1860 München:Geduldig in Trübsal

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Hat laut 1860-Präsidium einen "gut dotierten Vertrag" für die dritte Liga: Trainer Daniel Bierofka. (Foto: Matthias Balk/dpa)

Beim Fußball-Drittligisten fordert Investorenvertreter Stimoniaris den Rücktritt von Präsident Reisinger - der kontert mit einer Empfehlung.

Von Philipp Schneider

Anfang der Woche hat der Linksverteidiger Christian Köppel ein Foto geteilt auf einem seiner Kanäle im Internet. Auf dem Bild läuft er neben seinem Trainer Daniel Bierofka auf den Trainingsplatz an der Grünwalder Straße, unter die Aufnahme hat Köppel den Satz geschrieben: "Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, beharrlich im Gebet." Der Spruch ist entlehnt aus dem Brief des Paulus an die Römer, und er passt gleich in vielerlei Hinsicht wunderbar zur aktuellen politischen Situation beim Münchner Fußballklub, der erst seit dem vergangenen Wochenende weiß, dass er für ein weiteres Jahr in der dritten Liga planen darf. Zum einen bezieht sich der Vers auf Köppels persönliche Situation. 1860, jener Verein, für den Köppel seit seinen Kindheitstagen spielt, hat ihm kürzlich mitgeteilt, dass er sich einen neuen Klub suchen muss. Zum anderen, und Köppel weiß das natürlich, appelliert Paulus in den Römerbriefen an die Römer, sich Gott zur Verfügung zu stellen - denn Gott arbeite mit den Christen zusammen.

Nun hat 1860 in den vergangenen Jahren vor allem deshalb bundesweite Aufmerksamkeit erhalten, weil er jener Klub ist, in dem kaum jemand zusammenarbeitet. Bei Sechzig arbeiten sie traditionell aneinander vorbei. Selten bis nie jedoch war der den Klub zerteilende Graben tiefer als in diesen Tagen, in denen Präsident Robert Reisinger und der Investor Hasan Ismaik sich über die Sinnhaftigkeit und mögliche Form der Zuführung von Gesellschaftermitteln streiten. Eine Debatte, in die sich kürzlich auch noch Bierofka eingeschaltet hat, als er den von Reisinger ausgerufenen Konsolidierungskurs - der eine Reduzierung des Etats von 4,5 Millionen Euro auf etwa drei Millionen Euro vorsieht - öffentlich kritisierte: "Was die allgemeine Situation betrifft, hoffe ich, dass alle in diesem Verein mal aufwachen. Sonst spiele ich nächste Saison mit einem Innenverteidiger. Das ist ein bisschen schwierig, denn dafür gibt es kein System."

Nun steht bekanntlich Reisingers Vorschlag weiter im Raum, auf welche Weise Ismaik seiner Firma durchaus Mittel zuführen könnte, wenn er denn wollte. Indem er Genussscheine nicht nur in Aussicht, sondern unmittelbar zur Verfügung stellt. Oder indem er sich auf ein Sponsoring einlässt. Dass es weder zu der einen, noch der anderen Finanzierung kommen wird, ahnt man indes spätestens seit der jüngsten Wortmeldung von Ismaiks Statthalter Saki Stimoniaris im kicker. Reisinger, sagt Stimoniaris, habe in den vergangenen knapp zwei Jahren nicht bewiesen, dass er 1860 gewachsen sei. "Peter Cassalette (Reisingers Amtsvorgänger, d. Red.) hat 2017 mit seinem Rücktritt Verantwortung übernommen. Darauf warte ich bis heute von Reisinger, Hans Sitzberger und Heinz Schmidt. Sie waren auch dabei, haben alle Entscheidungen mitgetragen und zugestimmt. Wann übernehmen sie Verantwortung und treten zurück?"

Angesprochen auf Stimoniaris' Rücktrittswunsch wirkte Reisinger am Donnerstag so, als sei er ein wenig entfernt von einer Niederlegung seines Amtes. Er hatte einen Ratschlag: "Mir wäre es sehr viel lieber, Herr Stimoniaris würde sich auf seine Aufgaben als Vorsitzender des Aufsichtsrats der KGaA konzentrieren. Dort gibt es viel zu tun. Das wäre für den Profifußball und für den Verein sinnvoller. Seine Vorhaltungen und Unterstellungen wie auch seine Versprechen sind in meinen Augen purer Populismus und haben mit der Realität wenig zu tun. Ich habe keine Zeit für diese Art der Auseinandersetzung - wir kümmern uns im Präsidium um Sacharbeit."

Sechs Wochen noch, dann herrscht vielleicht wieder Ruhe. Sechs Wochen sind es zumindest noch bis zur nächsten Mitgliederversammlung bei 1860. Am 30. Juni werden die Mitglieder darüber abstimmen, ob das Präsidium um Reisinger das Mandat für eine weitere Amtszeit erhält. Bis dahin, so scheint es, warten beide Seiten ab und es fließen auch keine Mittel. Sollte Reisinger bestätigt werden, dürfte er dies als Mandat erachten, am Konsolidierungskurs unbeirrt festzuhalten. Stimoniaris wiederum, der sich selbst vergeblich beim für die Nominierung zuständigen Verwaltungsrat für das Präsidentenamt beworben hat, glaubt offenbar jetzt schon, dass die zur Versammlung erscheinenden Mitglieder nicht die Mehrheit repräsentieren werden. "Momentan wird jeder Kreisligist demokratischer geführt als 1860", findet Stimoniaris.

© SZ vom 17.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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