Für das, was sich in den vergangenen Tagen und Stunden in der Causa München-Marathon zugetragen hat, drängt sich förmlich die Überschrift auf: Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Denn das Münchner Kreisverwaltungsreferat (KVR) hat die Ausrichtung der Großveranstaltung für die Jahre 2025 und 2026 – nach reiflicher Prüfung – weder an ihren langjährigen Organisator Gernot Weigl vergeben noch an die LG Stadtwerke München, die sich zuletzt öffentlichkeitswirksam über ihre konkurrierenden Bewerbungen gestritten hatten. Sondern an einen dritten, in der Berichterstattung bislang kaum beachteten Bewerber: Den Zuschlag hat die Laufstatt Event gGmbH erhalten, eine gemeinnützige Gesellschaft, die nach eigener Aussage die „Förderung des Sports“ zum Ziel hat, insbesondere durch Unterstützung von Laufgruppen und Laufprogrammen.
Diese Wendung kommt für Außenstehende überraschend. Für Weigl und den LG-Vorsitzenden Jacob Minah, die beide im Laufe des Vergabeverfahrens Akteneinsicht beantragt hatten, war sie seit Längerem absehbar. Ihre Enttäuschung mindert das nicht. Einen „Schlag ins Gesicht aller Leichtathleten und Ehrenamtlichen, die sich Tag für Tag für den Sport einsetzen“, nennt Minah die Entscheidung. Weigl, der die Veranstaltung vor einem Vierteljahrhundert wiederbelebt und seither groß gemacht hat, spricht gar von der Zerstörung seines Lebenswerks und dem Entzug der Geschäftsgrundlage seiner München Marathon GmbH: „Es ist wirklich ernüchternd – wir sind doch eine Marke gewesen.“

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Zehn Monate lang hat sich die Prüfung im KVR hingezogen, weshalb die Veranstaltung im kommenden Herbst nun für jeden der drei Bewerber eine besondere Herausforderung geworden wäre – die verbleibende Zeit ist knapp. Den Ausschlag gaben letztlich Details im jeweiligen Verkehrskonzept, was allerdings keine Überraschung ist. Denn ausschließlich dieses sei nach dem betreffenden Stadtratsbeschluss zu bewerten gewesen, erläutert die KVR-Sprecherin Beate Winterer. Sprich: Aufgrund dieser engen rechtlichen Grenzen gewinnt nicht zwingend das beste Konzept, sondern jenes „mit den wenigsten Einschränkungen im Verkehr“. Offenbar war dies nach KVR-Einschätzung das Einrundenkonzept der Laufstatt Event gGmbH.
Diese ist in ihrer jetzigen Form seit 8. Januar 2025 aktiv, mit den Geschäftsführern Fabian Schäfer und Anton Martic. Die handelnden Personen sind freilich schon länger mit dem Projekt beschäftigt. Für Weigl sind hieran mehrere Aspekte schwer zu schlucken: Zum einen, referiert er, weiche das Siegerkonzept verkehrlich „nur in minimalen Details“ von seinem ab, und die Erfahrung zeige doch, dass ihn Jahr für Jahr Baustellen entlang der Strecke zu viel gravierenderen Abweichungen gezwungen hätten als jenen, die hier nun alles entschieden hätten. Zum anderen seien Martic und die dem Vernehmen nach ebenfalls involvierte Laura Bauer – einst Geschäftsführerin bei Weigl – über Jahre Teil seines Teams gewesen. Weshalb er nun sagt: „Zwei ehemalige Mitarbeiter haben mir das Messer in den Rücken gestoßen.“
Martic, der lediglich über eine Agentur mit der PR des Marathons betraut war, weist diesen Satz von sich. Es sei ein faires Verfahren gewesen, sagt er, nichts liege ihnen ferner, als den alten Veranstalter zu beschädigen, außerdem seien sie weiterhin gesprächsbereit, um eine Form der Zusammenarbeit mit ihm zu finden. „Gernot Weigl genießt unsere höchste Wertschätzung.“
Die Laufstatt Event gGmbH verspricht, die Traditionsveranstaltung „signifikant“ weiterzuentwickeln – die Mitbewerber wollen womöglich weiter klagen
Etwas anders – und komplizierter – verhält es sich im Falle der LG Stadtwerke München. Diese hatte sich die Ausrichtung des Marathons zum Ziel gesetzt, um steigenden Kosten, stagnierender Förderung und wachsenden Athletenzahlen mit einer neuen Einnahmequelle zu begegnen; vor allem um die Nachwuchsförderung zu finanzieren. Ein 250-seitiges Konzept hatte der Vereinsverbund eingereicht. Im vergangenen August, so Minah, habe er dann das Signal vom KVR empfangen, dass er vorbehaltlich ausstehender Anhörungen zeitnah den Zuschlag erhalten solle – und in die Planung einsteigen könne. Eine GmbH wurde gegründet, Mitarbeiter wurden angestellt, eine Internetpräsenz geschaffen, später kamen Anwaltskosten dazu; eine mittlere fünfstellige Summe habe er aus seiner Privatschatulle investiert, sagt Minah. Er habe sogar seinen Job vorübergehend auf Teilzeit gestellt.

