1860 München:Große Ankündigungen im kleinen Dorf

Hasan Ismaik

Sorgt mal wieder für mächtig Unruhe beim TSV 1860 München: Investor Hasan Ismaik (Archivbild).

(Foto: Andreas Gebert/dpa)
  • Hasan Ismaik kündigt einen Stadionbau in Riem für 52 000 Zuschauer an.
  • Außerdem fordert der Gesellschafter des TSV 1860 die Absetzung der bisherigen Geschäftsführer.
  • Die Fans trauen den Plänen des Jordaniers nicht.

Von Markus Schäflein, München

Rudelzhausen, das kleine Dorf im Landkreis Freising, lag still und dunkel da, ein paar Schneeregenflocken fielen, nur das Dorfkirchlein war beleuchtet und ein Baum vor dem benachbarten Gasthof - mit Scheinwerfern blau illuminiert. Weihnachtliche Stimmung herrschte an jenem denkwürdigen Freitagabend im Februar, als Hasan Ismaik, der jordanische Gesellschafter des stark abstiegsbedrohten Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München, in einer schwarzen Limousine vorfuhr und in die Gaststätte "Festner Busch" einmarschierte, zu den hymnischen Klängen von "Weiß-blau TSV", begleitet von Leibwächtern.

360 "Löwen"-Anhänger aus der Fanorganisation Arge warten gespannt auf Geschenke des Gesellschafters, und sie bekamen mehr versprochen, als sie erwartet hatten: ein neues Stadion in München-Riem für 52.000 (!) Zuschauer wolle er bauen, kündigte Ismaik an, und daneben einen Tierpark als Attraktion.

Spricht da Ismaik? Oder doch Hape Kerkeling?

Er besitze ja eine Löwenfarm in Kenia, von dort wolle er "alle Löwenrassen, die es auf der Welt gibt", nach München bringen. Jedes Tier werde den Namen eines verdienten Spielers tragen. Vielleicht dachte er an einen Berberlöwen mit dem Namen Rudi Brunnenmeier und einen Massai-Löwen namens Peter Pacult. Wer wollte da noch glauben, dass dieser denkwürdige Abend rein zufällig in Rudelzhausen stattfand?

"Die Idee finde ich ja kreativ", sagte 1860-Präsident Peter Cassalette der SZ, "Hasan hat wohl tatsächlich in Kenia eine Löwenfarm." Der Münchner Oberbürgermeister habe allerdings am Freitagnachmittag bei einem Treffen mit ihm und Ismaik, bei dem der Investor seine Ideen im Rathaus vorstellte, auf mögliche Proteste von Tierschützern und rechtliche Probleme hingewiesen: "Dieter Reiter hat gesagt, es sei schwieriger, in München einen Zoo zu genehmigen als ein Stadion", berichtete Cassalette.

"Die Investition gilt, egal ob zweite, dritte oder vierte Liga! Gefällt Euch die Idee?", fragte Ismaik die Fans, Raunen ging durch den Saal, einige Anhänger klatschten verhalten Beifall. Wie so oft, wenn Ismaik in den vergangenen vier Jahren seit seinem Einstieg bei 1860 in München zu Besuch war, wartete man darauf, dass irgendwo Frank Elstner aus dem Schrank hüpfen und "Verstehen Sie Spaß?" brüllen würde. Oder dass Hape Kerkeling Bart und Brille abnehmen würde. Aber es war auch diesmal wie immer: Hasan Ismaik blieb Hasan Ismaik, stieg in eine schwarze Limousine und fuhr davon.

Ismaik sucht im Lizenzierungsprozess neue Geschäftsführer

Zuvor hatte er noch aufgezählt, was alles getan werden müsse, damit es Sechzig künftig mit seiner Hilfe besser gehen würde. Und wieder einmal, auch das hat bei seinen Visiten Tradition, wies er darauf hin, dass Köpfe rollen müssten. Personen in den Gremien, "die gegen 1860 arbeiten", sollten "entfernt" werden, meinte er - dies dürfte auf Mitglieder des Verwaltungsrats gemünzt sein. Und zuvorderst müssten die beiden Geschäftsführer der Profifußball-KGaA freigestellt werden, Markus Rejek und auch Ismaiks Cousin Noor Basha. Darum habe er Cassalette bereits gebeten. "Noor ist gescheitert, aber jung. Er hat gemacht, was Rejek ihm gesagt hat", meinte er, "Rejek war der Hauptverantwortliche."

Er habe dem damaligen Präsidenten Gerhard Mayrhofer 100.000 Euro zur Verfügung gestellt, um eine Personalagentur mit der Suche nach einem Geschäftsführer zu beauftragen, sagte Ismaik - die Agentur fand Rejek. "Rejek und Poschner (ehemaliger Sport-Geschäftsführer, d.Red.) waren falsche Entscheidungen von Mayrhofer", klagte Ismaik. Kein Wort verlor der Investor darüber, dass er beiden Personalien zustimmte - und dass er und Basha noch an Poschner festhielten, als sich Mayrhofer längst von ihm trennen wollte. "Wir brauchen einen neuen, starken Finanz-Geschäftsführer und einen Personalleiter", sagte Ismaik. "Ich arbeite daran."

Auf den Hinweis, ein Geschäftsführerwechsel komme mitten im Lizenzierungsprozess für die kommende Spielzeit möglicherweise etwas unpassend, entgegnete Ismaik: "Die Lizenzierung kann jeder im Verein machen." Das sei nicht schwierig. Cassalette verwies hingegen darauf, dass der "Zeitpunkt ungünstig" sei: "Hasans Wunsch muss man respektieren, aber das heißt nicht, dass wir das machen. Wenn man zwei Leute absetzt, muss man Ersatz haben." Nach SZ-Informationen treffen sich am Sonntagvormittag das Präsidium und der Verwaltungsrat, um sich über den Umgang mit den Forderungen abzustimmen. Mit einer Stellungnahme des Vereins im Laufe des Sonntags ist zu rechnen.

"Die Märchenstunde war ja ganz lustig"

Zum Abschied gab es von den Arge-Fans rhythmischen Applaus für Ismaik. "Er hat ihnen eine spezielle Sorte von Datteln mitgebracht und hofft, dass es ihnen schmeckt", sagte sein Dolmetscher, "das ist ein kleines Dankeschön aus seiner Heimat für ihre Unterstützung." Als Ismaik dann um kurz vor neun wieder aus Rudelzhausen entschwunden war, debattierten die Fans noch lange - aber hauptsächlich über die Stadion- und Zoo-Pläne. Die Meinungen gingen von Verwunderung ("Da werde ich nicht schlau draus") über Amüsement ("Die Märchenstunde war ja ganz lustig") bis zu skeptischen Hoffnungen ("An der Aussage Stadion muss er sich messen lassen").

An diesem Sonntag (13.30 Uhr) weilt Ismaik beim Heimspiel der Sechziger gegen Bochum, mit Spannung werden nun Plakate und Reaktionen im Fanblock erwartet. Dann wird sich zeigen, wie viele Löwenfans an den Weihnachtsmann glauben.

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