Nach dem Unfall von Sarah Burke:Tod eines unbeschwerten Mädchens

Freestyle-Skifahrerin Sarah Burke war nicht nur eine Pionierin ihres Sports - sondern auch maßgeblich dafür verantwortlich, dass zwei Freestyle-Disziplinen ab 2014 olympisch sind. Jetzt ist Sarah Burke an den Folgen eines Trainingssturzes gestorben. Dem Todesfall folgt natürlich eine Sicherheitsdebatte.

Thomas Hahn

Der 540 ist immer eine Routine-Übung gewesen für die Freestyle-Skifahrerin Sarah Burke. Sprung mit eineinhalb Drehungen - keine Schwierigkeit für eine wie sie, die Freeski-Pionierin und sechsmalige X-Games-Gewinnerin aus Kanada. Und gerade deshalb steht die Szene nun vor diesem Unglück und versteht die Welt nicht mehr. Wie konnte es passieren, dass die erfahrene Sarah Burke, 29, nach diesem harmlosen 540-Grad-Sprung beim Training in der Halfpipe von Park City am Dienstag vergangener Woche so schlimm auf dem Eis aufschlug, dass sie nach neun Tagen im Koma an diesem Donnerstag an den Folgen des Sturzes gestorben ist?

Canadian Sarah Burke died from injuries of a training fall

Momentaufnahme eines Leistungs- und Risikosports: Die Kanadierin Sarah Burke beim Freestyle-Weltcupfinale 2008 in Chiesa Valmalenco.

(Foto: dpa)

Sarah Burke ist eine sehr große Dame ihres Sports gewesen. Sie prägte ihn nicht nur mit ihren sportlichen Leistungen, sondern auch mit der Art, wie sie sich für ihren Sport stark machte. Zu Beginn ihrer Karriere fuhr sie bei Männer-Contests mit, weil es noch keine für Frauen gab. Sie half bei der Nachwuchsförderung mit als Mentorin und Trainerin, und sie kämpfte aktiv um Anerkennung auf höchster Ebene.

Auch ihrer Lobby-Arbeit war es zu verdanken, das die Disziplin Ski-Slopestyle für Frauen ins Programm des Actionsport-Festivals X-Games rückte. Und dass die Freeski-Disziplinen Halfpipe und Slopestyle 2014 in Sotschi erstmals olympisch sind, hat ebenfalls mit der Werbearbeit von Sarah Burke zu tun. "Sarah war jemand, die auf eine sehr positive Art Widerständen gegenüber trat und fragte: Warum nicht?", sagt Peter Judge, Geschäftsführer des kanadischen Freestyle-Teams der Nachrichtenagentur AP.

Olympia ist nicht ganz unumstritten unter Freeski-Fahrern, weil die Spiele-Teilnahme Einschränkungen und strengeren Wettbewerb mit sich bringt. Aber Sarah Burke sah vor allem die Möglichkeiten, die sie und andere auf der großen Bühne erwarteten. Für Sotschi galt sie als Gold-Favoritin.

Sarah Burke ist eine ziemlich einnehmende Persönlichkeit gewesen. "Unbeschwert und zugänglich" nennt sie Judge, und auch die deutsche Freeskifahrerin Caja Schöpf erlebte Sarah Burke als eine Frau, "die viel positive Energie ausstrahlte". Caja Schöpf kannte Sarah Burke nicht sehr gut, bei Wettkämpfen hat sie sie vor allem erlebt, und da fiel ihr auf, "dass sie immer ein Lächeln auf den Lippen hatte und für jeden ein freundliches Wort hatte. Ein richtiger Sonnenschein."

Caja Schöpf sagt über Sarah Burke: "So erfolgreich sie auch war, und es gibt keine, die bisher erfolgreicher war und im Frauen-Freestyle so viel bewegt hat, sie schien die Bodenhaftung nie verloren zu haben."

Halfpipes werden immer größer

Dem Todesfall folgt natürlich eine Sicherheitsdebatte. Vor zwei Jahren stürzte in derselben Halfpipe in Park City, in der jetzt Sarah Burke so fatal zu Fall kam, der US-Snowboarder und Olympia-Mitfavorit Kevin Pearce schwer. Schädel-Hirn-Trauma, Lebensgefahr, harter Weg zurück ins Leben und zum Freizeit-Snowboarden. Damals galt sein Sturz als Symptom für die Tatsache, dass der Wettbewerb in der Halfpipe derart zugelegt habe, dass die Fahrer mit ihren Tricks immer höhere Risiken eingehen. Und bei Sarah Burke?

Es stimmt, dass die Halfpipes mit den Jahren größer geworden sind, dass so eine Schneeröhre eisharte Kanten hat, dass der Sport sich auch im Zuge des schärferen Wettbewerbs entwickelt hat und die Tricks anspruchsvoller geworden sind. Längst gibt es deshalb die Helmpflicht in der Halfpipe und Trainingsmöglichkeiten mit Luftkissen oder Schnitzelgruben zur weichen Landung. Aber nach allem, was bekannt ist, ist Sarah Burke eben gar nicht bei einem besonders wilden Trick so hart aufgeschlagen.

Die Tragödie ist wohl tatsächlich eine Tragödie gewesen, zu unwahrscheinlich, als dass man ihr wirklich hätte vorbeugen können. "Die Art, wie sie landete, war mehr wie eine Laune der Natur", sagt Peter Judge, "der Winkel, in dem sie aufschlug, muss genau so gewesen sein, dass er einen sehr seltsamen Umstand hervorbrachte." Auch Caja Schöpf sagt: "Was jetzt passiert ist, würde ich als extremes Pech bezeichnen."

Kein Sport ist zu unterschätzen, in dem der Mensch schneller wird, als er das aus eigener Kraft sein kann. Das Element Schnee und Eis bringt ihn so in Fahrt und ist gleichzeitig so hart, dass Stürze in jedem Wintersport böse enden können. Gerade die Bilder-Produzenten des US-Senders ESPN, welche die ebenso prestigeträchtigen wie kommerziellen X-Games veranstalten, schienen in der Vergangenheit manchen Slopestyle-Kurs für die Action auch mal etwas zu heftig anzulegen. Aber im Grunde beanspruchen die Freestyler für sich, das Risiko selbst sehr ernst zu nehmen.

"Leistungs- und Risikosport bringen immer größere Risiken mit sich, und die Athleten sind sich dieser Gefahr auch bewusst", sagt Caja Schöpf, "man muss aufpassen, dass man Freeskiing hier keine Sonderstellung in puncto Gefahr gibt." Und Sarah Burke dürfte das ähnlich gesehen haben. 2009 brach sie sich beim Slopestyle-Contest der X-Games einen Wirbel. Später sagte sie: "Das gehört dazu. Jeder verletzt sich mal."

Ein "irreversibler Gehirnschaden wegen Sauerstoff- und Blutmangels infolge eines Herzstillstand" sei die Todesursache gewesen, ließ die Familie von Sarah Burke mitteilen. Zurück bleiben Ehemann Rory Bushfield, ebenfalls ein Freeskifahrer, sowie die Eltern Jan und Gordon. So wie Sarah Burke es wollte, werden ihre Organe und ihr Gewebe zur Spende freigegeben.

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