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Dann passierten mehrere Dinge. Weigl kämpfte juristisch gegen die Ausbootung, mit Gutachten, Befangenheitsanträgen, Unterlassungsklagen; er säte Zweifel an der Sicherheit des von der LG eingereichten Zweirundenkonzepts. Im Zuge seiner Offensive tauchte etwa die Frage auf, ob für die vorgesehene veränderte Nutzung des Englischen Gartens das verbindliche Einverständnis der zuständigen Bayerischen Schlösserverwaltung vorliege – und zwar für beide Jahre. Hier wird es nun juristisch kompliziert. Um es abzukürzen: Das KVR stellte fest, dies sei zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht der Fall gewesen; die LG ließ einen Fachanwalt für Vergaberecht darlegen, wieso das weder erforderlich noch überhaupt möglich gewesen wäre und er einen drohenden Ausschluss seiner Mandantin von der Ausschreibung für „rechtswidrig“ halte. Das KVR wiederum erklärte auf elf Seiten, dass es anderer Ansicht sei – und schloss die LG aus.
Der lachende Dritte verspricht nun, die Traditionsveranstaltung „signifikant“ weiterzuentwickeln, er betont sein langjähriges Know-how, erläutert, wieso künftig „das pulsierende Werksviertel“ durchquert werde, außerdem befindet Geschäftsführer Schäfer: „Nachdem es in der letzten Zeit viel Diskussion um die Entscheidung der Stadtverwaltung gab, wünschen wir uns, dass nun der Fokus wieder auf sportliche Rahmenbedingungen gelegt wird.“
Ganz einfach wird das nicht werden. Weigl mag nicht verstehen, wieso sich die Stadt auf Verkehrsaspekte zurückzieht, wo anderswo derartige Großveranstaltungen als Stadtmarketing unterstützt würden. Er hingegen habe nicht mal Termine bei der Sportbürgermeisterin bekommen und „seit 25 Jahren keinen Euro von der Stadt“. Auch seine Förderung der Leichtathletik werde nicht gewürdigt. Minah vertritt die Auffassung, bei der Ausschreibung „rein gar nichts falsch gemacht“ zu haben, im Gegenteil sei er stolz darauf, aus ehrenamtlichem Betrieb heraus eine Bewerbung hinbekommen zu haben, die gegen die des langjährigen Organisators Bestand hatte. Mit „Spitzfindigkeiten“ sei man dann ausgebremst worden, doch damit schade sich die Stadt selbst: Es gehe schließlich um die Nachwuchsarbeit der zehn in der LG zusammengeschlossenen Vereine.
Gerhard Neubauer, Präsident des Bayerischen Leichtathletik-Verbands (BLV), kommentierte am Dienstag: „Es gab schon bessere Nachrichten.“ Der BLV habe sich aus dem Duell zwischen LG und Weigl stets zurückgehalten, weil „beide echte Partner des Verbands“ seien. Nun käme keiner der beiden zum Zug. Minah sagt, er wolle evaluieren, ob er weitere juristische Schritte unternehme. Weigl kündigt an: „Wir werden auf jeden Fall vors Bayerische Verwaltungsgericht gehen“.