1860 München:Gremlins in Giesing

1:3 in Aue, nächtliche Sprints, Ärger um Hofmann: 1860 bebt nach dem Fehlstart.

Von Gerald Kleffmann

Nach 20 Minuten kam die Fünferbande wieder aus dem Kabinentrakt getrottet, vorneweg schlichen Karlheinz Pflipsen und Slobodan Komljenovic, dahinter Matthias Lehmann, Roman Tyce und Paul Agostino. Sie alle schauten zum Fürchten grimmig, Erinnerungen an die Gremlins von Steven Spielberg wurden wach. Einzig Agostino blickte halbwegs menschlich, ehe er Richtung Trainingsplatz marschierte. "Ich habe einiges mit dem Mannschaftsrat besprochen", verriet Rudi Bommer später genervt, er wirkte, als stünde er im Stau.

Die Nachwehen des unerfreulichen 1:3 am Freitagabend beim FC Erzgebirge Aue plagten den Trainer der Löwen noch am Sonntagmorgen, das gab er zu. "Ich bin verärgert", sprach Bommer ruhig, aber bissig. "Ich habe nicht das Gefühl, dass die Mannschaft in Aue alles getan hat." Er versuchte trotz seiner Wut entspannt zu bleiben, im Hintergrund warteten Kinder und Fans, die zum alljährlichen Tag der offenen Tür gekommen waren und den Trainer während seines Vortrags beobachteten. Bommer lächelte gequält.

Ein Punkt aus zwei Partien, dazu sichtbare Schwächen in Abwehr und Taktik, so hatte er sich den Start in die Zweite Bundesliga nicht vorgestellt. "Das war gegen Aue zu wenig, von allen", kritisierte Bommer, der in der Nacht nach der Niederlage auf drastische Weise reagierte. Weil seine Profis nicht genügend gerannt seien, ordnete er nach der fünfstündigen Busfahrt ein Training an.

"Das muss ich sacken lassen"

Zwischen zwei und drei Uhr morgens mussten seine Spieler erniedrigende Steigerungsläufe absolvieren. "Das war nett", meinte Bommer zynisch und mitleidslos und deutete an, dass in einem speziellen Fall sogar eine noch härtere Strafe folgen könnte. Michael Hofmann ist dem Trainer unangenehm aufgefallen.

Direkt nach dem Schlusspfiff hatte der Torwart dem Sender Premiere ein Interview gegeben, es wurde live gesendet, Bommer hat es begutachten können. "Ich stand im Studio und dachte: Das muss ich erst mal sacken lassen." In seiner ersten Erregung und Enttäuschung hatte der emotional und kämpferisch veranlagte Hofmann losgepoltert, unter anderem sagte er: "Bei uns stimmt vieles nicht. Wir haben die Abgänge nicht verkraftet, wir haben zu wenig Routiniers im Team."

Vor allem charakterlich würden die Neuen noch nicht passen, ließ Hofmann durchblicken. Er schloss mit dem Ausblick: "Es sieht im Moment nicht danach aus, dass wir den Wiederaufstieg schaffen". Mit diesen Worten hat Hofmann die Vereinsmeinung gegen sich aufgebracht, denn schwerer als die vielleicht berechtigte Kritik wiegt, dass er sie öffentlich ausgesprochen hat.

Gremlins in Giesing

Bommer und 1860-Präsident Karl Auer überlegen, ob sie Hofmann eine Geldstrafe aufbrummen, "wir werden darüber nachdenken", kündigte der Trainer streng an. "Ich weiß nicht, ob er sich so weit aus dem Fenster lehnen kann, er hat ja schon drei Fehler gemacht." In dieser Form hatte Bommer noch keinen seiner Profis belastet, es wäre daher keine Überraschung, sollte Hofmann seinen Stammplatz verlieren.

Am kommenden Sonntag im DFB-Pokal bei Germania Schöneiche steht bereits der junge Timo Ochs im Tor, dies wurde allerdings vor der Saison vereinbart. Hofmann selbst relativierte gestern seine Sätze etwas: "Ich wollte nur die Mannschaft in Schutz nehmen."

Der Fall Hofmann ist nicht der einzige Beleg, dass erste Risse im Mannschaftsgefüge der Löwen erkennbar sind. Zwischen der Startelf und den restlichen Spielern im Kader klaffe eine Lücke, analysierte Bommer, "ich habe nicht das Gefühl, dass von hinten einer rein will", sagte er und rüffelte damit Spieler wie Daniel Baier, Pascal Ojigwe, Francis Kioyo und Lance Davids.

"Nicht gegen den Ball arbeiten"

Die Folge: Die momentanen Stammspieler seien genügsamer, weil sie keine interne Konkurrenz fürchten müssen. Und ihm als Trainer würden die Alternativen fehlen. Dabei achtete Bommer darauf, keinen seiner Profis vom Generalverdacht auszunehmen, "das betrifft alle aus der zweiten Reihe", betonte er. Also auch den schnellen Emmanuel Krontiris, der gegen Aue für Matthias Lehmann eingewechselt wurde, aber sich problemlos den mittelmäßigen Stürmerkollegen Agostino und Michal Kolomaznik anpasste.

Den Profis aus der Startelf wiederum warf Bommer in bestem Fußballerdeutsch vor, "nicht gegen den Ball zu arbeiten". Was er meinte: Seine Spieler liefen nach dem Ballverlust nicht zurück, jeder blieb stehen, die Rochaden der Mannschaftsblöcke glückten nicht. Zwei bis drei Tage wolle sich Bommer nun seine Profis im Training ansehen, dann werde er reagieren.

"Wir haben gute Spieler in der U 23", sagte er, "vielleicht gibt es eine Fluktuation." Diese Androhung dürfte jedoch nicht mehr als eine Spitze sein, Bommer jedenfalls grinste verdächtig gelöst, erstmals nach einer Viertelstunde. Dann drehte er sich um und trabte auf den Platz. Zurück zu den schweigsamen Gremlins in Giesing.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: