1860 München: Dieter Schneider:"Der Vertrag ist unterschriftsreif"

Lesezeit: 5 min

Die Insolvenzgefahr ist weiterhin gegeben:1860-Präsident Dieter Schneider zur Einigung mit Investor Ismaik, zu letzten Hürden der Rettung und wie die Zukunft des Vereins aussehen könnte.

Andreas Burkert und Gerald Kleffmann

SZ: Herr Schneider, nachdem sich der mögliche Investor Hasan Ismaik zuletzt irritiert über die Zurückhaltung des TSV 1860 München bezüglich seiner Kaufofferte äußerte, haben Sie für diese Woche eine Zusendung eines Vertragsentwurfs an die DFL avisiert. Wir haben nun Freitag, wird es diese Post geben?

Münchens möglicher neuer Investor, Hasan Abdullah Ismaik (r) aus Jordanien, TSV- Präsident Dieter Schneider beim Gespräch auf der Tribüne. (Foto: dpa)

Dieter Schneider: Ja, wir haben nun einen Entwurf an Herrn Ismaik geschickt, bei dem ich nach unseren täglichen Telefonaten davon ausgehen darf, dass nun beide Seiten mit dieser Lösung leben können. Dieser Vertragsentwurf geht jetzt an die DFL, und zwar nicht alibi-halber - sondern als Basis, von der wir glauben, dass sie eine Grundlage unserer Zusammenarbeit sein könnte. Wir haben das jetzt alles sehr gut überlegt und ausverhandelt.

SZ: Haben Sie noch Zugeständnisse gemacht?

Schneider: Der beste Kompromiss ist immer der, bei dem beide Seiten sagen: Na ja, ein bissel mehr hätt' ich schon noch gern gehabt - aber jetzt passt es. Es geht hier auch nicht darum, Machtpositionen zu erkämpfen, sondern um das Beste für unseren Verein. Aber wir sehen natürlich ein, dass - falls einmal doch die 50-minus-Auflage der DFL fällt und somit jemand die Mehrheit der KGaA-Anteile halten darf -, es in Ordnung wäre, wenn Herr Ismaik diesen kleinen Schritt noch machen dürfte. Ich denke, es wäre dann korrekt, wenn er diese Option hätte angesichts seiner Vorleistungen. Ich finde, wenn man das ganze Drumherum der Zusammenarbeit gut ausgestaltet, spielt es sowieso keine große Rolle, ob man 49 oder 51 Prozent hält. Und wenn die 50-1-Regel fällt, gibt es im deutschen Fußball ohnehin eine andere Situation.

SZ: Somit wäre ein Knackpunkt der Verhandlungen mit Ismaik gelöst.

Schneider: Ja, der Vertrag ist unterschriftsreif. Es müsste dann nur in der Folge alles, was drinsteht, formal in Feinarbeit justiert werden. Und der Aufsichtsrat muss es natürlich absegnen. Ich glaube aber, dass der Aufsichtsrat von Beginn an nicht gegen diese Lösung war.

SZ: Was fehlt dann noch zum Abschluss außer dem Okay der DFL?

Schneider: Eigentlich aus unserer Sicht nichts.

SZ: Und welche Signale haben Sie bislang von der DFL bekommen?

Schneider: Die DFL ist, und das ist nachvollziehbar, sehr vorsichtig. Wir haben aber vor längerem schon mal die Grundzüge mitgeteilt, und da kam schon die Rückmeldung: Wenn das in etwa so ist, können wir uns das vorstellen.

SZ: Steht im Vertrag auch drin, dass es neben Robert Schäfer einen zweiten Geschäftsführer gäbe? Es soll nach Ismaiks Wunsch ein Wirtschaftsfachmann sein.

Schneider: Ja, wir werden sicher in diesem Vertrag der DFL nichts vorenthalten, was wir dann hinterher in der Feinjustierung klären werden.

TSV 1860 München: Neuer Investor
:Willkommen in München!

Am Samstag soll Hasan Abdullah Ismaik, der wahrscheinlich neue Investor des TSV 1860, erstmals in München eintreffen. Hier sind wichtige Tipps, damit er sich wohl fühlt - und worauf er sich besonders freuen darf.

Gerald Kleffmann und Markus Schäflein

SZ: Und Sie stehen jetzt hinter allen Forderungen von Herrn Ismaik? Sie als Sanierungs-Experte können sich womöglich auch gut in ihn hineinversetzen.

Schneider: Ja, ich stehe hinter allem, ich kann seine Forderungen auch nachvollziehen. Wir haben uns jetzt etwa in der Mitte geeinigt - und wenn die DFL zustimmt und wir uns dann im Detail wieder zusammensetzen, haben wir sicher schnell Klarheit. Wenn wir kein Grundvertrauen hätten, hätten wir das jetzt bei der DFL nicht eingereicht.

SZ: Allerdings müssten auch die Gläubiger mitspielen. Ist der von Ismaik geforderte Teilverzicht schon erwirkt?

Schneider: Diese Geschichte müssen wir noch lösen. Und ich möchte auch hier nicht den Eindruck erwecken, dass wir die Bankenlösung parallel nur als Alibi betreiben. Man kann sich auch verzocken, dass man auf zwei Pferde setzt - und am Ende keines hat.

SZ: Wie schätzen Sie die Chancen auf eine Einigung mit den Gläubigern ein?

Schneider: Ich denke, dass zum Schluss das kaufmännische Denken bei allen Gläubigern überwiegend wird und auch muss. Es ist mir klar, dass Leute, die im guten Glauben Geld in den Klub gesteckt haben, zunächst einmal frustriert sind. Das verstehe ich. Es waren aber auch welche dabei, die es nur unter Rendite-Gesichtspunkten gemacht haben - und da müssen sie auch, wie überall, das Risiko einberechnen, dass es mal nicht funktioniert.

