Nach Hockenheim:Wunder und Rätsel

Ferrari siegt wieder und Renault ist verunsichert: Der Rekord-Weltmeister Schumacher nervt den amtierenden Weltmeister Alonso.

Elmar Brümmer

Es mag kein direkter Zusammenhang zwischen dem Verbot der umstrittenen Schwingungstilger und den veränderten Kräfteverhältnisse in der Formel 1 bestehen. Aber nach dem ernüchternden Ergebnis des Großen Preises von Deutschland könnte ein solches Hilfsmittel den Franzosen gut tun, damit sie die jüngsten Erschütterungen abpolstern können.

Alonso

Für Weltmeister Alonso wird es langsam knapp

(Foto: Foto: dpa)

Was Ferrari durch den Doppelerfolg von Michael Schumacher und Felipe Massa auf dem Hockenheimring vorführte, war mehr als eine Demonstration. Es war eine Demontage. "Wir haben eine psychologisch wichtige Schwelle überschritten", sagt Ferrari-Stratege Ross Brawn. Innerhalb von knapp fünf Wochen haben sich die Machtverhältnisse in einer entschieden geglaubten Weltmeisterschaft damit umgekehrt. Von Fernando Alonsos 25-Punkte-Vorsprung zur Saisonhalbzeit sind drei Ferrari-Siege später nur noch elf Zähler übrig geblieben. Ihn einzuholen wird immer noch schwierig für Schumacher, aber es ist längst nicht mehr unmöglich.

Das Wunder Ferrari ist auch ein Rätsel Renault. Die Reifen sind immer ein Argument und angesichts der Blasenlandschaft auf den Hinterrädern der Autos des Fünftplatzierten Alonso und des Tagessechsten Giancarlo Fisichella sicherlich auch ein entscheidender Faktor für den Leistungsschwund. Michelins Sportchef Neil Shorrock macht eine "zu aggressive Vorgehensweise" als Fehler im System aus. Was vom Druck zeugt, der auf dem Projekt Titelverteidigung liegt.

Stillstand ist Rückschritt

Diese Verschleißerscheinungen allein können aber nicht der Grund sein. Renault scheint in dem Moment, in dem in Maranello die innere Ruhe eingekehrt ist, unerklärlich aus dem Takt geraten zu sein. Offenbar scheint das Entwicklungspotenzial der Franzosen momentan ausgereizt zu sein, während die italienische Konkurrenz nach intensiven Tests einen Fortschritt nach dem anderen macht, in Magny-Cours mit überarbeiteter Aerodynamik und erhöhter Motorkraft antrat und in Hockenheim noch eins draufsetzte. Pro Runde lag zwischen Rot und Blau gelegentlich ein Unterschied von drei Sekunden. Prognosen sind in dieser Saison besonders schwer, weshalb auch Ferrari sich noch nicht endgültig auf der sicheren Seite wähnen kann. Aber die Italiener wissen, dass sie jetzt das ausnutzen müssen, was man im Fußball "einen Lauf" nennt.

Erstmals in dieser Saison wirkte Renault-Teamchef Flavio Briatore fassungslos und hat in den Fabriken von Viry-Chatillon und Enstone für diese Woche Krisensitzungen unter dem Stichpunkt "Neustrukturierung" angesetzt. Dort weiß man nur eine Entschuldigung für den weiteren Machtverlust ins Feld zu führen: Als Titelverteidiger habe man auf so hohem Niveau die Saison begonnen, dass zwangsläufig die Weiterentwicklung nicht so sprunghaft geschehen könne wie bei den Aufholjägern.

Unter Formel-1-Ingenieuren gilt aber: Stillstand ist Rückschritt. Man kann es allerdings auch so sehen: Die Unsicherheiten über die Zukunft der Teamführung, bei den Finanzen, der Fahrerbesetzung und dem vor dem Rückzug stehenden Reifenlieferanten wirken nicht beschleunigend. Fernando Alonso warnt nach dem Verlust von sechs weiteren Punkten seines Vorsprungs: "Wenn wir so weitermachen, herrscht in drei oder vier Rennen Gleichstand." Sechs sind es insgesamt noch.

Eine Lösung, aber schnellstens

In seinem Willen, zum Ende dieser Saison das auszutragen, was ihm bei seiner Entthronung im Vorjahr durch das eigene Reifendebakel versagt wurde, nämlich den Generationenkonflikt der Formel-1-Piloten Mann gegen Mann mit gleichem Gerät auf der Strecke, setzt Rivale Michael Schumacher begleitend auf psychologische Spielchen. "Druck schadet in dieser Situation nie", sagt er mit Blick auf die Fehler bei Renault und Alonso, der in Hockenheim zweimal ins Grüne ausritt. Flavio Briatore weiß um die wachsende Nervosität und befiehlt Gelassenheit: "Das Entscheidende nach diesem schwierigen Wochenende wird sein, dass wir ruhig bleiben. Schließlich sind wir immer noch die, die führen."

Renaults Chefingenieur Pat Symonds hatte es deshalb besonders eilig, das Motodrom zu verlassen. Dass er dabei leicht gebeugt wirkte, hatte nur mit dem Koffer zu tun, den er hinter sich her zog. Der Brite weiß, dass er schnellstens eine Lösung braucht, schon am kommenden Wochenende folgt in Budapest das erste Rennen des entscheidenden Saison-Drittels. Er sagte: "Wir wussten schon eine Stunde nach dem Rennen, dass es ein Zusammenspiel von Problemen ist, die uns geplagt haben. Wir haben heute so viel gelernt, dass wir Tage beschäftigt sein werden." Doch es herrscht jetzt eine fünfwöchige Testpause in der Formel 1.

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