1860 München: Hasan Ismaik:Streit um eine Option

Der Einstieg des möglichen Investors Hasan Ismaik droht an der 50-plus-1-Regel zu scheitern. Die Bedenken sind nachvollziehbar: Er will kein Geld in einen siechenden Klub pumpen - und doch nichts zu sagen haben.

Klaus Ott und Andreas Burkert

50 plus 1, vor allem darauf kommt es nun an beim TSV 1860 München. Das ist kein Punktestand, mit dem sportliche Ziele erreicht werden, wie etwa der seit langem herbeigesehnte Aufstieg in die erste Liga. 50 plus 1, so viele Anteile am klammen Fußball-Zweit- ligisten würde der mögliche Retter der Sechziger, der aus Jordanien stammende Geschäftsmann Hasan Ismaik, 34, eines Tages gerne am Giesinger Traditionsklub besitzen.

1860 Muenchen v Energie Cottbus - 2. Bundesliga

Probleme mit 50+1: Hasan Abdullah Ismaik.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Dem Vernehmen nach beharrt er derzeit in den stockenden Verhandlungen über seinen Einstieg auf der Option, dass er die unternehmerische Mehrheit und Führung bei der Fußball-Firma übernehmen kann - sofern die Deutsche Fußball Liga (DFL) das irgendwann doch mal erlauben sollte. Bislang verhindern das die DFL-Statuten, laut denen Kapitalgeber allenfalls Minderheitsanteile erwerben dürfen - 50 minus 1, also maximal 49 Prozent. Denn die Klubs sollen Herr im eigenen Haus bleiben, um Tendenzen wie in England, Italien oder Spanien zu verhindern, wo selbst Topklubs von Investoren aus aller Welt kontrolliert werden.

An die deutschen Regeln will sich Ismaik natürlich halten, "wir würden niemals Vereinbarungen treffen, die gegen DFL-Vorschriften verstoßen", betont er. Aber womöglich ändern sich ja irgendwann doch die Regeln, und darauf möchte er vorbereitet sein, wenn er nun viel Geld in 1860 steckt.

Ismaik will im Kooperationsvertrag festschreiben lassen, dass er automatisch weitere zwei Prozent der Anteile erwerben darf, sobald das zulässig wäre. Ismaik ist nicht bereit, mehrere zehn Millionen Euro in den siechenden TSV zu pumpen, um nachher tatenlos zuzusehen, wie sich womöglich ein anderer Investor nach einer Regeländerung die Mehrheit sichern würde.

Das klingt nach logischem Geschäftsgebaren. Doch etliche Funktionäre und Aufsichtsräte der Löwen sollen nun große Probleme haben, dieser Klausel zuzustimmen. Neben anderen Punkten, die Ismaiks Einfluss betreffen, ist dies wohl der Knackpunkt in den Gesprächen.

Präsident Dieter Schneider soll nicht zu den Bedenkenträgern gehören. Der Unternehmer aus dem Landkreis Dachau hat ja selbst schon mehrere Betriebe gerettet - aber sicher nie um den Preis, dass er Geld gibt und nichts zu sagen hat. "So einen Einstieg wird es nie geben", betont Ismaik. Schneider entgegnet, 1860 wolle aber bei so einem Geschäft "Partner bleiben und nicht nur Befehlsempfänger".

Was derzeit bei 1860 geschieht, ist für den deutschen Fußball von grundsätzlicher Bedeutung. Immer wieder stellen einflussreiche Geldgeber und Fußball-Funktionäre die 50-minus-1-Auflage in Frage. Der Präsident von Hannover 96, Martin Kind, fordert seit Jahren deren Abschaffung. Der Unternehmer hat mit seinem Geld die 96er aus der Regionalliga in die Bundesliga zurückgebracht und steht nun sogar kurz davor, dem ruhmreichen FC Bayern den letzten Startplatz in der Champions League wegzuschnappen.

Mit Kinds Klage zur 50-1-Regel befasst sich im Sommer ein DFB-Schiedsgericht unter Vorsitz des früheren Verfassungsrichters Udo Steiner. Greift nun der arabische Investor Ismaik bei 1860 zu und erhält dort eine hypothetische 50-plus-1-Option, dürfte dies zwangsläufig den Druck erhöhen: Noch ein paar Vereine mehr, die ohne fremdes Geld nicht auskommen - und irgendwann fände sich vielleicht doch mal eine Mehrheit für neue Spielregeln.

Bekannte Sündenfälle

Dass immer wieder Vereine in Notlagen geraten, liegt an unfähigen Klubmanagern und überforderten Aufsichtsgremien. 2005 stand Borussia Dortmund wegen fast 100 Millionen Euro Schulden dicht vor der Insolvenz, Schalke 04 jongliert wundersam mit angeblich rund 230 Millionen Euro Verbindlichkeiten, und in der zweiten Liga sind Arminia Bielefeld und 1860 München die aktuell bekannten Sündenfälle.

Die Löwen, wo sich nun die lange betriebsblinden Kontrolleure gegen einen einflussreichen Retter wehren, basteln parallel zum Projekt Ismaik weiter an einer Rettung durch Banken und andere Geldgeber. Aber wie soll das gelingen angesichts immenser Altlasten, eines aktuellen Finanzbedarfs von geschätzt 15 Millionen Euro und monatelanger vergebliche Hilfsappelle?

1860 hat ja schon überall angeklopft. In einer internen Liste aus dem Jahr 2010 sind 36 Unternehmen und Privatleute aufgeführt, die kontaktiert wurden: BMW, Bertelsmann mit seiner Sportagentur Ufa, die Telekom, die Schweizer Sportagentur Infront mit Günter Netzer, ein Manager der Deutschen Bank, der Stadion-Betreiber Amrak aus den USA, der Finanzinvestor Cerberus, der globale Konzern Procter & Gamble, der gescheiterte Medienmagnat Thomas Haffa (der einst die Formel 1 besaß) und so weiter.

Das Einzige, was dabei herauskam, waren Absagen. Und schon im Spät- sommer 2010 haben die Löwen Bayerns Ministerpräsidenten Horst Seehofer und die Münchner Stadtsparkasse eingeschaltet, auch sie haben bis heute nicht helfen können; ebenso wenig wie die Landesbank und mehrere Privatinstitute.

Ismaik ist über einen Hilferuf der Sechziger in der Presse auf den Klub aufmerksam geworden. Er hat viel Zeit und Geld investiert, sein Angebot steht. Aber für seine Kaufofferte über 13 Millionen Euro für 49 Prozent der Anteile möchte er auch Einfluss haben. "Ohne Kontrolle oder ein starkes Mitspracherecht" könne er angesichts der Misswirtschaft der vergangenen Jahre ein Engagement nicht verantworten.

1860 muss sich entscheiden. "Wir werden jetzt eine Zwischenentscheidung treffen und dieses Ergebnis mal diese Woche zur Prüfung an die DFL schicken", sagt Präsident Schneider. Vermutlich gehört die 50+1-Option dazu. Wie Ismaik und 1860 dürften sich auch die übrigen Klubs für die Einschätzung aus der Frankfurter Liga-Zentrale interessieren.

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