SZ: Sie sprechen womöglich den umstrittenen Spielerberater Schwarzer an.

Schneider: Ich möchte da niemanden nennen, aber er ist natürlich einer unserer namhaften Gläubiger. Aber ich möchte mal grundsätzlich sagen: Auch bei einer Bankenlösung gäbe es nur Zustimmungen der Institute, wenn ein Moratorium für Zins und Tilgung bei den Altgläubigern stattfindet. Bei beiden Versionen ändert das für die Gläubiger nichts an den Fakten, so unbefriedigend sie auch sind. Das muss jeder wissen.

SZ: Der Arena-Vermieter FC Bayern hat nun über Vorstand Rummenigge wissen lassen, man schließe einen Schuldenverzicht aus. Präsident Hoeneß hatte ohnehin eher von Stundungen über Jahre gesprochen. Wie ist da der Stand?

Schneider: Ich habe Herrn Rummenigges Aussage zur Kenntnis genommen, aber da wir in Verhandlungen sind, kann ich einzelne Punkte nicht kommentieren.

SZ: Sie erwähnten die parallel betriebene Bankenlösung. Mit Verlaub: Wieso soll das jetzt plötzlich noch klappen?

Schneider: Wir haben im Vergleich zum 1. April, als es bekanntlich sehr ernst um Sechzig stand, ein paar Voraussetzungen geschafft. Aber klar ist auch: Eine Bankenlösung wird letztendlich eine Investorenlösung nicht ersetzen, sie müsste irgendwann dann doch kommen. Vielleicht ginge es jetzt auch in diese Richtung, indem Bankkredite in Anteile umgewandelt würden.

SZ: Sie hätten dann etwas mehr Einfluss, aber auch deutlich weniger Perspektiven und weiterhin den Stress mit diversen Gläubigern, darunter jemanden wie Schwarzer.

Schneider: Wir müssen uns jetzt sicher entscheiden, in der ersten oder zweiten Maiwoche muss die Lösung stehen; allein wegen der DFL-Auflagen, und der Zwischenkredit, den wir im April auf die Schnelle organisierten, hält ja auch nicht ewig an. Wir haben Zeitdruck. Die Bankenlösung hat sicher den Charme, dass man eine gewisse Gestaltungsmöglichkeit für die Zukunft hätte. Aber sie hat auch den Nachteil, dass man unter verschärften Bedingungen arbeitet.

SZ: Eines ist aber auch klar: Es muss Mitte Mai eine Lösung stehen - sonst ist der Verein pleite.

Schneider: Genau, die Insolvenzgefahr ist weiterhin gegeben. Wir werden zwar bei Auswärtsspielen im Moment nicht mehr als der Insolvenz-gefährdete Verein begrüßt. Das ist ganz gut für die Stimmung, aber man braucht sich nix vorzumachen: Es ist so. Dann ist 1860 Geschichte, und die Gläubiger verlieren alles. Das muss ihnen bewusst sein. Das Investoren-Thema geht ja derzeit groß durch die Medien, und da ist dann wohl schon bei manchem der Effekt da: ,Wenn ich lang genug warte, wird's an mir schon nicht scheitern.' Dabei ist klar: So sehr der Investor zu der Geschichte steht - so schnell kann er auch wieder weg sein. Und seine Bedingungen an die Gläubiger hat er doch sehr klargemacht.

SZ: Zuletzt war Herr Ismaik auch verwundert, dass Florian Hinterberger als Sportkoordinator ein Thema ist.

Schneider: Es gibt natürlich trotz des Wunschs, solche Entscheidungen zurückzustellen, interne Zwänge, und darüber haben wir uns inzwischen verständigt. Und wenn ich den Investor nicht ganz falsch einschätze, möchte er sich nach einem Abschluss sicher zunächst mal ein Bild machen. Ich könnte mir also vorstellen, dass er mal eine Halbsaison schaut: Wie läuft das Ganze? Er wird nicht sofort Louis van Gaal und drei Weltklasse-Spieler holen, um sofort aufzusteigen. Zumal wir inzwischen sportlich auf einem sehr stabilen Weg sind, weshalb ich mich auch bestätigt sehe in der Haltung, für Kontinuität zu sorgen. Grundsätzlich wächst da etwas Schönes zusammen.

SZ: Also wird es personell nicht mehr um Import-Export von Spielern gehen?

Schneider: Ja, und deshalb glaube ich, dass der Investor vielleicht dann erst in der Winterpause sagt: Jetzt planen wir schon mal die nächste Saison.

SZ: Un d so ist auch der Plan mit Hinterberger zu verstehen: als Sicherheit für eine kleine Lösung, für die sich dann im Fall einer größeren Lösung stets ein anderer Job im Verein finden ließe?

Schneider: Genau so ist es.

SZ: Für den Import/Export war zuletzt der umstrittene Sportchef Stevic zuständig, dessen Aus Sie forcierten und das im Aufsichtsrat einstimmig begrüßt wurde. Geschäftsführer Schäfer opponierte jedoch intern, wie auch gegen die Verlängerung mit Trainer Maurer. Für die Außenwirkung war das nachteilig.

Schneider: Robert Schäfer hatte zu Stevic seine eigene Meinung, das stimmt. Ich denke, man hat das Recht, eine andere Sicht zu haben - so lange man dann am Ende die demokratischen Abläufe akzeptiert. Die Sache war ein Knackpunkt, das gebe ich zu. Aber es wäre gefährlich, wenn wir uns nun über so einen Knackpunkt auseinanderdividieren lassen. Und die unterschiedlichen Meinungen haben ja auch nicht dazu geführt, dass sie unsere Verhandlungen behindern.

© SZ vom 29.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: