Nachfolger von Theo Zwanziger:Niersbach oder neue Zerreißprobe

Vor der DFB-Sitzung macht das Gerücht die Runde,Theo Zwanziger wolle nun doch nicht zurücktreten - dabei hatte es lange so ausgesehen, als stünde mit Wolfgang Niersbach bereits ein Nachfolger fest. Der DFB könnte nun am Mittwoch, statt die Zukunft neu zu ordnen, auch vor einer gewaltigen Zerreißprobe stehen.

Thomas Kistner

Dieser Mittwoch wird ein spannender Tag für den deutschen Fußball und dessen Noch-Präsidenten Theo Zwanziger. Zum einen wird vor dem Stuttgarter Oberlandesgericht eine neue Runde in dem Beziehungsstreit zwischen dem einstigen DFB-Funktionär Manfred Amerell und dem ehemaligen Fifa-Schiedsrichter Michael Kempter eingeleitet - die Affäre hält auch Zwanzigers Verband seit Monaten in Atem.

Beckenbauer fuer Niersbach als Zwanziger-Nachfolger

Soll DFB-Präsident werden: Wolfgang Niersbach.

(Foto: dapd)

Vor allem aber findet am Mittwoch ein außerordentliches Treffen des DFB-Präsidiums mit den Landesverbänden statt. Bei dieser Gelegenheit wird sich nach SZ-Informationen Wolfgang Niersbach offiziell bereiterklären, die Nachfolge Zwanzigers anzutreten. Schon im März oder April 2012 könnte die vorgezogene Präsidentenwahl stattfinden. Als Favorit für das Amt des DFB-Generalsekretärs, das Niersbach dann freimachen müsste, wird derzeit Helmut Sandrock gehandelt, der Direktor Spielbetrieb im DFB.

Niersbach, 61, wäre dann schon ein halbes Jahr früher der neue Chef, als Zwanziger das Amt eigentlich aufgeben will. Zwanziger warnte zwar im Hessischen Rundfunk vor Eile: "Noch bin ich da. Und ich will eine saubere Nachfolge-Lösung haben, eine, die der deutsche Fußball verdient hat", erklärte er.

Dass sich nun dennoch eine auffallend schnelle Neuordnung abzeichnet, ist vor allem auf das als ungeschickt eingeschätzte Vorgehen Zwanzigers am vergangenen Wochenende zurückzuführen. Da hatte der DFB-Präsident, für den gesamten Fußballbetrieb überraschend, seinen Rückzug für Oktober 2012 angekündigt, weil er persönliche Herausforderungen angeblich nur noch in seinen Aufgaben als Vorständler beim Europa-Verband Uefa sowie beim Weltverband Fifa sieht.

Nicht nur diese Sichtweise verwunderte viele. Sondern auch Theo Zwanzigers Wunschnachfolger, der am Sonntag auf die Bühne trat: Erwin Staudt, der frühere IBM-Manager und Präsident des VfB Stuttgart. Ein Mann also, der aus dem Profigeschäft kommt. Am Dienstagabend erklärte Staudt nach anfänglich inzeressierten Äußerungen, er werde aber nur kandidieren, falls Niersbach nicht antritt.

Mit Irritation wurde der Vorstoß nicht nur bei den Landesverbänden, sondern auch bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL) registriert. Nach SZ-Informationen wurde bei einer Zusammenkunft der Landes-Präsidenten am Montag bereits ein klares Stimmungsbild pro Niersbach ermittelt.

Rücktritt vom Rücktritt?

Auch der Noch-Präsident war rasch wieder von Staudt abgerückt. Zwanziger steckt bereits erkennbar in der Rolle der lame duck - und muss sich überlegen, ob es klug wäre, sich mit dem künftigen starken Mann im DFB anzulegen. Denn zur Diskussion dürfte, wenn die Nachfolge geklärt ist, auch Zwanzigers Fifa-Job stehen. Zwar ist dieses Amt an die Person gebunden und läuft noch bis 2015. Doch ohne den DFB und dessen neuen Chef im Rücken wird es für Zwanziger noch schwieriger werden als bisher, im Reiche Sepp Blatters zu bestehen.

Spannungen zwischen dem Fifa-Chef Blatter und seinem Vorstandsneuling Zwanziger werden schon jetzt offenbar. Am Montag berichtete der kicker, was Zwanziger in der Fifa besonders im Visier habe: die Aufklärung der zwielichtigen Vergabe der WM 2022 an Katar.

Das wäre gewiss ein lohnendes Projekt für Ermittlungen, doch richtet Blatter die Fifa gerade - mit wachsendem Glaubwürdigkeitsproblem - auf die Zukunftsarbeit aus. Insofern deuteten Szenekenner die schwere Breitseite Blatters gegen das deutsche Schiedsrichtersystem vom Montag als klare Retourkutsche des Fifa-Chefs gegen Zwanzigers öffentlich vermarkteten Reformeifer. Schließlich hat Zwanziger das DFB-Schiedsrichterwesen direkt seiner Zuständigkeit unterstellt.

Bisher sind auch die deutschen Spitzen-Referees nebenbei noch berufstätig, sie pfeifen quasi in der Freizeit. Doch Blatter will schon zur WM 2014 in Brasilien nur noch Profi-Referees zulassen. "Das ist ein Problem, dass man in Deutschland anpacken muss", sagte Blatter in Bild, "da geht es auch um Existenzängste. Die Italiener, Franzosen, Engländer - sie alle machen es richtig." Die Deutschen machen es aus Blatters Sicht im Schiedsrichterwesen demnach falsch .

Da wartet nun also eine Mammutaufgabe auf Theo Zwanziger, wenn er zum Brasilien-Turnier - wie bisher bei Weltmeisterschaften üblich - ein deutsches Schiedsrichtergespann schicken will. Für die Katar-Recherche als Fifa-Fahnder dürfte demnächst eher wenig Zeit bleiben. Vielleicht hatte all das zu einem jähen Umdenken bei Zwanziger geführt.

Dienstagnacht glühten plötzlich die Drähte unter DFB-Offiziellen, als eine bizarre Mitteilung die Runde machte: Zwanziger habe den Rücktritt vom Rücktritt erklärt. Weil dem Noch-Präsidenten, wie jüngst zu sehen, jede Art Alleingang zuzutrauen ist, könnte der DFB am Mittwoch, statt die Zukunft neu zu ordnen, auch vor einer gewaltigen Zerreißprobe stehen.

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