Witalij Mutko in Russland:Der Schattenpräsident der WM

Witalij Mutko in Russland: Nah an der Nationalmannschaft: Witalij Mutko im Quartier der Sbornaja in Nowogorsk.

Nah an der Nationalmannschaft: Witalij Mutko im Quartier der Sbornaja in Nowogorsk.

(Foto: AFP)
  • Wegen seiner Verwicklung in das russische Staatsdoping lässt Witalij Mutko sein Amt als Präsident des russischen Fußballverbands gerade ruhen.
  • Doch bei der WM taucht er immer wieder auf, zeigt sich mit der russischen Mannschaft oder plaudert mit dem früheren Fifa-Präsidenten Sepp Blatter.
  • Sein Einfluss auf Politik und Sport ist noch immer immens.
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Von Johannes Aumüller, Samara

Witalij Leontjewitsch Mutko kann schlagfertig sein. Der 59-Jährige kommt bisweilen im Quartier der russischen Nationalmannschaft in Nowogorsk vorbei, und als er dort in der vergangenen Woche zu Besuch war, mit dem Trainer Stanislaw Tschertschessow scherzte und dem verletzten Mittelfeldspieler Alan Dsagojew zum Geburtstag gratulierte, fragte ihn ein Journalist, in welcher Funktion er eigentlich hier sei.

Und Witalij Mutko antwortete: "als Mensch". Mutko ist eine ungewöhnliche Figur im globalen Sport. Er ist ein Vertrauter von Staatspräsident Wladimir Putin aus dessen Petersburger Zeit Anfang der Neunziger. Jahrelang vereinte er so viele politische und sportpolitische Ämter auf sich, dass sie sich in einem vernünftigen Rahmen kaum alle auflisten ließen. Unter anderem war er der Mann, der bei dieser WM der Cheforganisator und so etwas wie der nach Putin oberste Gastgeber sein sollte. Dann wurde er international zum politischen Gesicht des jahrelangen Staatsdopings, weil Russlands Sportministerium unter Mutkos Verantwortung den flächendeckenden Betrug orchestrierte.

Im Dezember sperrte ihn das Internationale Olympische Komitee (IOC) lebenslang vom Besuch Olympischer Spiele. Kurz danach teilten Mutko und Russlands Fußball-Verband RFS mit, dass er das nationale Präsidentenamt für sechs Monate ruhen lasse; er wolle diese Zeit für ein Verfahren vor dem Internationalen Sportgerichtshof (Cas) in Lausanne gegen seine Olympia-Sperre nutzen. Seit Mai ist er innerhalb der russischen Regierung nicht mehr für den Sport zuständig, sondern stellvertretender Premier für den Bau-Sektor und die Entwicklung der Regionen.

Heißt das nun also, dass dieser Witalij Mutko mit dem Sport und dem Fußball nichts mehr zu tun hat? Von wegen.

Die Fifa listet Mutko als obersten Ehrengast auf

Immer wieder taucht Mutko in diesen Tagen auf, nicht nur im Quartier der Sbornaja in Nowogorsk, einer Stadt in der Nähe von Moskau. Auch auf der Ehrentribüne in den WM-Stadien ist er zu sehen, bei der Partie zwischen Argentinien gegen Island etwa listete ihn das Protokoll des Weltverbandes als obersten Ehrengast und Vertreter der russischen Regierung auf. Oder in einem Moskauer Nobelhotel: In der vorigen Woche spazierte Mutko mit dem früheren Fifa-Präsidenten Sepp Blatter, 82, der sich immer noch als legitimer Fifa-Regent sieht, aus dem Gebäude - nach einem natürlich rein privaten Treffen.

Es ist auch nicht so, dass sich Mutko mit Wortbeiträgen groß zurückhält. Zum Beispiel wenn es um das internationale Erstaunen über Russlands viele Laufkilometer bei der WM im eigenen Land und um internationale Forderungen nach mehr Dopingtests geht, meldet er sich sofort. Sinngemäß klingt seine Stellungnahme dann so: Wir sind schon so oft kontrolliert worden. Unsere Spieler sind Tag und Nacht bereit, Proben abzugeben. Aber vielleicht sollten Sie das auch mal andere Mannschaften fragen, die sehr viel laufen.

Das klingt alles recht vertraut, nach nun schon dreieinhalb Jahren Dopingskandal mit andauernden Giftereien von seiner Seite. Aber in welcher Funktion macht Mutko das nun alles? Tatsächlich "als Mensch"?

Mutko sitzt noch immer auf einem wichtigen Regierungsposten

Es ist natürlich etwas komplizierter im russischen Sport. Die Mitteilung aus dem Dezember, dass Mutko sein Amt als Präsident des russischen Verbandes ruhen lasse und dass interimistisch der Generalsekretär Alexander Alajew die Geschäfte führen soll, war jedenfalls nicht so eindeutig, wie es den Anschein hat. Mutkos Gegner in den Reihen der russischen Fußballpolitik argumentieren, dass die Satzung einen vorübergehenden Amtsverzichtes gar nicht vorsieht. Es gebe nur die Möglichkeit, komplett zurückzutreten - oder eben gar nicht. Bemerkenswerterweise führt die offizielle Internetseite des Verbandes Mutko immer noch als den Präsidenten. Mutko steht, juristisch gesehen, also immer noch an der Spitze des RFS.

Von daher kursieren in Russland nun zwei Varianten. Entweder möchte Mutko nach der WM ganz offiziell wieder in das Präsidentenamt zurückkehren. Oder aber der RFS verändert seine Strukturen und schafft ein neues Gremium, eine Art Aufsichtsrat, der über dem Tagesgeschäft thront - und Mutko übernimmt den Vorsitz dieser neuen Runde.

Zudem sitzt Mutko noch immer auf einem wichtigen Regierungsposten. Zwar notierten russische Journalisten, wie Ministerpräsident Dmitrij Medwedjew lächeln musste, als er verkündete, dass der Doping-Verantwortliche aus dem Sportressort nun einen neuen Posten im Bau-Bereich erhält. Aber manche halten Mutkos Einfluss dort für größer als vorher. Immerhin geht es, so rechnete die Nowaja Gazeta vor, um einen Sektor, in den jährlich staatliche Gelder von umgerechnet 13 Milliarden Euro fließen sollen. Und im Kontext großer Infrastrukturprojekte liegen die Themen Sport und Bauen ja nicht so weit auseinander.

Allerdings ist es auch nicht so, dass Mutkos Wünsche ein Selbstläufer werden. Mutko ist nicht nur im Ausland zum Gesicht des Staatsdopings geworden, er hat auch im Land selbst keinen guten Ruf. Viele russische Beobachter kreiden ihm ein schlechtes Management des Dopingskandals an - und dass die russischen Athleten bei den jüngsten Winterspielen in Pyeongchang nicht unter der nationalen Fahne und Hymne starten durften. Auch unabhängig vom Doping-Thema ist er eine Spottfigur geworden, etwa wegen seiner radebrechenden Beiträge auf Englisch; Staatschef Putin schenkte ihm deswegen zum Geburtstag mal ein russisch-englisches Wörterbuch. Und zudem hat Mutko viele Gegner in der (Sport-)Politik. Aktuell zählt nicht zuletzt Olga Golodez dazu, die seit der Neubildung des Kabinetts als Vize-Premier für den Sport zuständig ist.

Bisher ist es Mutko freilich fast immer gelungen, aus Machtkämpfen als Sieger hervorzugehen.

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