München:Streit um Nazi-Vergangenheit des FC Bayern

Fanchoreographie vor Anpfiff zum Gedenken des juedischen Bayern Praesidenten Kurt Landauer Fans Fuss

Der FC Bayern und Kurt Landauer: Fans gedenken des ehemaligen Präsidenten im Februar 2014 mit einer Choreografie.

(Foto: imago sportfotodienst)

Der FC Bayern gilt als Klub, der sich dem Nazi-Regime nicht so willfährig unterordnete wie andere. Jetzt kratzt ein Wissenschaftler an dem Bild - und erhält heftigen Widerspruch.

Von Dominik Fürst

Es ist ein kleiner Historikerstreit um den FC Bayern entbrannt, wobei Historiker schon mal das falsche Wort ist. Es streiten sich: ein Religionsphilosoph und zwei Autoren, die sich ausgiebig mit der Geschichte des Fußballs in Deutschland und im Speziellen mit der des Münchner Vereins auseinandergesetzt haben. Ausgelöst hat die Debatte das Nachrichtenmagazin Der Spiegel mit einem Artikel in seiner jüngsten Ausgabe, die Überschrift lautet "Münchner Protokolle" und der Text möchte "das Bild des FC Bayern als Verein, der während der NS-Zeit Distanz zu den Nazis hielt", korrigieren. Kann das gelingen?

Der FC Bayern gilt als Klub, der sich dem Nazi-Regime zwischen 1933 und 1945 zwar unterordnete, aber eben nicht so willfährig wie es andere Klubs taten, eher im Gegenteil. Spät entdeckte der Münchner Verein seinen ehemaligen Präsidenten Kurt Landauer wieder. Landauer war Jude, prägte den späteren Rekordmeister und floh nach seiner Internierung im KZ Dachau 1939 in die Schweiz. Nach dem Krieg kehrte er zurück und baute den FC Bayern wieder auf. Heute steht er als Symbol für die Weltoffenheit des Klubs. So ging die Erzählung bislang.

Zwei Tage später erscheint die Erwiderung

Nun zitiert der Spiegel auf zwei Seiten den Wissenschaftler beziehungsweise Religionsphilosophen Dr. Markwart Herzog, der die Forschungs- und Bildungseinrichtung Schwabenakademie Irsee leitet und einen Aufsatz über die Vergangenheit des FC Bayern verfasst hat. Titel: "Opportunismus und Antisemitismus in den Satzungen des bayerischen Traditionsvereins". Tenor der Geschichte: Der FCB sei gar nicht so gut gewesen, wie es heißt. Er habe sich den Nazis genauso unterworfen und sei mit Juden genauso mies umgegangen wie alle anderen Vereine.

"Der Klub betrieb seine Arisierung gewissenhaft", heißt es in dem Artikel. Als Beleg für die Behauptung gelten Markwart und dem Spiegel drei sogenannte Arierparagrafen, die der FC Bayern zwischen 1935 und 1938 und zwischen 1940 und 1945 in seiner Satzung stehen hatte. An einer Stelle in dem Text heißt es: "De facto habe der FC Bayern Juden damit 'schlechter behandelt als der nationalsozialistische Unrechtsstaat in seinen Rassengesetzen'." Starker Tobak.

Zwei Tage später erscheint auf der Internetseite des "Magazins für Fußball-Zeitgeschichte" Zeitspiel eine Erwiderung von Dietrich Schulze-Marmeling. Er ist Autor des Buches "Der FC Bayern und seine Juden. Aufstieg und Zerschlagung einer liberalen Fußballkultur" und damit einer der bekanntesten Fachleute zum Thema geworden. Er hält nicht viel von der These Markwart Herzogs im Spiegel.

"Null Erkenntniswert"

Von Herzog spricht er als "Historiker" (wie ihn der Spiegel bezeichnet) nur in Anführungszeichen, seinen Thesen hält er entgegen: Das seien keine Neuigkeiten. Zum Arierparagrafen schreibt er: "Dass es auch beim FC Bayern irgendwann einen solchen gab, ist nun wirklich keine Überraschung. Herzog wiederholt hier lediglich bereits Bekanntes und Veröffentlichtes und ergänzt den Stoff um einige Details - bestenfalls." Die Zuspitzung auf drei Arierparagrafen sei "völlig aufgebauscht", weil der dritte Bestandteil einer Einheitssatzung für deutsche Vereine gewesen sei und daher "null Erkenntniswert" besitze.

Es werde unterschlagen, dass der FC Bayern seine Juden viel später ausgeschlossen habe als viele andere Vereine und auch der Deutsche Fußball-Bund. Kurt Landauer sei bis Mitte der 1930er Jahre im Klub aktiv gewesen, was beweise, dass die Nazifizierung des FC Bayern "eben nicht so schnell und reibungslos" verliefen, wie es vom "Spiegel und seinem Herzog" suggeriert werde.

Der FC Bayern war bis 1933 als "Judenklub" verschrien

Schulze-Marmeling, dessen Buch zur jüdischen Vergangenheit des FC Bayern erst im vergangenen Jahr von Klubchef Karl-Heinz Rummennigge vorgestellt wurde, sieht den Spiegel instrumentalisiert und wirft den Autoren vor, nicht mit anderen Fachleuten gesprochen zu haben. Er wirft dem Wissenschaftler Herzog einseitiges, und damit unwissenschaftliches Arbeiten vor: "Herzog verweigert sich der gesamten Komplexität des FC Bayern, dessen Vereinsleben in den NS-Jahren von Animositäten geprägt war: zwischen Alten und Jungen, Fußballern - und Nicht-Fußballern, Nazis, Opportunisten und Verweigerern. Die wirklich spannenden Dinge lässt er bewusst links liegen."

Schulze-Marmeling ist nicht allein. Dirk Kämper, Autor der Kurt-Landauer-Biografie mit dem Titel "Der Mann, der den FC Bayern erfand", schreibt in einer wütenden Entgegnung des Spiegel-Artikels: "Herr Herzog kennt und interpretiert die öffentlichen Quellen (aus jener Zeit; Anm. d. Red.). (...) Diese Quellen sind gezielte Vereinspropaganda nach dem Motto: Wir Bayern sind ganz vorne mit dabei im Sinne der Ziele des nationalsozialistischen Gedankens. Das ist in einem totalitären Staat überlebenswichtig. Für die Präsidenten. Und den Verein. Aber für kaum einen anderen Verein war es wichtiger als für den FC Bayern München." Vor 1933 war der Verein als "Judenklub" verschrien.

Der FC Bayern hat sich zu der Debatte noch nicht geäußert. Die Aufarbeitung seiner Vergangenheit betreibt der Klub in den vergangenen Jahren aber intensiv. Die bekannte Münchner Fangruppe "Schickeria" gewann im Jahr 2014 den Julius-Hirsch-Preis, mit dem der DFB an den gleichnamigen Nationalspieler und die jüdischen Opfer des NS-Regimes erinnert, für ihr Gedenken an den früheren Präsidenten Landauer. Ein Jahr später hat der FC Bayern den zentralen Platz vor dem Haupteingang seiner Arena feierlich eingeweiht: Er trägt den Namen Kurt-Landauer-Platz.

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