1860 München:Bei 1860 fasst man sich ans Hirn

TSV 1860 München - FC St. Pauli

Investor Hasan Ismaik beim Spiel gegen den FC St. Pauli.

(Foto: Tobias Hase/dpa)

Eine Frage zum Löwen-Abstieg: Hat es auf dem Planeten je ein Investment mit weniger Ertrag gegeben als das Geld, das Investor Ismaik in den TSV 1860 München gesteckt hat?

Kommentar von Philipp Schneider

Was nun beim TSV 1860 München mit dem Abstieg in die dritte Liga grandios gescheitert ist, das war der Versuch, Weltklasse zu werden, indem Männer aus aller Welt importiert wurden. Da waren zunächst einmal all die brasilianischen und portugiesischen Wunderkicker, die Investor Hasan Ismaik nach Giesing holen ließ, weil er dem iranischen Fußballgeschäftsmann Kia Joorabchian vertraute, bei dem es zu kurz gegriffen wäre, zu sagen, er sei Spielervermittler. Die internationale Presse ist voll mit Geschichten über Joorabchians ungewöhnliches Geschäftsgebaren. Hatte Ismaik die Geschichten nicht gelesen? Oder hatten sie ihm sogar gefallen? Beides wäre gleich fatal.

Da war Vitor Pereira, ein möglicherweise toller Trainer, der allerdings eine derart komplexe Idee von Verschiebefußball verfolgte, dass er seine Spieler über- und die Liga unterforderte, und der nun seine Abschiedsrede hielt. Da war Ian Ayre, auf dem für die dritte Liga riesige Hoffnungen der Anhänger ruhten, der den Klub aber schon vor dem Finalspiel unverhofft wieder verließ. Ein Geschäftsführer, der einen klasse Job gemacht haben mag beim FC Liverpool, bei dem aber von Anbeginn die Frage war, weshalb ein Mann, der Jürgen Klopp lockte und mit dreistelligen Millionensummen hantieren durfte, überhaupt in die zweite deutsche Liga wechseln wollte.

Ismaik, der Sechzig ja nach eigenen Angaben auch in der dritten Liga treu bleiben möchte, lernt nicht dazu. Er wiederholt die immer gleichen Fehler in Endlosschleife. Und je autarker ihn der holzpuppenartige Vereinspräsident Peter Cassalette, der am Tag seiner Vorstellung demonstrativ einen zarten Plüschlöwen mit aufs Podium hievte, an der Klubspitze wurschteln lässt, desto schlimmer wird die finanzielle Lage des einst stolzen Traditionsklubs, der schon länger auf Pump lebt, inzwischen aber wirkt wie eine gigantische - und drittklassige - Spekulationsblase.

Wer profitiert von dieser Blase? Nur die Geschäftsleute, die von ihr angelockt werden wie Yogi Bär vom Honigtopf? Oder auch der Mann, der in ihrem Zentrum sitzt? Irrwitzige 21 Millionen Euro wollte der Jordanier für die nächste Saison in der zweiten Liga überweisen. Jetzt steigt der TSV 1860 ab, aber es wird für Ismaik kaum günstiger. Zumal der Klub weiter in der verhassten Arena spielen muss. Hat es auf dem Planeten je ein Investment mit weniger Ertrag gegeben? Ein Spielsüchtiger, der kleinere Summen verzockt, hätte längst Hausverbot in seinem Lieblingscasino. Der Spieler, verlangt das Gesetz, muss vor sich selbst geschützt werden. Nur bei 1860 fasst man sich ans Hirn: Weswegen möchte einer nicht aufhören, Geld zu verbrennen?

Pereira, Ayre, fast alle Spieler gehen nun, es gibt angeblich einen Neuanfang unter Ismaik. Den wievielten? Man erinnert sich an Sportchef Poschner und Trainer Moniz, an Sportchef Kreuzer und Trainer Möhlmann, an Sportchef Eichin und Trainer Runjaic. Und jetzt an Ayre, Cassalette und Pereira.

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