1806 München:Party mit Schreck

11 05 2019 Fussball 3 Bundesliga 2018 2019 37 Spieltag TSV 1860 München Fortuna Köln im Grü

Auch nächste Saison in der dritten Liga: Prince Osei Owusu köpfte 1860 zum Klassenverbleib.

(Foto: Renate Feil/imago)

Durch ein spektakuläres 3:2 sichert sich der TSV den Drittligaverbleib. Bei den Feierlichkeiten mahnt Trainer Bierofka: "Allgemein hoffe ich, dass jetzt mal alle aufwachen in diesem Verein".

Von Johannes Kirchmeier

Das Grünwalder Stadion war bereits leer, die meisten Fans waren weitergezogen in die nahen Wirtshäuser oder auf die heimische Couch, als Daniel Bierofka sich eine Minute nahm, um doch noch einen Kontrapunkt zu setzen an diesem freudigen Samstagnachmittag. Sein TSV 1860 München hatte soeben den Klassenverbleib in der dritten Liga erreicht, da blickte der Trainer nach dem vorletzten Saisonspiel auf die kommende Spielzeit und den Sparkurs, den sich sein Verein dafür auferlegt hat. Bierofka redete schneller, seine Stimme überschlug sich, der Ton wurde etwas eisiger im Presseraum: "Allgemein hoffe ich, dass jetzt mal alle aufwachen in diesem Verein. Sonst spielen wir nächste Saison mit einem Innenverteidiger. Und das ist ein bisserl schwierig", sagte er. Ganz im Sinne seiner immer noch frischen Ausbildung zum Fußballlehrer fügte er an: "Dafür gibt es kein System."

Bierofka lehnte sich zurück, verschränkte seine Arme und kaute noch etwas demonstrativer auf seinem Kaugummi herum. Das musste mal gesagt werden, er hatte schließlich auch seine Arbeit erfolgreich abgeschlossen. Ob der Appell Wirkung zeigt, bleibt fraglich angesichts des Zwists zwischen e.V. und Investorenseite. Fakt ist: Von den fünf Innenverteidigern stehen 2019/20 lediglich Kapitän Felix Weber und Semi Belkahia unter Vertrag, doch Belkahia hatte sich zwei Stunden vor Bierofkas Worten einen Kreuzbandriss zugezogen, er fällt monatelang aus.

Das war die schlechte Nachricht des Wochenendes (und ganz nebenbei hatte Bierofka noch durchblicken lassen, dass weder mit Routinier Jan Mauersberger noch mit dem beliebten Aaron Berzel nach Stand der Dinge verlängert wird, Simon Lorenz ist ja nur geliehen - so kommt man auf einen Innenverteidiger). Doch ansonsten überwog die Erleichterung beim TSV 1860. Nach zuvor sechs Niederlagen in Liga und Pokal drohte der Klub ja noch mitten in den Abstiegskampf zu taumeln, doch durch das 3:2 (2:2) gegen Fortuna Köln ist diese Befürchtung passé. "Sechzig München spielt im kommenden Jahr wieder dritte Liga", schrie der Stadionsprecher Stefan Schneider.

Zudem bedankte er sich bei den Fans, die vor dem Schicksalsspiel eine beeindruckende Choreografie um die Tribünenzäune bastelten. "Die Fans in unserer Kurve sind die besten Fans der Welt! Sie sind treu wie gute Freunde, für die nur Sechzig zählt!", stand in weißer Schrift auf blauem Grund geschrieben. Im ganzen Stadion wedelten die Anhänger blaue und weiße Fahnen im Sinne der Fankampagne "Sechzig im Sechzger", die sich für den dauerhaften Verbleib im Stadion einsetzt. Auf den Fahnen abgebildet war, das ist ja nicht unwichtig in diesen Tagen: ein Löwe und die Zahlenkombination 1860.

So bot das Stadion den Spielern den Rahmen, um am 37. Spieltag eine Partie zu zeigen, die die Muster der Saison abbildete: Höhen und Tiefen - und ein spätes Happy End. Benjamin Kindsvater brachte die bestimmenden Löwen mit einem feinen Weitschuss in Führung (18.), doch auf die Freude folgte Bitternis: Mit der ersten Chance glich Fortuna-Angreifer Thomas Bröker aus (24.), drei Minuten später traf Moritz Fritz per Elfmeter zum 1:2. Beim Foul an Moritz Hartmann hatte sich Belkahia zuvor am Knie verletzt.

Aber "auch nach dem Rückstand hatte ich immer das Gefühl, dass wir zurückkommen", sagte Phillipp Steinhart. Und wie so oft in dieser Saison hatte der Topscorer (fünf Tore, 14 Vorlagen) entscheidenden Anteil am Erfolg. Nach Steinharts Flanke stand der in Blau gekleidete Sascha Mölders im Strafraum genau dort, wo vor 50 Jahren im Grünwalder Stadion immer Gerd Müller stand, im Trikot der Roten: genau richtig. Vom Kölner Bone Uaferro sprang Mölders der Ball vor die Füße, der 34-Jährige drosch ihn ins Tor (45.+3). Fünf Minuten vor Spielende flankte Steinhart einen Freistoß in den Strafraum, der eingewechselte Prince Osei Owusu köpfte das 3:2 und sorgte für Jubel im Fahnenmeer.

Zum Muster der Saison, und des Vereins überhaupt, gehört jedoch auch, dass es nicht nur um den Sport geht. "Wir werden siegen und euch überleben!", lautete daher eine Botschaft der Westkurve an Geschäftsführer Günter Gorenzel und Investor Hasan Ismaik. Letzterer bedankte sich via Facebook, "dass uns eine Wiederholung von 2017 erspart geblieben ist". Also: der Abstieg in die Regionalliga.

Abgestiegen ist hingegen der Gegner, der vor fünf Jahren an selber Stelle gegen den FC Bayern II aufgestiegen war: "An so einem Tag würde man sich am liebsten vergraben", sagte Kölns Trainer Oliver Zapel. "Das trifft uns bis ins Mark." Er weinte. Und Bierofka versuchte, ihn zu trösten: "Ich kann die Emotionen zu 100 Prozent verstehen. Das wünscht man keinem Kollegen." Er drückte Zapel wenig später an sich. Bierofka hatte natürlich auch seinen herzlichen Moment im Presseraum.

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