1 (0:0), und dieses Ergebnis ging auch in Ordnung.

Für Türkgücü war es der erste Sieg seit Mitte Oktober. Nachdem die neun Punkte für den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht abgezogen sind, steht das Team aktuell auf einem Nicht-Abstiegsplatz. "Ich denke, wir haben verdient gewonnen" sagte Türkgücü-Trainer Andreas Heraf später bei Magentasport, die Spieler seien hochmotiviert gewesen, es gelte sich "zu präsentieren, weil keiner weiß, wie es weitergeht." Die Sechziger haben zum ersten Mal seit dem Weggang von Kapitän Sascha Mölders Anfang Dezember ein Spiel verloren. "Das ist richtig schmerzhaft heute", sagte Sechzig-Coach Michael Köllner, "technisch war es ein sehr schlechtes Spiel von uns", in dem man unnötig viel hinterhergelaufen sei.

Erst ein Einwechselspieler löst den Knoten in einem nervösen Spiel

Für die Löwen ging es in diesem coronabedingten Nachholspiel darum, endlich den Anschluss an die Tabellenspitze zu finden, für die Türkgücü-Akteure war dieses Spiel das vermutlich größte Schaufenster, das ihnen die Saison noch zu bieten hat. Vielleicht auch deshalb hatte Trainer Andreas Heraf diesmal keine Vereins-Trainingsjacke angezogen, sondern einen schicken Mantel zum schicken Schal angezogen. Und er hatte seine Mannschaft gut auf den Favoriten eingestellt: Türkgücü stand zu Beginn weit in der Sechzig-Hälfte, weshalb sich kaum Spielfluss entwickelte und die Löwen immer wieder früh den Ball verloren.

Erst nach 22 Minuten wurde Türkgücü-Keeper Franco Flückiger geprüft, als er einen Schuss von Yannick Deichmann aus dem linken Eck fischte. Wenig später schloss Dennis Dressel einen Fernschuss zu hastig ab, und damit war eine kurze Sechzig-Drangphase auch schon wieder beendet. Die beste Möglichkeit der ersten Halbzeit hatte auf der anderen Seite Albion Vrenezi, als er mit einem Haken nach innen Quirin Moll stehen ließ und das ferne Eck knapp verpasste (29.).

Auch nach der Pause hatten die Gastgeber die gefährlicheren Abschlüsse. Albion Vrenezi traf nach Vorarbeit des eingewechselten Philip Türpitz das Außennetz (51.), Sechzigs Kevin Goden prüfte Flückiger (53.) mit einem zu zentral geratenen Schuss. Ein Einwechselspieler löste dann den Knoten in einem insgesamt sehr nervösen Spiel: Eric Hottmann legte sich den Ball selbst auf und traf vom Strafraumrand mit einem Seitfallzieher (77.). Mit diesem Treffer könnte Türkgücü den Sechzigern sogar noch das Tor des Monats wegnehmen, nachdem Richard Neudecker vergangenen Samstag beim SV Meppen (1:1) ein Traumtor erzielt hatte.

Den seltenen Platz für Konter nutzte Türkgücü zur Entscheidung, Hottmann holte einen etwas umstrittenen Elfmeter heraus, den der eingewechselte Sercan Sararer verwandelte (85.). Neudecker gelang in der 90. Minute zwar noch der Anschlusstreffer nach einem Sololauf, doch wie in der regulären Spielzeit kam auch in der Nachspielzeit von Sechzig viel zu wenig. "Mit Aufstieg brauchen wir uns erstmal nicht beschäftigen", befand Köllner. Die Sechziger werden nun ein bisschen hoffen, dass Türkgücü den Spielbetrieb nicht bis zum Ende der Saison aufrechterhalten kann. Dann nämlich würden alle Partien aus der Wertung genommen.

Der ungewissen Zukunft zum Trotz feierten die Spieler in den roten Trikots mit ihren Anhängern neben der Südkurve. Es handelt sich zwar um einen anderen Verein als früher, doch bei so vielen jubelnden Roten wussten viele Sechzig-Fans dann auch wieder, warum sie das Olympiastadion noch nie so richtig gemocht haben.

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