Süddeutsche Zeitung

Münchner Niederlage gegen RB Leipzig:Zackig schlägt Tradition

In dieser Verfassung kann sich 1860 München mit RB Leipzig nicht vergleichen: Der TSV verliert 0:3. Mit Pressing und Tempo zeigt die Elf aus Leipzig, wie ihre schöne neue Fußball-Welt funktioniert.

Aus dem Stadion von Markus Schäflein

Wenige Tage, nachdem der TSV 1860 München sein erstes Spiel der neuen Zweitliga-Runde in Kaiserslautern 2:3 nach 2:0-Führung in Überzahl verloren hatte, versprach der außergewöhnliche Löwen-Trainer Ricardo Moniz für das Heimspiel gegen RB Leipzig schon wieder "ein Spektakel" - woraus man, je nach Sichtweise, die schönsten Hoffnungen oder die schlimmsten Befürchtungen ableiten konnte.

In jedem Fall gelang es ihm, bei den Münchnern wieder Interesse für Sechzig zu wecken. Bei herrlichem Sommerwetter erschienen gegen Leipzig 32 000 Zuschauer in der Arena. Ein Spektakel wurde es dann allerdings höchstens für jene, die sich fragten, wie Leipzigs schöne Fußball-Welt so funktioniert: mit einem Höchstmaß an Pressing, Tempo und Entschlossenheit. Am Ende stand auf der Videowand, die neuerdings die alte Anzeigetafel aus dem geliebten Grünwalder Stadion zeigt, ein 0:3 (0:2) durch Treffer von Yussuf Poulsen (39.), Matthias Morys (68.) und Dennis Thomalla (82.).

"Für uns ist es sehr peinlich", sagte Moniz, der "eine gewisse Angst bei Ballbesitz" diagnostizierte.

Wie zum Hohn stand der hochverdiente Erfolg des Emporkömmlings nun auf dieser alten Tafel, die wie kaum ein anderer Gegenstand die Fußball-Vergangenheit symbolisiert. Die von Brause-Milliardär Dietrich Mateschitz angetriebenen Leipziger, die auf ihrem Weg aus der Regionalliga in die Champions League gerade Station in der zweiten Bundesliga machen, wurden von den einheimischen Fans erwartungsgemäß unfreundlich begrüßt. "Unser Fußball lebt durch Leidenschaft und Tradition - ihr seid kein Teil davon", war auf einem Transparent zu lesen.

Weil die Sechziger maßgeblich von dem jordanischen Investor Hasan Ismaik unterstützt werden, wirkte das etwas paradox - die Löwen verweisen jedoch darauf, dass sie eben auch schon vor Ismaik existierten und mithin die vorzeigbare Tradition besitzen. Und sofern man das Wort Leidenschaft mit Leiden in Verbindung bringt, können sie da auch einen gewaltigen Vorsprung auf RB Leipzig geltend machen.

Moniz begann - im Gegensatz zur Partie in Kaiserslautern - mit einer echten Viererkette, mit Christopher Schindler und Zugang Gary Kagelmacher in der Innenverteidigung; die Außenverteidiger Markus Steinhöfer und Maximilian Wittek kamen neu ins Team. Daniel Adlung musste auf die Bank, für ihn spielte Moniz' Lieblingsbrasilianer Leonardo, den er von Ferencvaros Budapest mitgebracht hatte, diesmal auf der rechten offensiven Seite.

Die erste Chance der Partie hatten dann aber die Leipziger, die ihren offensiven Stil mit frühem Pressing von Beginn an durchzogen. Wittek brachte Georg Teigl im Strafraum zu Fall, doch 1860-Torwart Gabor Kiraly hielt den schwach geschossenen Foulelfmeter von Daniel Frahn (13.). Stets ging es bei RB zackig und ohne Umwege nach vorne. Ein ähnlicher Stil schwebt ja auch Moniz vor, was wenig überrascht, war er doch zwei Jahre lang in Salzburg für das Fußball-Imperium Red Bull tätig. In dieser Partie sah sich seine Mannschaft aber weitaus häufiger als gewünscht in die Defensive gedrängt.

Zu einer Chance kamen die Löwen dann aber doch, nach Flanke von Steinhöfer scheiterte Edu Bedia per Kopf an RB-Torwart Benjamin Bellot (19.). Als Kagelmacher kurz darauf Poulsen im Strafraum am Trikot zog, mochte Schiedsrichter Guido Winkmann nicht schon wieder einen Elfmeter geben. Kurz vor der Pause gingen die Leipziger dann aber in Führung: Einen der vielen Steilpässe, diesmal von Dominik Kaiser, verwertete Poulsen zum 1:0 (39.).

Kurz vor der Pause wäre den Löwen aller Unterlegenheit zum Trotz fast noch der Ausgleich gelungen: Einen Schuss von Bobby Wood klärte Diego Demme mit einem Flugkopfball auf der Linie. Der ehemalige Trainer Werner Lorant, der bei 1860 zum Inventar gehört wie die Grünwalder-Tafel, moserte in der Pause: "Soll das ein Heimspiel sein? Kein Flügelspiel, kein Spiel nach vorne, keine Moral."

Moniz versuchte es in der zweiten Hälfte mit Marin Tomasov für Wittek und Daniel Adlung für Steinhöfer. Kurz nach der Halbzeitpause traf der überragende Poulsen für Leipzig die Querlatte; der 20-jährige Däne spielte bereits in der vergangenen Saison in der dritten Liga für die Leipziger. Nach dieser Szene wurde Sechzig, angetrieben von Tomasov, tatsächlich etwas offensiver und mutiger; auf Zuspiel von Adlung stand Rubin Okotie aber im Abseits (64.).

Die Kräfteverhältnisse zeigten sich dann alle binnen einer Minute: Wood versuchte sich mit einem schnellen Sprint, blieb aber hängen; im Gegenzug versuchte sich Poulsen mit einem schnellen Sprint und blieb nicht hängen. Seine Hereingabe verwertete der eingewechselte Morys zum 0:2 (68.). Danach wurden die Löwen hergespielt, Thomalla legte noch das 0:3 nach (82.).

Dass Leipzigs Trainer Alexander Zorniger nüchtern feststellte, "die Spielfortsetzung und die Laufwege" seien "noch nicht so, wie ich mir das vorstelle", musste man als eine gewaltige Drohung an die Ligakonkurrenz auffassen. In der aktuellen Verfassung können sich die Sechziger jedenfalls mit RB nicht vergleichen. Blöd nur, dass es ja ihr ausdrückliches Ziel war, das zu tun. Moniz, der seinen TSV bei einer Umfrage als Meister vor RB getippt hatte, stellte fest: "Jetzt müssen wir alle Wunden reparieren nach diesen enttäuschenden zwei Spieltagen." Die schöne neue Euphorie ist dahin - das ging selbst für 1860-Verhältnisse recht schnell.

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SZ vom 11.08.2014/ska
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