1860 München und die Stadionfrage:Seelensuche an der Autobahn

Seit dem Abschied des TSV 1860 aus dem Grünwalder Stadion träumen Verein und Fans von einer neuen, eigenen Spielstätte. Angesichts klammer Kassen ist das jedoch nur ein Wunschtraum - auch wenn Aufsichtsratmitglieder mit Anfragen an die Stadt regelmäßig Hoffnungen wecken.

Gerald Kleffmann

TSV 1860 Muenchen - MSV Duisburg

Mehr Ausweichstätte als Zuhause: Die Allianz-Arena, in der der 1860 München die Heimspiele bestreitet.

(Foto: dapd)

Für viele hat der einstige Arbeiterverein TSV 1860 München seine Seele verloren, seitdem er das geliebte Grünwalder Stadion verlassen hat und Unterschlupf finden musste in Milieu-fremden Stätten, zuerst im zugigen Olympiastadion, dann in der pompösen Arena (die zu allem Übel ein FC-Bayern-Stadion ist). Als dann ein arabischer Investor fast die Hälfte der Klub-Anteile des Fußball-Zweitligisten erwarb, weil die Sechziger nur auf diese Weise die Insolvenz abwenden konnten, sahen die Eingefleischten unter den Anhängern gar den Exitus ihres Vereins bevorstehen. Inzwischen hat sich die Lage beruhigt, dank des sportlichen Aufwärtstrends herrscht gute Stimmung, auch die Skepsis gegenüber dem neuen Miteigentümer hat sich gelegt, obwohl sich dieser kaum in München blicken lässt und viele nicht wissen, wie der seine Millionen im Mittleren Osten eigentlich genau verdient - doch diese Sache mit der Seele, die schwelt weiter und wird wohl nie aufhören, bis es eine Lösung gibt.

Den Traum vom Eigenheim haben ja zuletzt viele Profiklubs umgesetzt, und wer ein derart inniges Verhältnis zu seiner alten Heimat hatte wie die Sechziger einst, den muss diese Entwicklung besonders schmerzen - dass sie das auch tut, lässt sich am Verlauf der Heimatsuche wunderbar ablesen. Alle paar Monate erfährt dieses sensible Thema einen neuen Schlenker, nach der Stadiondebatte ist vor der Stadiondebatte, nun soll - nächster Hoffnungsschimmer - die Zukunft an der A94 liegen. 1860-Aufsichtsrat Siegfried Schneider hat diesen Wunsch publik gemacht und verraten, dass die Stadt, Eigentümer des begehrten Grundstücks in der Nähe der Messe, über das Interesse in Kenntnis gesetzt wurde, schriftlich sogar. Ist 1860 damit einen wesentlichen Schritt weiter? Darf der Fan bereits vom eigenen weiß-blauen Zuhause träumen? Wohl kaum.

Der Verein ist nicht in konkreten Verhandlungen über einen Standort, es liegt nur eine Anfrage vor. Daher drängt sich die Frage auf, warum der Verein zu diesem Zeitpunkt von sich aus den kaum veränderten Zwischenstand lanciert. Soll Druck auf die Stadt ausgeübt werden? Will man ausloten, ob Fans und mögliche Investoren auf den gewöhnungsbedürftigen Standort Riem anspringen? Dazu würde passen, dass der Absender kein medialer Naivling ist, sondern ein Politprofi - man sollte davon ausgehen, dass Siegfried Schneider wusste, was er von sich gab. Aufsichtsrat Otto Steiner hatte vor einiger Zeit ebenfalls mit der Information Hof gehalten, dass es Stadionpläne gebe - und war intern zurückgepfiffen worden.

Unterm Strich hat 1860 ohnehin nur eine Chance auf ein neues Zuhause, wenn man neben dem Grundstück auch unfassbar viele Millionen auftreibt. Denn in der ganzen Debatte wird schnell übersehen: Vermögend ist der Mehrheitsgesellschafter 1860 kein bisschen - die Musik macht Investorenvertreter Iraki. Gesetzt den Fall also, dass wider Erwarten sämtliche Hürden genommen, also Grundstück, Bau und Auslösung aus dem Arena-Mietvertrag (bis 2025) finanziert werden könnten, stünde letztlich doch fest: Die neue Heimat wird dem TSV München von 1860 auch nicht gehören. Freilich wäre die weiß-blaue Seele aber dann von der schweren Last befreit, die Roten als Mieter weiterhin zu subventionieren. Und so geht die Suche weiter - bis zum nächsten Hoffnungsschimmer.

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