Nachfolger von Fredi Bobic:Menschenfänger am Main

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Markus Krösche, Sportdirektor bei RB Leipzig, wechselt zu Eintracht Frankfurt. (Foto: Uwe Anspach/dpa)

Der Leipziger Markus Krösche wird neuer Sportvorstand bei Eintracht Frankfurt. Seine erste Aufgabe: einen Trainer suchen. Als Favorit gilt der Wolfsburger Oliver Glasner .

Von Frank Hellmann, Frankfurt

Gleich hinter Tor 3, der großen Zufahrt zur Frankfurter Arena, nimmt die Zukunft eines ambitionierten Fußball-Bundesligisten konkrete Formen an: Der Neubau der Geschäftsstelle von Eintracht Frankfurt mitsamt Proficampus schreitet rasch voran. Von Sommer an sollen auf dem Gelände der ehemaligen Tennisanlage fast 250 Mitarbeiter und die Lizenzspieler-Abteilung ein neues Zuhause finden. Und nun steht auch fest, wer dann dem sportlichen Bereich vorstehen wird: Markus Krösche wird vom 1. Juni an neuer Sportvorstand von Eintracht Frankfurt. Die Nachfolge des zu Hertha BSC wechselnden Baumeisters Fredi Bobic hat der Aufsichtsrat offenbar einstimmig geklärt. Krösche, 40, erhält einen Vier-Jahres-Vertrag beim Champions-League-Anwärter. "Seine Verpflichtung ist ein absoluter Volltreffer für unseren Verein", sagte der Aufsichtsratsvorsitzende Philip Holzer, der mit dem gerade bei RB Leipzig ausgestiegenen Sportdirektor schnell handelseinig wurde.

Krösches Verpflichtung begleitet gleichwohl ein wenig Widerspruch. Kein Verein wird bis hinauf in die höchste Frankfurter Führungsetage so kritisch betrachtet wie Krösches ehemaliger Arbeitgeber RB. Eintracht-Präsident Peter Fischer ließ nicht erst eine öffentliche Wutrede auf das Red-Bull-Konstrukt ab, und auch bei Vorstandssprecher Axel Hellmann sind die Vorbehalte verbürgt. Folglich waren die beiden Frontmänner überaus skeptisch, als sich Holzer kürzlich mit Leipzigs langjährigem Projektleiter Ralf Rangnick traf. Beim persönlichen Meinungsaustausch vor zweieinhalb Wochen reifte rasch die Erkenntnis, dass man nicht zusammenpasst.

Kurz danach drangen dann pikante Details an die Öffentlichkeit: dass Frankfurts Torjäger André Silva eine Ausstiegsklausel besitze zum Beispiel, und dass der fürs Team wichtige Vorlagengeber Filip Kostic die mündliche Zusage für einen Wechsel habe. Holzer zeigte sich über "falsch wiedergegebene Gesprächsinhalte irritiert", die er auf der Rangnick-Seite verortete. Mit Krösche verstand sich der ehemalige Aktienchef von Goldman Sachs offenbar deutlich besser, er spricht über den RB-Mann von einem "Menschenfänger im positiven Sinne".

Für die abwandernden Bobic und Hütter kassiert die Eintracht Millionen - und liegt damit im Trend

Der gebürtige Hannoveraner Krösche bringt eine facettenreiche Vita mit in die Mainmetropole. Als Spieler gewann er 1999 mit Werder Bremen die A-Jugend-Meisterschaft, zu den Bundesligaprofis schaffte er es aber nicht. Dennoch fiel dem heutigen Werder-Präsidenten Hubertus Hess-Grunewald schon damals auf, wie aufmerksam sich der Mittelfeldspieler für die Gemeinschaft einsetzte. Im Sommer 2005 wechselte Krösche zum SC Paderborn, wurde dort Rekordspieler, beendete 2014 die Karriere mit dem ersten Bundesligaaufstieg. Parallel schloss er ein BWL-Studium ab, gründete mit seiner Frau eine Autoleasing-Firma und machte bald noch seinen Fußballlehrer. Bis er für sich - da bereits als Geschäftsführer beim SC Paderborn - feststellte: "Sportdirektor zu sein, macht mir am meisten Spaß." Und weil der Manager-Novize Krösche am Durchmarsch der Ostwestfalen von der dritten Liga bis in die Bundesliga großen Anteil hatte, ereilte ihn 2019 der Lockruf aus Leipzig. Doch einige Umstrukturierungen bei RB behagten Krösche nicht, eine Beschneidung seiner Kompetenzen wollte er nicht dulden - vergangene Woche einigte man sich auf eine Vertragsauflösung.

Zwei Baumeister, die die Eintracht verlassen: Trainer Adi Hütter (links) geht nach Gladbach, Manager Fredi Bobic zu Hertha BSC. (Foto: Arne Dedert/dpa)

In Frankfurt muss er nun damit klarkommen, dass die Corona-Krise tiefe Schneisen gezogen hat: Der Umsatz ist um fast die Hälfte geschrumpft, für die Absicherung der Infrastrukturprojekte brauchte es eine Landesbürgschaft. Immerhin: Da Dortmund und Leipzig im Pokalfinale stehen, hat die Eintracht einen Europa-League-Startplatz schon mal sicher.

Nun muss als nächstes nur noch ein neuer Trainer gefunden werden, da auch Adi Hütter (zu Borussia Mönchengladbach) seinen Abschied eingereicht hat. Der Name Roger Schmidt kann von der Kandidatenliste gestrichen werden, Schmidt hat seinen Verbleib bei PSV Eindhoven bestätigt. Die Indizien verdichten sich, dass die Spur zu Oliver Glasner (VfL Wolfsburg) führt. Vermutlich wird mit Hütters österreichischem Landsmann konkret verhandelt, sobald dieser beim Werksverein seinen Wechselwunsch hinterlegt. Eine Ausstiegsklausel mitsamt Ablöse wäre trotz Corona-Sparzwang kein großes Problem für die Eintracht, die allein für die abwandernden Architekten Bobic und Hütter zusammen rund zehn Millionen Euro Entschädigung kassiert. Die Glasner-Rochade würde auch gut zum aktuellen Zeitgeist der Bundesliga passen, wo Trainer und Manager die Spieler als Spekulations- und Tauschobjekte abgelöst haben.

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